Spitaleintritt am 12. Juli 1993
Mit einem seltsamen Gefühl im Magen, trabte ich dort an. Silvia fuhr mich hin. Das war an einem Montagmorgen. Als ich auf der Station ankam, wurde ich gleich am Wehenschreiber angeschlossen und wir wurden genauestens untersucht. Der Arzt sagte, dass ich am nächsten Morgen das erste Zäpfchen bekäme um sanft einzuleiten. Im Bett liegend, wieder auf der Station, wurde mir klar, dass das Kind dann ziemlich sicher am 13. auf diese Welt kommen würde. Dieser Gedanke löste unterschiedliche Gefühle aus. Ich bin ja nicht wirklich abergläubisch und doch beschäftigte mich der Gedanke ein wenig. Am nächsten Morgen bekam ich das Zäpfchen um 07:00 Uhr verabreicht, dass die Geburt auslösen könnte, oder zumindest den Gebärmuttermund aufweichen würde. Auf einmal kam ein Gefühl von Freude und Erleichterung auf, die schwer zu beschreiben ist. Mir wurde empfohlen einwenig umherzulaufen, was wir dann auch taten. Dieter und ich gingen im Freien etwas spazieren und sassen auf einem Parkbänkchen mit Blick auf den Bodensee. Es war eine ganz spezielle Stimmung in der Luft. Um 13:45 Uhr bekam ich das zweite Zäpfchen und prompt, nach zehn Minuten begann es schon zu ziehen. Um 16.00 Uhr kam Dieter zurück. Fünfzehn Minuten später sassen wir in einem der rosa Gebärzimmer um ein CTG zu machen. Unsere Stimmung war regelrecht fröhlich und was mir besonders gefiel war, dass wir uns in einem rosa Zimmer befanden. Wir wussten nicht, ob es nun ein Mädchen oder wieder ein Junge sein würde und ich wollte es auch nicht wissen, denn wenn es ein Junge gewesen wäre, hätte ich nicht gewusst wie ich darauf reagiert hätte. Bei der Namenswahl setzte ich mich wie immer durch, aber nur dort. Ich konnte mich abermals nicht für einen Knabennamen entscheiden. Eigentlich hatte ich keinen der befriedigend war. Die Kontraktionen waren gut auszuhalten und um 17:20 ging das Fruchtwasser ab. Die Wehen wurden nun immer stärker. Ich hatte bis dahin von Beginn weg immerzu Wehenabstände von 3 bis 5 Minuten. Dieter bekam ein Nachtessen serviert und ich einen Pfefferminztee. Mir war bewusst, dass diese Geburt die letzte sein würde. Ich wollte alles mögliche in diesem Raum ausprobieren, der so manches Angebot offerierte, doch kaum setzte ich mich auf, wurde es mir schwindlig. Im Radio lief der Sommerhit „…quantas duos stress…“ und ich fand das sehr passend, grins. Um 18:00 Uhr war der Muttermund erst 2 cm geöffnet! Um 20:00 Uhr bat ich die Hebamme nachzusehen, wie weit es nun sei, doch sie wollte nicht, wegen der angeblichen Infektionsgefahr. Wir hatten solch eine fröhliche und ausgelassene Stimmung, dass die Hebamme mir nicht glaubte, dass es nun bald soweit sei. Sie sagte sie käme frühestens in einer Stunde wieder um nachzuschauen. Es wurde immer stärker und ich stellte an den verschiedenen Phasen fest, dass es nicht mehr allzu lange ging (starke Müdigkeit, zittern, trockener Mund und unregelmässige Kontraktionen). Einige Minuten später hatte ich das enorme Bedürfnis pressen zu wollen. Ich läutete um Hilfe. Die Hebamme kam, untersuchte und rief den Arzt und schob mir unter Stress die Nadel in den Handrücken, wobei es ihr erst beim dritten Versuch gelang. Dieter wurde sauer, weil er dachte es täte mir weh, doch ich spürte es kaum, weil ich anderweitig beschäftigt war. Ich sah, wie sie die Instrumente im Schnelltempo vor mir ausbreiteten. Tja, hätte sie auf mich gehört, hätten sie sich den Stress ersparen können. Mit Alena hatte ich die absolut leichteste Geburt erlebt und mit abstand die fröhlichste. Nun war das kleine Mädchen geboren, ein Mädchen! Sie kam um 20:39 Uhr auf die Welt. Meine Freude, unbeschreiblich! Nun lag doch tatsächlich nach drei geborenen Knaben ein Mädchen auf meinem Bauch. Ich musste nicht einmal genäht werden. Gleich nach dem ersten Stillen, ging ich nebenan duschen. Danach kamen Alena und ich in den Überwachungsraum für zwei Stunden. Dieter blieb noch einige Minuten bei uns und dann ging er nach Hause. Wir waren ja so glücklich! Allein mit Alena im Überwachungsraum, kämpfte ich gegen altbekannte Ängste an. Ich schwelgte im Babyglück und trotzdem schaute ich immer wieder auf ihren winzigen Brustkorb, ob er sich auch schön bewegte.
Ich durfte mein Baby auf dem Zimmer haben, sogar über Nacht wenn ich wollte, doch diesen Service nahm ich nicht in Anspruch. Ich hatte es lieber, wenn sie nachts auf der Babystation schlief und die Hebeamen sie mir brachten, wenn sie Hunger hatte. Am nächsten Tag sah Jan zum ersten Mal sein Schwesterchen. Er schaute sie sich genau an und hatte einen Gesichtsausdruck der schwer zu beschreiben ist. Er krallte sich immer wieder ans Wägelchen und guckte hinein. Beim Gehen, noch im Spitalgebäude, habe Jan seinen Papi gefragt, ob das nun wirklich ein echtes Baby gewesen sei? Mir fiel bei Jan`s folgenden Besuchen auf, dass er zwischendurch Alena`s Wägelchen leicht an mein Bett „bumsen“ liess. Später, nach Jahren erklärte er mir, dass er dies absichtlich getan hätte, damit sich die Kleine endlich bewegte und für ihn ein Beweis, dass darin tatsächlich ein lebendiges Wesen lag. So wie Jan damals, liess ich auch Alena im Kinderspital Münsterlingen eine ganze Nacht lang, an ein Überwachungsgerät anschliessen, das die Herztätigkeit, den Atem und den Sauerstoffgehalt in der Haut mass. Auch den Magenschliessmuskel untersuchten sie, um auszuschliessen, dass die getrunkene Milch beim Liegen nicht wieder zurückfliessen konnte und das Baby so ersticken könnte. Es war alles im grünen Bereich und nichts Auffälliges zu erkennen. Jan musste ich für diese Untersuchung nach St.Gallen in den Kinderspital bringen. Doch nun gab es auch ein Kinderarzt hier in Münsterlingen, der sich mit dem Kindstod befasste. Das war sehr praktisch, so gab mir die Hebamme in der Nacht Bescheid und ich lief hinüber, in den Trakt vom Kinderspital um Alena den Busen zu reichen.
Ich muss noch erwähnen, dass ich zum Zeitpunkt der Einleitung nicht wusste, dass das Kind sich dagegen hätte wehren können. Es hätte sein können, dass man mich nach vielen Wehenstunden, die nichts gebracht hätten, mich einfach wieder nach Hause geschickt hätte und das Ganze dann doch der Mutter Natur überlassen hätte. Nur gut, dass ich das nicht wusste, sonst hätte ich mich ganz bestimmt nicht dazu entschlossen. Und ich bildete mir ein, ich hätte tatsächlich Einfluss auf ihr Geburtsdatum, lach! Ich kam gar nicht auf die Idee, dass es anders hätte sein können, wie damals, als man Joe einleiten musste. Der Arzt erklärte mir, dass es sehr wohl einen Unterschied mache, ob das Kind tot sei oder lebendig. Und dann fragte ich ihn noch gleich, warum die Schmerzmittel damals nichts halfen und er meinte, dass man zu lange gewartet habe, denn wenn die Schmerzen schon zu stark seien, dann helfen die Mittel dagegen nicht mehr viel. Ich wurde über die dürftigen Informationen von damals sauer und auch über mich selbst. Warum musste ich die Starke spielen, es brachte mir so gesehen nichts. Na ja, im Nachhinein ist man immer schlauer. Der Sommer `93 war nicht so heiss wie der im Jahre `88. Als ich mit Alena nach Hause kam, war sie übersät mit Pickelchen im Gesicht, ich dagegen war die meinigen los. Jutta meinte mit einem Schmunzeln, ich hätte sie bestimmt Alena bei der Geburt übermacht. Wir lachten, denn die Vorstellung war ulkig und gemein. Auch diesmal bekam ich vom Spital Münsterlingen ein Überwachungsgerät. Die Entwicklung schritt voran und so gab es ein viel moderneres. Es war mit Akku versehen und wir konnten es überallhin mitnehmen. Ich klebte Alena zwei Sonden auf die Brust, die an dünne Kabel befestigt waren. Diese steckte man in das tragbare Gerät, dass etwa so gross war wie ein Kassettendeck. Einziger Nachteil waren die Kleidchen, die mussten wenn möglich zweiteilig