Grüwig das Buch. Gabriela Beyeler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gabriela Beyeler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844200102
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präsentierte er ihn mir und zugleich fragte er mich: „Was bedeutet, das Eiweiss lagenweise beifügen?“ Als ich den Kuchen sah, musste ich lachen, denn er hatte den Satz wortwörtlich genommen und eine Lage Schokoladenteig, eine Lage geschlagenes Eiweiss und so fortfahrend eingefüllt. Der Kuchen ging so natürlich nicht auf. Essbar war er und so probierte ich von dem edlen Graskuchen. Ich ass ein Stück und bemerkte nichts. Ich ass noch zwei weitere Stückchen, doch ich fühlte keine Veränderung und wir waren enttäuscht. Wochen später versuchte er sich abermals in der Küche und diesmal gelang der Kuchen sehr gut. Ich ass nun vom gelungenen Kuchen ein Stück und wartete einwenig ab und weil letztes Mal nichts passierte, ass ich doch gleich noch zwei Stücke. Dieter ermahnte mich, ich müsse vorsichtiger sein und zuerst noch abwarten. Plötzlich merkte ich wie er Wirkung zeigte. Jan befand sich schlafend in seinem Bettchen. Ich denke er war damals ungefähr drei Jahre alt. Mir viel auf, dass ich mich selbst intensiver wahrnahm. Mir wurde jedes Wort, dass ich von mit gab extrem bewusst, so als würde ich neben mir stehen und mir selbst zuhören. Als unsere Miezekatze angelaufen kam, flippte ich schier aus. Ich fand sie ja so was von süss! Die Musik die gerade lief, war sehr interessant anzuhören. Ich hatte das Gefühl, als ginge sie durch mich hindurch, aufdringlich und doch angenehm. Dagegen konnte ich es nicht ertragen, als mich Dieter berühren oder mich gar küssen wollte. Die Musik faszinierte mich und ich wollte die Kopfhörer anlegen. Ich ging zur Anlage und griff in die Schublade um die Kopfhörer herauszunehmen und sah, dass da ein einziges Kabelgewirr war. Ich versuchte das Ganze zu lösen und als mich Dieter fragte, ob es nicht gehe, fing ich fast an zu heulen und in diesem Augenblick war ich über die Wirkung der Droge entsetzt und fand es schrecklich, dass ich meine Gefühle und Emotionen nicht mehr unter Kontrolle hatte, mich ebenfalls zum Affen machte. Als nächstes fing ich an zu zittern und es wurde mir unwohl. Nun hatte ich mehr als genug davon und wollte zu Bett gehen. Im Bett, in horizontaler Lage, fühlte ich mich noch elender und mir wurde schlecht. Ich lief zum WC und musste mich übergeben. Wieder im Bett, fragte ich entnervt und sauer, ob das Schlimmste nun vorbei sei, oder ob ich noch mehr Stadien zu erwarten hätte? Dieter musste sich ebenfalls übergeben, aber nicht, weil ihm schlecht war, sondern aus kollegialem Mitgefühl. Am nächsten Tag waren wir bei Anton und Mutter zum Mittagessen eingeladen. Ich war immer noch leicht bekifft und das 14 Stunden nach der Einnahme! Ich schwor mir, das Zeug nicht mehr anzurühren, weil mir bewusst war, wie gefährlich es war und es süchtig machen würde.

      Jutta

      Wir bekamen eine neue Nachbarin, gleich oberhalb von uns. Wie wir durch das Küchenfenster beobachteten, war es eine Frau mit einem kleinen Jungen. Wir trafen uns zufällig und kamen ins Gespräch. Ich erfuhr, dass sie sich von ihrem Mann getrennt hatte. Jutta, so ihr Name, war mir ganz sympathisch und auch ihr Sohn war süss und pfiffig. Als sie eine Teilzeitstelle im Service annahm, hütete ich ihren Sohn Jens. Jan und Jens waren fast gleich alt und verstanden sich prächtig. Ich verbrachte manch Stunde bei ihr oben und auch Dieter war involviert. Sie lud uns gerne zum Essen ein und wir sie ab und zu, zu einem Gesellschaftsspiel oder nur so zum Quatschen und tranken etwas Wein. Sie erwähnte mir gegenüber, dass sie Dieter sehr attraktiv fände. Ich hatte damit kein Problem, denn ich vertraute Dieter voll und ganz und sie schien mir keine wirkliche Bedrohung zu sein.

      Walter und Silvia wollten heiraten und so nähte ich für die beiden ein Stoffplakat. Ich nahm einen naturweissen, mehrere Meter langen Stoff, nähte Stoffbuchstaben in dunkelblau, „Viel Glück Silvia und Walter“, links einen Baum und ganz rechts zwei einander spritzend-zuprostende Sektgläser, ebenfalls aus Stoff auf. Es sah wirklich super aus und wir spannten das gute Stück vor ihrem Haus auf. Jutta nahm mich mit nach Weinfelden, um für mich ein „schickes“ Kleid, wie sie es nannte zu kaufen. Das Unternehmen galt eigens für das bevorstehende Hochzeitsfest von Silvia und Walter. Ich war noch nie in dieser Stadt. Sie schon oft, weil sie früher in der Nähe, in Bürglen wohnte, das mir ebenfalls unbekannt war. Wir gingen also shopen und fanden tolle Klamotten bei „Spengler“. Ich kaufte mir die damals modischen Keilhosen, kombiniert mit einer gestylten Jacke und dazu einen runden, flachen schwarzen Hut, der mir super stand. Ich band meine damals langen Haare zu einen Zopf, an der Stirn beginnend bis zum Nacken und länger. Ich fühlte mich wie ein Model und genoss den Tag. Am Abend tanzte ich mit Hansjörg. Er gab sich eher kühl, warum weiss ich nicht. Nach der Feier bekam ich von einigen Personen meines Outfits wegen Komplimente.

      Gleitschirm fliegen

      Dieter begeisterte sich für ein neues Hobby, dem Gleitschirmfliegen. Das war eine teure Sache. Zuerst die Schulung und dann der teure Gleitschirm. Einen gebrauchten zu kaufen lohnte sich nicht und gab es auch nicht, schon aus Sicherheitsgründen. So ein Schirm kostete über Fr. 4000.-- und dann kamen Schuhe, Kleidung, Sitz und solch Dinge dazu. Die Sessel- und Gondelbahnen waren auch nicht gerade günstig. Nun, er absolvierte die Schulung in Appenzell und kaufte sich einen Paratech - Gleitschirm. Seine Mutter schimpfte mit mir und meinte, warum ich ihm das nicht verbieten würde, denn das sei viel zu gefährlich! Ich entgegnete, dass einem überall etwas passieren könne. Sie konnte mich nicht verstehen, doch zumindest war die Diskussion beendet. Unsere Kollegen und Verwandten zeigten reges Interesse dafür und so unternahmen sie einen Plauschnachmittag an einem Hügel und jeder der wollte, durfte es auch einmal ausprobieren. Viel passieren konnte an einem solchen Übungshang nicht. Dieter und ich führten einige Diskussionen wegen der Kosten dieses Hobbys. Er beteuerte, er würde selten die Bahn auf den Berg benutzen und zu Fuss hinaufsteigen, was sich natürlich als Augenwischerei erwies. Jan und ich gingen fast immer mit und picknickten irgendwo nach einigen Wanderschritten. Es war eine willkommene Gelegenheit, für einige Stunden unserer Wohnung zu entfliehen und was zu erleben. Im Tessin fand einmal im Jahr ein Sicherheitstraining statt und auch Dieter nahm daran teil. Wir packten Zelt und Gummiboot ein und fuhren nach Lugano. In der Nähe von Melide campten wir. Sascha wollte einen Tag später nachkommen und darum stellten wir vorsorglich schon mal das Igluzelt für ihn auf. Auf diesem Campingplatz beobachteten wir eine Familie, die kein Zelt hatte. Die kamen mit dem Auto angefahren und schliefen unter freiem Himmel. Wir überlegten, ob wir sie fragen sollten, ob sie vielleicht in unserem zweiten Zelt schlafen wollten? Wir taten es dann aber doch nicht, weil wir kein englisch konnten. Der Mann war Engländer und die Frau schien eine Brasilianerin zu sein. Sie hatten zwei Kinder dabei. Das Mädchen war im selben Alter wie Jan und einen etwas älteren Jungen. Das Mädchen war so süss. Dunkle Haut, grosse dunkle Augen und einen schwarzen Lockenkopf. Jan fing gleich Feuer und die beiden spazierten Hand in Hand durch den ganzen Campingplatz. Ihr Bruder liess die beiden nicht aus den Augen und folgte ihnen auf Schritt und Tritt. Wir mussten das Pärchen einfach fotografieren und auch der Vater des Mädchens kam mit dem Fotoapparat angerannt. Als die Familie am nächsten Tag loszog, war Jan mehr als traurig.

      Dieter hatte täglich sein Flugtraining. Nachdem Sascha ankam, stiegen wir drei in unser Gummiboot und paddelten auf den See hinaus, um dem Treiben am Himmel besser zusehen zu können. Kaum waren wir etwas vom Ufer entfernt, gerieten wir in eine Strömung, die uns zügig abzutreiben drohte. Ich musste paddeln wie verrückt um nur unsere anfängliche Position halten zu können. Sascha übernahm und versuchte sich auch mit paddeln, doch der Junge hatte kein Talent dafür und so übernahm ich wieder das Ruder. Ich schwitzte schon Blut, bis ich es dann doch noch schaffte.

      Leider waren wir nicht mehr so oft im Tessin wie früher, doch gerade als Jan mit zehn Monaten seine ersten Schritte wagte, waren wir im Süden. Zu Hause übte er dann fleissig weiter, mit Hilfe seines „Swissair-Rutschautos“. In Fischer`s neu gekauftem Haus, waren wir vielleicht noch zwei-, dreimal, obwohl es grösser als das alte war. Angeblich war die Grösse der Kaufgrund, damit man zusammen und doch getrennt seine Ferien verbringen konnte, seltsamerweise nutzte das kaum jemand. Die obere Wohnung war exklusiv für die Eltern bestimmt und unten durften wir nach langem, langem Betteln hausen. Nur einmal und nie wieder teilten wir die untere Wohnung mit den Aepli`s.

      Künftig zelteten wir um so mehr in Frankreich, Italien, Österreich, Innerschweiz, Tessin und einmal in Spanien.

      Ein Wunder, das zum wunderbaren Moment führte

      Wir lernten „Sergio“, den Bruder von Dieter`s Chef kennen, der als Monteur auch bei Knupp arbeitete. Wir besuchten ihn und seine Familie, die in einem umgebauten Bauernhaus wohnten. Sie hatten drei Kinder und davon war eines ein schwerstbehindertes,