4 Schnecken und eine Nudel. Benjamin Webster. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Benjamin Webster
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844287752
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den Thomas nun anstellte. Da er mit Gas betrieben war, wurde es rasch warm. Franz zog eine Zigarette aus einem Etui und zündete sie an. Thomas tat es ihm nach und holte zwei Aschenbecher, die auf einen anderen Tisch standen. Franz zog den kleinen Beistelltisch zwischen die beiden Sessel und legte einige Unterlagen darauf. Franz Konrad fing an zu sprechen: „Dein Vater war vor zwei Wochen bei mir und hat mir sein Herz ausgeschüttet. Er wollte unbedingt mit dir sprechen. Hat er dich angerufen?“ Tommi: „Ja, auch zu dieser Zeit. Wir haben einen Termin auf morgen vereinbart. Aber leider kam es ja nicht mehr dazu. Weißt du was er wollte? Am Telefon hat er mir nichts gesagt.“ Franz Konrad zog an seiner Zigarette und antwortete: „Er hatte Probleme im Werk. Finanzielle und Personelle. Er wollte einen Rat von dir. Die finanziellen Probleme kannst du aus dem Anhang entnehmen. Sowohl Firma, als auch Villa Bergmann waren hoch belastet. Schau es dir an, die gesamte Aufstellung steht auf Seite drei.“ Tommi nahm das Schriftstück und blätterte auf die besagte Seite. Er musste zwei Mal hinsehen bevor er begriff was da stand. Private Verbindlichkeiten zweier Hypotheken 780.000 Euro. Verbindlichkeiten der Bergmann Werke gegenüber der Berliner Kredit Bank, insgesamt 2,85 Millionen. Verbindlichkeiten insgesamt 3,63 Millionen Euro, plus Steuern und andere Kosten. Thomas schaute Franz Konrad ungläubig an und fragte: „Ist das wirklich so? Ich meine, Irrtum ausgeschlossen?“ Franz: „Die Zahlen stimmen, ich habe sie mit Steuerberater Udo Arnold verglichen. Tut mir leid, dass ich dir nichts Besseres anbieten kann. Aber ich muss noch dazu sagen, dass die Auftragslage sehr gut ist. Für die Nächsten zwölf Monate sind Aufträge vorhanden. Falls die Bergmann Werke noch die eine oder andere Ausschreibung gewinnt, müsste sogar noch Personal eingestellt werden. Aber darüber solltest du dir am Montag ein eigenes Bild machen. Ich gehe mit dir als neuer Besitzer ins Werk und stelle dir die engsten Mitarbeiter deines Vaters vor. Du warst zwar lange nicht mehr im Werk, aber die meisten dürftest du noch kennen. Dein Vater hat die besten Mitarbeiter immer behalten und gut bezahlt. Sie stehen hinter der Firma, sie sind loyal.“ Thomas überlegte einen Moment und meinte dann: „Das hieße ja, es ist kein Barvermögen mehr da. Und was erben meine Schwestern? Die erwarten doch jetzt bestimmt einen Geldsegen.“ Franz: „Das ist ein Problem, das viel Fingerspitzengefühl verlangt. Du musst es ihnen, so schonend wie möglich beibringen. Aber es kann noch schlimmer kommen. Wie ich von einem Kollegen gehört habe, ist da ein Investor, der hat seine Fühler nach dem Bergmann Werk ausgestreckt. Man munkelt, dass die Bank dem nicht abgeneigt ist, weil sie dabei einen guten Schnitt macht. Was du unbedingt brauchst ist cash. Kommst du nur einmal in Verzug mit den Tilgungen, kündigen sie bestimmt die Kredite und verkaufen euer Haus und das Werk an den Investor. Und wie Banken ticken, brauche ich dir als Banker nicht erklären. Also, lass dir etwas einfallen, oder es gibt kein Erbe mehr, weder für dich, Maria, noch deinen Schwestern.“ Thomas: „Und wenn ich das Werk verkaufen würde?“ Franz: „Ich glaube kaum, dass du dann soviel bekommen würdest, wie es wirklich Wert ist. Du wirst, denke ich, 30% unter Wert verkaufen müssen. Und dann ist ja noch die Villa Bergmann, da stehen, wie du mittlerweile weißt, auch noch Verbindlichkeiten auf.“ Thomas: „Und wenn ich das Erbe nicht antrete, krallt sich die Bank alles und verkauft es meistbietend. Falls das nicht reicht, verhökern sie noch die Villa. Wir stehen dann alle mit nichts da. Und was wird aus den Mitarbeitern? Ich glaube kaum, dass sie alle übernommen werden. Der Käufer wird sich die Filetstücke herausnehmen und dann das Werk schließen. Die Aufträge werden sie dann irgendwo in Fernost ausführen lassen.“ Franz: „Aber nicht die Aufträge vom Militär. Die unterliegen dem Waffenkontrollgesetz, dafür gibt es keine Ausfuhrgenehmigung.“ Thomas: „Und wie viel Prozent sind das?“ Franz: „Das kann ich dir nicht genau sagen. Dies kann dir am Montag der Prokurist, Walter Asmussen zeigen. Aber ich denke, es wird die Hälfte aller Aufträge sein.“ Sie unterhielten sich noch, bis Maria sie zum Abendbrot rief. Franzi war die Einzige die da war. Die anderen drei glänzten durch Abwesenheit. Jule musste noch arbeiten, aber die anderen beiden waren schon wieder am feiern. Franz fragte Maria: „Ist das jeden Abend so, dass die Mädels feiern und nicht zu Hause sind?“ Maria: „Ja, leider. Frau Bergmann hat sich dann immer aufgeregt. Herr Bergmann bekam das nicht so mit, weil er vielmals erst spät abends nach Hause kam.“ Thomas fragte Franzi: „Warum habt ihr keine Jobs, die ihr macht?“ Franzi empfand diese Frage als Beleidigung und meinte schnippisch: „Warum sollen wir arbeiten gehen? Wir haben ja nicht einmal ein fertiges Studium oder eine Ausbildung. Und zudem arbeitet eine Bergmanns Tochter nicht. Was glaubst du, was die Freunde über uns denken würden? Nachher meinen sie noch, wir hätten kein Geld mehr.“ Thomas schaute Franz an, der schüttelte kaum merklich mit dem Kopf, als wenn er sagen wollte: „Jetzt nicht.“ Thomas hakte aber trotzdem unverfänglich nach: „Jule arbeitet doch auch? Ach ja, ich übrigens auch. Was ist daran so verwerflich?“ Franzi: „Wenn es euch Spaß macht. Aber zur Arbeit muss man geboren sein. Wenn ich schon die verschwitzten Jungs sehe, die gerade von der Arbeit kommen und übel nach Schweiß riechen, dann stellen sich bei mir die Haare.“ Tommi: „Und glaubst du, du riechst besser? Jeder Mensch riecht wenn er schwitzt. Aber ich glaube nicht, dass es daran liegt. Ich meine, es ist einfach nur Faulheit, die euch drei beschleicht. Welcher Job würde dir denn Spaß machen, wenn du arbeiten müsstest?“ Franzi überlegte einen Moment und kam zu dem Schluss: „Keiner. Ich muss nicht arbeiten, schon gar nicht nach meiner Erbschaft. Wohnen kann ich umsonst und 12,5 % von den Gewinnen der Bergmann Werke, wird wohl zum Leben reichen. So, und nun entschuldigt ihr mich bitte, ich habe noch ein Date und muss mich richten. Einen schönen Abend wünsche ich noch.“ Sie stand auf und ging. Maria deckte den Tisch ab und ließ die beiden alleine in der Küche zurück. Franz meinte: „Da kommt ein hartes Stück Arbeit auf dich zu, falls du das Erbe annimmst. In deiner Haut möchte ich nicht stecken. Aber falls du Hilfe brauchst, helfe ich dir gerne.“ Die beiden tranken noch einen Kaffee zusammen, bevor sich Dr. Franz Konrad verabschiedete. Sie verabredeten sich auf Montagmorgen, um gemeinsam ins Bergmann Werk zu gehen. Thomas setzte sich noch etwas vor das Fernsehgerät, bevor er sich auf sein Zimmer zurückzog. Im Bett liegend, las er noch einmal das Testament, plus der dreiseitigen Anlage durch. Den Brief von seinem Vater wollte er aber erst morgen lesen. Eine Überraschung für den heutigen Tag hatte ihm gereicht. Er hatte immer noch die Worte von Franzi im Kopf, die da meinte, dass 12,5 % der Bergmann Werke jawohl zum Leben reichen würden. 12,5 % von nichts, ergibt nichts. Er war sich noch nicht im Klaren darüber, was er machen sollte. Das Geld zur Ablösung der Kredite hätte er ja, aber dann wäre er pleite. Sein ganzes Geld, welches er in den letzten vier Jahren verdient hatte, müsste er investieren. Wenn die Sache schief geht, stünde er vor dem Nichts. Und dann hatte er noch einen Vertrag mit der Bank in der er angestellt war. Frühestens Anfang nächsten Jahres, könnte er aus diesem aussteigen. Viele Fragen die sich ihm stellten, aber deren Antworten er noch nicht kannte. Thomas wollte sich alles in Ruhe ansehen, bevor er eine Entscheidung treffen würde. Aber da gab es noch den Faktor Schwestern. Er hatte keine Ahnung was die dazu sagen würden, wenn sie erfahren, dass die Bergmann Werke pleite sind. Sie müssten sich wohl oder übel nach einer anderen Geldquelle umsehen, um sich ihr Luxusleben weiter finanzieren zu können. Franz hatte Recht, als er meinte, dass auf Thomas harte Zeiten zukommen, falls er das Erbe antreten würde. Das Grübeln nutzte nichts. Was er brauchte waren Fakten, die er aber erst am Montag bekäme.

      Thomas schlief lange, was bei ihm selten vorkam. Normalerweise stand er in Frankfurt, jeden Morgen um 6:30 Uhr auf. Das klingeln seines Handys weckte ihn. Am anderen Ende war seine Schwester Jule. Gut gelaunt, sagte sie: „Morgen Bruderherz, habe ich dich geweckt?“ Tommi sagte noch halb verschlafen: „Morgen Jule, ich bin gerade erst wach geworden. Was gibt es?“ Jule: „Wegen heute Mittag. Wann soll ich kommen?“ Tommi: „Ich bin den ganzen Tag zu Hause. Du kannst ruhig gleich kommen, dann haben wir Zeit uns einmal in aller Ruhe zu unterhalten. Es gibt einiges zu klären.“ Jule: „Geht klar. Ich bin dann um 11:00 Uhr in der Villa. Also, bis dann.“ Sie legte auf. Nachdem duschen ging er nach unten in die Küche zu Maria, die ihm bereits das Frühstück gerichtet hatte. Als er fertig damit war, setzte sich Maria zu ihm und fragte sorgenvoll: „Es geht der Firma nicht so gut, habe ich Recht?“ Tommi schaute sie an und meinte: „Dir entgeht wohl gar nichts. Aber wie kommst du darauf?“ Maria: „Dein Vater saß vor zwei Wochen abends auch hier und hat genauso bedröppelt geschaut, wie du jetzt. Ich habe ihn gefragt was los sei, dann hat er mir erzählt, dass er Probleme im Werk habe. Es wären längst fällige Zahlungen noch nicht