Am Abgrund. Georg Sonnleitner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Sonnleitner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742774330
Скачать книгу
sie gut nach Hause.«

      Als Stefan durch die Innenstadt spazierte, war er höchst zufrieden. Die Gerüchte hatten sich bestätigt. Maximilian Gerber bezog ein Haus am Tallenberg. Der große Maximilian Gerber. Sein sagenhaftes Vermögen wird auf 100 Millionen Euro geschätzt. Er besitzt unzählige Anwesen auf der ganzen Welt, einen Fuhrpark mit mehr als 50 Luxuskarossen, einen Privatjet und eine Yacht mit Hubschrauberlandeplatz . Als eine der schillerndsten Figuren der Kunstszene war er so begehrt wie auch unnahbar. Seine Geschäfte ebenso undurchsichtich wie seine Persönlichkeit.

      Stefan war so aufgeregt und ekstatisch, dass er seine Wut auf Marie vergaß. Nun kreisten seine Gedanken darum, wie er es anstellen sollte, auf die Party zu gelangen. Dass es eine geben würde, davon war Stefan überzeugt; es war allgemein bekannt, dass Maximilian Gerber eine Haus-Party schmiss, wenn er in eine neue Villa einzog. Und Gerbers Partys waren an Dekadenz und Pracht nicht zu überbieten. Hunderte Menschen würden sich in Gerber’s Prunkschloss versammeln und dort ein ausschweifendes Fest feiern, und ihren geschätzten Gastgeber hochleben lassen. Stefan konnte sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen. Stefan schätzte Freistadt und seine Universität. Doch fanden dort immer die gleichen öden Veranstaltungen statt, mit immer denselben Gesichtern. Stefan war viel unterwegs; New York, London, Shanghai, ... um seinen Tätigkeitsbereich zu erweitern. Auf der Suche nach Neuem. Nach neuen Begegnungen, nach Spaß und Erfolg.

      Gerbers Fest am Tallenberg würde alles in den Schatten stellen. Stefan war ganz besessen davon.

      Als Stefan am nächsten Morgen aufwachte, öffnete er die Augen einen Spalt. Im Gegenlicht der Fensterfront seines Schlafzimmers sah er Marie‘s Silhuette. Sie war bereits halb angezogen. Er blieb liegen, bis sie seine Wohnung verlassen hatte.

      Stefan nahm eine kalte Dusche, rasierte und kämmte sich, zog einen frischen Anzug an und machte sich bereit zu gehen. An der Garderobe warf er noch einen prüfenden Blick in den Spiegel. Dann nahm er seinen schwarzen Aktenkoffer und rief den Aufzug, der ihn direkt von seiner Wohnung ins Ergeschoss des Altbaus brachte.

      Er frühstückte bei Giotto, einem kleinen, italienischen Café, nicht weit von seiner Wohnung. Es war ein unscheinbares Lokal. Stefan mochte es, denn man hatte dort seine Ruhe. Der Campus war zwar nicht weit entfernt, die meisten Studenten bevorzugten jedoch die direkt dort gelegenen Lokale.

      Alf Giotto, ein kleiner, braun gebrannter Mann mit faltigem Gesicht und grauschwarzen Haaren, stellte ihm einen Espresso an seinen Fensterplatz. Stefan holte sein Tablet heraus und sah seinen Maileingang und die Wirtschaftsnachrichten durch. Wenige Minuten später kam sein Omelette und sein frisch gepresster Orangensaft. Er brauchte nicht zu bestellen. Diese Warterei war ihm irgendwann so auf die Nerven gegangen, dass er mit Alf Giotto vereinbarte, ihm sein Frühstück unaufgefordert zu bringen. Am Ende des Monats bekam Stefan eine Abrechnung an den Tisch und er bezahlte.

      Durchs Fenster sah Stefan drei Betrunkene auf der Straße umherwanken. Es waren drei Studenten, die er aus einem Tutorium kannte, das er vor ein paar Wochen gehalten hatte. Sie hatten das Studium zeitgleich mit Stefan begonnen, doch durch ständiges Feiern und ihrem Mangel an Ehrgeiz waren sie weit zurückgefallen. Würden ihre Eltern nicht fleissig in die Universitätsstiftung einzahlen, hätten sie diese Versager längst rausgeworfen, dachte Stefan.

      Die drei lungerten an einer Bushaltestelle herum. Einer lag auf einer Bank und schien zu schlafen. Stefan beobachtete sie mit tiefer Verachtung. Wie diese Idioten das Geld ihrer Väter zum Fenster rauswarfen...Wohnen in teuren Miethäusern direkt am Campus... machen jede Nacht Party, anstatt sich um ihr Studium zu kümmern...

      Stefan versuchte sich wieder auf das Tablet zu konzentrieren, doch die Partywütigen veranstalteten einen Höllenlärm. Und als wäre das nicht schlimm genug, hatte einer der drei Stefan durch das Fenster erkannt und zeigte auf ihn. Sie weckten ihren Kumpel auf der Bank und kamen über die Straße ins Lokal. Alf Giotto stand mit einem verschlagenen Grinsen hinter dem Tresen. Zwei der Betrunkenen setzten ließen sich auf die Barhocker fallen und bestellten Bier. Der Dritte aber kam zu Stefan an den Tisch. Ein penetranter Mief von Rauch und Alkohol umgab ihn. Sein schwarzer Anzug mit Kravatte und weißem Hemd hatte im Laufe der Nacht einiges abbekommen. Seine Gelfrisur aber hatte sich erstaunlich gut gehalten. »Hey, haste eine Zigarette für mich..?«, sagte der drahtige Bursche lallend. »Ich rauche nicht« Stefan versuchte, den Gestank zu ignorieren. Er sah den Betrunkenen kaum an. Da setzte der sich ihm gegenüber.

      »Haben die ein gutes Omelette hier..?«

      Seine geröteten Augen starrten auf Stefans Teller.

      »Es ist nicht schlecht. Aber wirklich gut ist es gegenüber. Bei Gerri.«

      Stefan aß in Ruhe weiter und würdigte sein Gegenüber keines Blickes. Der trommelte auf die Tischplatte. »Du willst uns nicht hierhaben, verstehe...« - Seine dünne Stimme wurde plötzlich kräftig und stark. »Warum; was haben wir getan..?

      »Ich will nur in Ruhe frühstücken«, sagte Stefan. »Und ich hätte das gerne ohne den Gestank von Kotze getan.«

      »Was machst du da, Hari..?« rief einer seiner Freunde an der Bar. »Komm und trink mit uns.«

      Hari wandte seinen Blick nicht von Stefan ab. Als dessen Teller leer war, schob er ihn von sich weg, trank seinen Orangensaft aus und packte seine Sachen in die Tasche. Während er das Lokal verließ, sah er niemanden an. Er war ein paar Meter auf dem Gehsteig gegangen, da sprang Giotto‘s Tür auf. »Hey, was soll das? – Warum beleidigst du mich..?.«

      Hari war auf 180. Mit hastigem Schritt stieg er Stefan nach.

      »Weil du mich nervst. Und jetzt hau ab, bevor ich die Geduld verliere...!.«

      Als Stefan merkte, dass Hari ihm weiter hinterher lief, legte er seine Aktentasche nieder. Er drehte sich um und ließ den groß gewachsenen Burschen an sich heran. Eine widerwärtige Mischung von Schweiß, Bier und Tabak stieg Stefan in die Nase. Die Straße war leer. Bevor Hari ihn packen konnte, schlug Stefan ihn ins Gesicht. Der Betrunkene knickte ein. Bevor er ganz zu Boden sackte, packte Stefan seinen schlaffen Körper und stieß ihn in die Seitengasse nach Alf Giotto‘s Café. Hari wand sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem staubigen Betonboden. Stefan sah auf ihn herab »Du Stück Scheiße widerst mich an.«

      Er nahm seine Aktentasche und ging pfeifend weiter.

      Am Nachmittag saß Stefan auf der Dachterasse der Mensa. Man hatte von dort einen wunderbaren Blick über den Campus. Im Vergleich mit anderen Universitäten war jene in Freistadt klein und der Campus überschaubar. Die privaten Institute für Wirtschaft, internationales Recht und Management genossen jedoch einen hervorragenden Ruf, auch weit über die Landesgrenzen hinaus. Um einen Studienplatz in Freistadt zu bekommen, musste man einen makellosen Abschluss vorweisen können und sich einem umfangreichen Bewerbungsverfahren stellen. Der Andrang war riesig und um das hohe Niveau zu halten, wurden nur die Besten aufgenommen.

      Die Sonne war kräftig, der Mai war heiß. Während er sich auf die Datenblätter eines Anlageplans auf dem Bildschirm seines Laptops zu konzentrieren versuchte, glitten seine Gedanken immer wieder zu Maximilian Gerber ab. Gerade war es ihm gelungen, sich wieder in seine Arbeit zu vertiefen, da setzte sich Ralph Meissner auf den Platz ihm gegenüber. Der schlaksige junge Mann mit Lockenkopf knallte seinen Kaffeebecher auf den Tisch. Stefan tat so, als hätte er ihn nicht bemerkt. »Sagt dir der Name Harald Peiler was..?«, fragte er und Stefan sah vom Bildschirm auf. »Wer?«

      Ralph kniff seine kleinen Augen noch weiter zusammen.

      »Heute Morgen, so gegen acht, ging ich die Felberstraße entlang. Du kennst doch dieses italienische Café dort..«

      »Giotto’s. Ich frühstücke immer dort« sagte Stefan.

      Ralph kippte ein Päckchen Zucker in seinen Kaffee.

      »Ich war sogar heute dort«, sagte Stefan.

      Ralph wurde unruhig. »Ich habe Harald Peiler in einer Seitengasse gefunden. Er lag