Gegen die Vergangenheit. Ernst Meder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Meder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844274721
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wurden, die wir Juden nicht ausüben durften. Sie begannen, uns die Existenzgrundlage zu entziehen, Ephraim hatte nur deshalb keine Probleme, weil er eigenartigerweise unter dem Schutz von diesem Bloch stand. Natürlich wollte auch sein Vorgesetzter, dass er weiter arbeitete, dem Druck der Partei hätte er sich aber bestimmt keinen Widerstand entgegengesetzt.

      Wir hatten mitbekommen, dass die Juden die auswanderten, ihr Vermögen hier lassen mussten, dass sie bei der Ausreise sogar durchsucht wurden. Wenn jemand beim Schmuggeln von Wertgegenständen ertappt wurde, mussten alle ins Gefängnis. Unser Freund hatte das Glück, dass er seit Jahren über die Grenze in die Schweiz fuhr, dabei die Grenzbeamten schon einige Male bestochen hatte.

      Sie hatten sich bestimmt überlegt, dass für sie besser war, wenn er zehnmal über die Grenze fuhr, sie bei jeder Fahrt ihr Bestechungsgeld kassierten, als wenn sie ihn abgefangen hätten, um ihm das Geld abzunehmen. In diesem Falle hätten sie es abliefern müssen, außerdem, wer schlachtet schon das Huhn, welches ihm goldene Eier legt. Für uns war es gut, da unsere Ersparnisse immer sicher auf unserem Konto landeten.

      Dann begannen die ersten Enteignungen, einfach so, ohne Entschädigung wurden jüdischen Unternehmern ihre Firmen weggenommen, damit die angeblich ungeschmälerte Macht der Juden in Handel und Industrie gebrochen wird. Als der Wirtschaftsminister im November abgelöst wurde, war das Schlimmste zu erwarten, als Übergangsnachfolger wurde der fette Hermann Göring eingesetzt.

      Er war es auch, der den Weihnachtsboykott gegen jüdische Geschäfte in diesem Jahr organisierte. Eigentlich wussten wir beide bereits, dass wir nicht in Deutschland bleiben konnten, wir wollten es aber immer noch nicht wahrhaben, hatten immer noch ein bisschen Hoffnung, dass sich etwas ändern würde.

      Während das Chanukka-Fest im Jahr vorher, mein zweites Chanukka mit Ephraim, noch gefeiert wurde, hatten wir in dem Jahr das Fest leise und besinnlich begangen. Wieder wurden Prophezeiungen laut, als viele sich fragten, ob es vielleicht das letzte Fest in Deutschland sein würde. Die Geschäftsleute litten unter dem Boykott, die Nationalsozialisten hatten wieder ihre Helfer vor den Eingängen postiert, um alle deutschen Kunden abzuhalten, in jüdischen Geschäften einzukaufen.

      An jedem Sabbat konnte man im Anschluss sehen, wie die Leute zusammenstanden, diskutierten und überlegten, was sie tun sollten. Viele taten sich schwer, das Geschäft, das zum Teil über Generationen aufgebaut worden war, aufzugeben, um woanders neu zu beginnen.

      Vor allem die Alten wollten ihr Lebenswerk nicht im Stich lassen, da gab es Familien deren Söhne im Ersten Weltkrieg für ihr Vaterland, für Deutschland gekämpft, die ihr Leben verloren hatten.

      Die Zuversicht von Ephraim war gewichen, er glaubte inzwischen auch, dass sich die Situation für uns Juden immer weiter verschlechtern würde. Allerdings befand er sich in einem Zwiespalt. Er hoffte, noch mehr Geld zu sparen, er glaubte es sei noch nicht genug, außerdem befand er sich bei mehreren Forschungsprojekten vor dem Durchbruch.

      Auch unsere Naturkosmetik wurde verstärkt gekauft, weil sie inzwischen den Ruf bekommen hatte, gegen Faltenbildung zu helfen. Wer auch immer das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, weiß ich nicht, aber es hat uns geholfen, auch in arische Geschäfte zu verkaufen.

      Aber jetzt bin ich müde, komme morgen dann will ich Dir gerne erzählen, wie unser Leben weiterging, das schlimmste Jahr sollte noch vor uns liegen.

      4. Kapitel

      Die Veränderung war ihm anzusehen, aber anders als erwartet, er war nicht niedergeschlagen, traurig oder wütend, nein er lächelte permanent wie ein Idiot. Sein Verhalten ließ nur einen Schluss zu, nicht die Nürnberger Gesetze hatten diese Änderung herbeigeführt, er musste sich verliebt haben, nur in diesem Zustand verhielt man sich so irrational, wie dieser jüdische Chemiker. Die Frau, er musste unbedingt wissen, was für eine Frau dahinter steckte, die innerhalb kürzester Zeit einen derart gravierenden Einfluss auf ihn genommen hatte.

      Natürlich hatte er Zuträger in der jüdischen Gemeinde, Leute, die aus unterschiedlichen Gründen bereit waren, ihre Glaubensgenossen zu verraten. Aber das war deren Problem, weshalb sollte er sich Gedanken darüber machen. Seine Druckmittel, über die er verfügte, waren so überzeugend, dass keiner seiner Vertrauensleute gewagt hätte, sich dagegen aufzulehnen.

      Den Auftrag, den er erteilte, war eindeutig, er wollte alles wissen, was diese Frau betraf, außerdem wollte er wissen, seit wann die beiden zusammen waren. Sicher war er nur bei einer Sache, sie musste Jüdin sein, so wie er den Chemiker einschätzte, hätte dieser sich niemals an eine Deutsche herangewagt. Die Rückmeldungen, die er erhielt, waren nicht sonderlich beunruhigend, führten aber auch nicht dazu, dass er sich zurücklehnen konnte, um abzuwarten, was zwischen den Beiden geschah.

      Die Geschwindigkeit, mit der die Beiden plötzlich heiraten, überraschte ihn trotz seiner Kontakte sowie seinen Informanten. Nach einiger Zeit war allerdings wieder so weit Normalität eingetreten, dass sich seine Beunruhigung legte.

      Natürlich wurde ihm berichtet, dass die Produktion sowie der Verkauf der Naturkosmetik sich nach und nach steigerte, seit seine Frau den Vertrieb übernommen hatte. Allerdings hatte er hier in dem Unternehmen durchaus Einblick gewonnen, dass Forschung immense Kosten verursachen konnten.

      Bestimmt hatte die Steigerung der Produktion mit dem Ansteigen der Kosten bei der Forschung zu tun. Sollte er doch investieren, je mehr dieser investierte, desto umfangreicher würden die Ergebnisse sein. Sein Interesse lag in der Förderung dieses Chemikers, deshalb hielt er seine schützende Hand über ihn, damit diesem nicht ungewollt etwas geschah.

      Sein Freund Fritz, der inzwischen Karriere im Schnelldurchlauf genossen hatte, sprach ihn bei einer Feier der Partei, die sie gemeinsamen aufsuchten, auf seinen geschützten Zögling an. Auch er war über die seltsame Konstellation, Parteigenosse schützt Juden, informiert worden, hatte dies gegenüber anderen Parteigenossen aber stets verteidigt. Nun wollte er allerdings darüber informiert werden, warum und weshalb es zu diesem ungewöhnlichen Sachverhalt gekommen war.

      Diese Situation hatte er seit Langem erwartet, dass sein Freund mit der Aufgabe betraut worden war, ihn auszuforschen, erleichterte diese Aufgabe ungemein. Hier konnte und wollte er mit offenen Karten spielen, ihm die Situation in aller Ausführlichkeit erläutern.

      Fritz, wir haben da ein Genie, keiner in der Firma hat das Potenzial dieses Chemikers erkannt, bis auf den Eigentümer, aber der hat kein weitergehendes Interesse als seine Firma. Aber ich habe es erkannt, nachdem ich zuerst versucht habe ihn herauszudrängen, dabei am Eigentümer gescheitert bin, habe ich mich mit ihm auseinandergesetzt.

      Bist Du jetzt zum Judenfreund mutiert, spöttelte Fritz, wobei er seinen Freund zynisch ansah.

      Du müsstest mich besser kennen, dass dem nicht so ist, klagte Helmut Bloch mit seiner energischsten Stimme, auch wenn er die Lautstärke wegen seiner Umgebung reduzierte. Aber irgendwann in näherer Zukunft werden wir in ein Zivilleben, ohne Unterstützung der Partei, zurückkehren, dann werden wir eine berufliche Perspektive benötigen. Hier nun haben sich meine Überlegungen und Interessen mit den Interessen dieses Chemikers überschnitten.

      Der Zynismus war aus dem Gesicht seines Freundes gewichen, nun war erkennbar Zorn und Wut sichtbar, willst Du damit sagen, dass es Übereinstimmungen zwischen Arier und Juden gibt, zischte er mit offensichtlichem Widerwillen.

      Diese Vorstellung schien seinen Mageninhalt nach oben zu treiben, die einzige Missfallenskundgebung, die noch fehlte, war ein abfälliges Ausspucken. Helmut Bloch spürte, jetzt musste er sich mit seiner Erklärung beeilen, bevor das Missverständnis nicht mehr zu kitten war.

      Du hast das missverstanden, mit leiser beschwörender Stimme fuhr er fort, ich möchte, dass der Jude die Erfindungen, die sich noch in seinem Kopf befinden, erforscht um den Nachweis der Nützlichkeit zu führen. Wenn er so weit ist, werde ich da sein, werde mir das Ergebnis seiner Forschung aneignen, diese dann in einer Firma umsetzen.

      In diesem Moment werde ich Deine Hilfe benötigen, wir müssen uns sein Wissen aneignen, patentieren und ihn für immer verschwinden lassen. Es darf keinen Zweifel daran geben, dass wir die alleinigen Eigentümer dieser Patente sind.

      Er machte