Wolfgang D. Schreyer
September 2012
Anmerkungen zu Gott
Das größte, das höchste, das allmächtige, das anbetungswürdige, das Ehrfurcht einflößende, das liebende, das barmherzige, das zornige, das strafende, das Opfer fordernde, das verzeihende, das uns erlösende, das verdammende, das unfassbare, das unser gesamtes Leben beeinflussende transzendente Wesen wird bzw. wurde Gott, Jahwe oder Jehova, Allah, Brahma, Wischnu, Aton, Zeus, Jupiter, Thor, genannt, je nachdem, welchem Kulturkreis man angehört, oder angehörte, und zu welchem Zeitpunkt man lebt, oder lebte. Es gibt sicher noch viele andere Namen und Bezeichnungen für dieses unsichtbare, geheime Wesen, an das wir glauben, welches wir verehren, an dem wir zweifeln oder dessen Existenz wir grundsätzlich leugnen.
Dabei beinhaltet der Begriff Gott oder Allah die Vorstellung und das Gefühl, einer übergeordneten, alles beherrschenden Macht hilflos ausgeliefert zu sein. Für mich persönlich gilt dabei die gewonnene Erkenntnis, dass dieses Größte, Absolute, Allmächtige, Wunderbarste nicht einer anonymen, transzendenten Macht entspricht, sondern dass es sich dabei um unser Universum, Kosmos, Weltall, Umwelt handelt. Dem kosmischen Geschehen sind wir in der Tat alle fortwährend willkürlich ausgesetzt, nämlich diesem für uns unvorstellbar großen, aber real existierenden, sich immer weiter ausdehnenden Universum, dessen Entstehung nach der heutigen kosmologischen Theorie vor 13,7 Milliarden Jahren aus der Explosion eines Klumpens aus ungeheuer stark komprimierten Energieteilchen, dem sogenannten Urknall, seinen Anfang nahm.
Auch wenn diese wissenschaftliche Theorie für normale Laien wie mich ziemlich schwer verständlich sein mag, scheint mir diese glaubwürdiger als das Modell Genesis zu sein, das in der Bibel als Entstehung der Welt beschrieben steht. Die Erschaffung der Welt mit allem Drum und Dran, Erde, Himmel, Sterne, Tiere, Menschen und Paradiesgarten, einen Erholungstag eingeschlossen, in exakt sieben Tagen. Eine wahrhaft titanische Leistung eines abstrakten Weltschöpfers - oder vielleicht nur ein phantasievolles, jegliche Nachkommenschaft beeindruckendes, fortlaufend erzähltes und nicht nachprüfbares Epos ? Das jüdische Volk glaubte halt daran, es war eine wunderbare Erklärung für ihr vorhandenes Nichtwissen, man hatte zu dieser Zeit noch keine genaue wissenschaftliche Erkenntnis über die Entstehung der Welt. Immer wieder haben im Laufe der Jahrhunderte neue Erkenntnisse unsere jeweilige Sichtweise über unsere bestehende Existenz grundlegend verändert.
Aber auch heute noch klammern sich zahlreiche, unbelehrbare Kreativisten an jedem Wort und an jeder Formulierung in der Bibel fest, ihrem unantastbaren, hochheiligen Sakrament.
Die Annahme, dass die Erde der Fixpunkt unseres Kosmos sei, um das sich sämtliche Gestirne am Himmel drehen, ist erst vor ca. 500 Jahren durch langwierige akribische Beobachtungen des Sternenhimmels mit verbesserten optischen Instrumenten widerlegt worden. Dies erfolgte gegen den heftigen, erbarmungslosen, machtpolitisch motivierten Widerstand der katholischen Kirche (Galileo Galilei).
Auch die Entdeckung, dass die Erde eine Kugel und keine Scheibe ist, war vor etwa 600 Jahren auch noch nicht allgemein bekannt. Erst durch die Expeditionen des Christoph Columbus und der ihm nachfolgenden Seefahrer ist die Richtigkeit dieser These unzweifelhaft bestätigt worden.
Ebenso hat die von Charles Darwin vor ca. 150 Jahren nach grundlegenden wissenschaftlichen Forschungen entwickelte Evolutionstheorie bei seiner Veröffentlichung viel Zustimmung bekommen, aber auch mindestens ebenso viel empörte Kritik und Ablehnung, hauptsächlich wieder von der Kirche, erfahren.
Wenn sich diese revolutionäre, das gesamte Weltbild verändernde Erkenntnis: Gott = Universum, irgendwann in ihrer ganzen Tragweite weltweit durchgesetzt haben wird, wird es nicht mehr die Unterschiede 'Gläubige', 'Nichtgläubige', 'Rechtgläubige', 'Ungläubige' und 'Andersgläubige' geben, sondern nur noch die Unterscheidung >Gebildete = Wissende< und >Ungebildete = Unwissende< geben. Es ist eine moralische Aufgabe der Wissenden, alle Unwissenden durch Bildung und Aufklärung, aber nicht mit Feuer und Schwert, über diese elementaren Zusammenhänge zu unterrichten.
Jedes Individuum kann und muss sich in Zukunft grundsätzlich seine 'Sünden' selbst vergeben
und immer wieder versuchen, in seinem Leben nach dem Positiven zu streben, und es braucht sich dazu nicht in einen muffigen Beichtstuhl zu begeben.
Wir brauchen keine Beichte mehr und keine Pfaffen,
die den unbedarften Gläubigen nur Unsicherheit und Ängste verschaffen.
Jeder kann mit Gott jederzeit und überall Kontakt halten, besonders in der freien Natur, kann mit Ihm lachen und scherzen und schwätzen, nicht hinter Kirchenmauern nur.
Im Grunde kann Religion (über etwas Mutmaßungen anzustellen, was unbeweisbar ist) auch keine Sache der Wissenschaft sein, sondern einzig eine intime, persönliche, gefühlsmäßige Glaubensangelegenheit des Herzens und der Seele.
Das exakte Wissen über die definierte reale, neutrale Existenz Gottes entlastet zukünftig möglicherweise die Arbeit vieler Psychiater, Psychologen, Therapeuten und Mediziner, denn durch unterschwellige Ängste und Unsicherheit entstehende neurotische Symptome sind vielleicht auch mit ein Grund für überfüllte ärztliche Wartesäle.
Es gibt bei sensiblen, verunsicherten Menschen durchaus latente Ängste vor dem unsichtbaren 'big brother', der jeden Fehltritt beobachtet und in seinem himmlischen Notizbuch registriert, damit bei der fleischlichen Auferstehung am Jüngsten Tag das Jüngste Gericht sein Urteil sprechen und die Spreu vom Weizen trennen kann.
Das Licht der Wahrheit muss endlich siegen über die Ungewissheit
und das Dunkel der Nacht,
auch wenn man von manchem Pharisäer und Spötter verleumdet
wird oder verlacht,
und sich mit sämtlichen religiösen Institutionen herausfordernd
anlegt oder verkracht;
doch ich bleibe dabei (ich kann nicht anders), Gott ist unser Universum
in all seiner Gegensätzlichkeit und seiner vollkommenen Pracht,
denn Er, so wie wir alle und alles, wurden durch die ewig aus sich
selbst heraus schöpfende Kraft der Evolution hervor gebracht.
Und die Liebe - die Eigenliebe, gepaart mit echter brüderlicher/
schwesterlicher Nächstenliebe, praktiziert bei jeder Gelegenheit -
ist der einzig wahre Gottesdienst und die größte Himmelsmacht.
WS 082012
Weitere (auch sich wiederholende) Anmerkungen zu Gott
Gott selbst ist die Schöpfung, bzw. die Welt, das Weltall, der Kosmos, das Universum, die Natur - alles Synonyme für dasselbe Objekt. Die Griechen nannten es 'Das Höchste Sein', das für sie aber über der Welt stand. Viele Menschen empfinden oder erahnen die Tatsache, dass sich Gott in der Natur offenbart, sicherlich schon seit langem, aber in offiziellen Kirchenkreisen ist solch eine Erkenntnis bisher jedenfalls nicht angekommen, oder sie wird zumindest nicht öffentlich ausgesprochen.
Die Schöpfung, Gott, die Welt, unsere Umwelt ist real, nicht transzendent; wir leben darin, und jedes Individuum ist ein unendlich kleiner Teil dieses Systems, dieses alles umfassenden Großen Ganzen'. Die unendlich weiten Dimensionen sind von den Kosmologen bislang erst bruchstückhaft erforscht worden. Die Schöpfung brauchte und braucht keinen Schöpfer. Sie wurde nicht von einem höheren Wesen in Szene gesetzt und modelliert und geschaffen, sondern durch die Evolution. Diese fortwährend wirkende wundersame Kraft schöpft aus sich selbst heraus, verändert und passt alle bestehenden Dinge bei neuen Gegebenheiten, z.B. bei Umwelt- oder Klimaveränderungen in der Natur, über lange Zeiträume möglichst zweckmäßig für ihren besseren Überlebenskampf an - bis an das Ende aller Tage. Dazu benötigt sie keinen Dirigenten, keinen Architekten, keinen Bildhauer, keinen Designer und keinen durch Worte Dinge erschaffenden allmächtigen