Eine schwierige Familie. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737583329
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Raben ungewöhnlich hilflos. Das vergammelte Haus, die unangenehmen Geschwister… eine Frau, die alles in Ordnung bringt, wäre ihm bestimmt recht.“

      „Wollen Männer doch immer“, warf die unbezähmbare Liz ein. „Eine Frau, die ihnen das Leben auspolstert.“ Katrin applaudierte.

      „Ihr seid jetzt mal ruhig“, ordnete Andi an. „Ich glaube nämlich andererseits nicht, dass Sophie Rauch Lust auf diese Kindermädchen-Aufgabe hat. Können wir aus der Hilflosigkeit von Benedikt Raben irgendetwas folgern, das uns weiterhilft? Wie spielen hier nicht den Krieg der Geschlechter nach, das führt ohnehin zu nichts, wir wollen herausbekommen, wer Ludwig Raben getötet hat. Ist der Obduktionsbericht denn mittlerweile da?“

      „Klar“, antwortete Patrick, der sich mal wieder als Fels in der Brandung des Weibergetues profilieren wollte. „Hier!“

      Andi warf ihm einen missmutigen Blick zu. „Und, was steht drin?“

      „Strychnin im Koks. Ziemlich hohe Dosis, hat locker ausgereicht.“

      „Danke. Sonst noch was?“

      „Ja, der Mörder hätte sich die Mühe eigentlich auch sparen können. Raben hatte eine Hepatitis C, auch sonst eine kaputte Leber, ein Magengeschwür und eine Darmerkrankung. Und da er wahrscheinlich nie beim Arzt war – der hätte ihm auch was erzählt! – hätte er in absehbarer Zeit sowieso den Löffel abgegeben.“

      „Vom beruflichen Stress kann er das Magengeschwür nicht gehabt haben“, warf Katrin ein, und Liz giggelte. Andi kam sich langsam vor wie der Lehrer einer Teenie-Klasse. Arme Katja… „Ja, das habe ich jetzt auch nicht vermutet. Liz, hast du was von der Spurensicherung?“

      „J-ja. In seinem Zimmer gab es Koksreste, ebenfalls mit Strychnin versetzt, das haben die schon gecheckt, und auf diesem Tütchen waren keine Fingerabdrücke außer denen von Ludwig Raben selbst. Die herumliegenden Klamotten waren verdreckt und von Cannabisrauch durchdrungen, im Schrank gab es mehrere leere und zwei volle Wodkaflaschen. Anscheinend war er bei Drogen nicht allzu wählerisch.“

      „Kunststück“, kommentierte Patrick, „wenn ich mein Leben so an die Wand gefahren hätte, würde ich es mir auch schönsaufen und schönkoksen. Mehr ist dem armen Hund wohl auch nicht geblieben. Was sagt denn der Bruder dazu, der ist doch sowas wie ein Vaterersatz?“

      „Den fragen wir nachher nochmal. Aber wenn der sich als Vaterersatz sieht, muss er sich auch ganz schön als Versager sehen – die Geschwister haben doch alle einen an der Waffel!“

      „Vielleicht ist diese weitere Schwester nicht so verdreht“, hoffte Katrin. „Diese Teresa, ihr wisst schon. Die, die verheiratet ist.“

      „Gut“, legte Andi fest, „du und Patrick, ihr schaut euch mal diese Schwester an. Ich nehme mir mit Liz noch mal den Bruder vor. War sonst noch was im Zimmer unseres Junkies?“

      Patrick blätterte. „Kein Handy. Ein windiger kleiner Kalender mit kryptischen Abkürzungen und keiner einzigen Telefonnummer. Ein paar zerfledderte Taschenbücher, sonst leere Regale.“

      „Hat wahrscheinlich alles antiquarisch verscheuert, um dafür Koks zu kaufen“, vermutete Katrin.

      „Glaub ich auch“, stimmte Patrick zu. „Sonst war nichts zu finden. Nur Siff.“

      Katrin grinste kurz. Kroch Patrick also schon wieder zu Kreuze? Braver Bub…

      *

      „Flussauenweg sieben“, murmelte Katrin. „Da vorne muss es sein. Steht da Gersch?“

      „Kann ich hellsehen? Erstmal parken.“

      Nummer sieben war Gersch. Ein ziemlich kleines Reihenhaus, mäßig gut in Schuss. „Liegt wohl in der Familie“, fand Patrick.

      „Was denn?“

      „Sich nicht ums Haus zu kümmern. Haus muss sein, aber streichen tun sie´s nicht.“

      „Vielleicht ist es bloß gemietet“, schlug Katrin vor und drückte auf die Klingel. „Halb elf… vielleicht ist die auch gar nicht da… die muss doch bestimmt arbeiten?“

      Patrick sah auf die Uhr. „Aber es sind Schulferien, die Tochter müsste dann doch wohl da sein?“

      In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, von einem missgelaunten Teenager in Jogginghose und ausgeleiertem T-Shirt. Unter ihrer out-of-bed-Frisur blinzelte sie ärgerlich ins Tageslicht. „Ja?“

      „Larissa Gersch?“

      „Wer will das wissen?“

      Katrin zückte ihren Ausweis. „Kripo Leisenberg. Mein Kollege Weber. Also?“

      „Ja, zum Henker. Kommen Sie immer mitten in der Nacht? Ist ja wie bei der Gestapo…“

      „Sie sind aber gut informiert“, lobte Patrick, was ihm einen befremdeten Blick von Katrin eintrug.

      „Haben wir in der Schule gemacht“, murmelte Larissa Gersch. „Wollen Sie reinkommen oder was?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und schlurfte einen engen, vollgestellten Flur entlang ins Wohnzimmer. Katrin betrachtete sich gedankenverloren den eher breiten Hintern unter dem grauen Sweatstoff, dann zuckte sie die Achseln, zog den leicht verdutzten Patrick ins Haus und schloss die Haustür.

      Larissa hatte sich wieder auf eins der Sofas geworfen und die Fernbedienung auf den gewaltigen Fernseher gerichtet.

      „Können Sie das bitte mal ausmachen?“, bat Katrin und ignorierte den mürrischen Blick.

      „Wo ist denn deine Mutter, Larissa?“, fragte Patrick und lächelte freundlich. Der Sack, dachte Katrin sofort, macht hier mal wieder auf guter Cop, und ich kann die Hexe geben.

      „Na, arbeiten“, antwortete Larissa. Katrin lag schon auf der Zunge Pass mal auf deinen Ton auf, Fräuleinchen – wie ihre eigene Mutter früher! Sie schluckte das Elternsprech entschlossen herunter und lächelte so freundlich wie Patrick: „Und wo arbeitet deine Mutter?“

      „Na, bei diesem Reisefuzzi am Markt. Paradies oder so. Kann ich mir nicht merken. War´s das jetzt?“

      „Möchtest du gar nicht wissen, warum wir deine Mutter sprechen wollen?“

      Larissa warf Patrick einen nachsichtigen Blick zu. „Na, wegen dem Ludwig, oder? Hat sich den Goldenen Schuss gesetzt. Armer Hund.“

      „Goldener Schuss? Nicht ganz“, präzisierte Patrick. „Er ist ermordet worden.“

      Larissa starrte ihn an. Dann sagte sie: „Ermordet? Echt? Krass.“

      Das führte ja nun auch nirgendwo hin, fand Katrin. „Du hast eben Armer Hund gesagt, Larissa. Nur, weil er jetzt tot ist – oder hast du noch einen anderen Grund?“

      Larissa starrte sie ebenfalls an, dann zuckte sie die Schultern. „So halt. Er war doch ein armer Hund, oder? In dieser Familie…“

      Katrin fixierte sie aufmerksam, und es wirkte: Larissa seufzte. „Sie müssen die alle doch schon kennen gelernt haben! Die blöde Conny mit ihren Katzenviechern, Paula, die nur sich selber kennt, Benedikt, der denkt, er müsste sich um alle kümmern, dabei will das gar keiner – da kann man schon ans Kiffen kommen. Oder was anderes. Und dann dieses alte Haus, da stinkt´s doch total, wer will da schon leben!“

      Katrin gluckste. „Hab ich mich ehrlich gesagt auch schon gefragt. Ich meine, putzen und lüften könnten die doch mal, oder?“

      Larissa zuckte wieder die Achseln: Der Anfall von Mitteilsamkeit war offensichtlich vorbei. „War noch was?“

      „Vielleicht später noch mal“, versprach Patrick und wechselte mit Katrin einen Blick. Sie nickte. „Tschüss, Larissa. Noch viel Spaß beim Fernsehen.“

      „Kommt nur Scheiß“, murmelte Larissa, ohne den Blick von irgendeinem Boulevardmagazin zu wenden.

      Draußen sahen sich Patrick und Katrin etwas konsterniert an, dann musste Katrin lachen: