Eine schwierige Familie. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737583329
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noch groß erzählen?“, fragte Sophie und versuchte, nicht sehnsüchtig die Akte Graeser anzuschauen. Wären sie gestern doch bloß nicht Fritzis lebensuntüchtigem Dozenten begegnet! Sie könnte jetzt so schön einen Medienauftritt für Graeser entwickeln…

      „Wir haben den armen Kerl und seine schrecklichen Geschwister gerade mal gestern Abend kennengelernt. Also wissen wir gar nichts. Natürlich könnte es sein, dass meine Schwester ein paar Details mehr kennt. Vielleicht hat er sich ja im Seminar mal ausgeweint… das müsste aber schon ein bisschen her sein, wir haben seit einem Monat Semesterferien…“

      Katrin grinste sie an. „Ich weiß.“

      „Klar, sowas vergisst man nicht…. Womit könnte ich Ihnen denn jetzt weiterhelfen?“

      „Schildern Sie mir einfach nur Ihren Eindruck von den einzelnen Familienmitgliedern. Vielleicht gewinnen wir dabei doch einen neuen Aspekt. Ich zeichne das Gespräch auf, einverstanden?“

      „Kein Problem.“

      Sophie begann zu erzählen, hatte aber nicht das Gefühl, irgendetwas Neues beitragen zu können. Dem frustrierten Gesichtsausdruck auf der anderen Seite des Schreibtischs zufolge trog dieses Gefühl sie auch nicht.

      „Das wissen Sie alles schon, gell?“, sagte sie dementsprechend am Ende.

      „Stimmt. Aber manchmal hat man doch Glück und es kommt ein interessantes neues Detail dazu. Also, Paula von Raben ist Ihrer Ansicht nach vom Neid geprägt?“

      „Ja. Sie findet es dort furchtbar, zieht aber nicht aus, obwohl sie es sich bestimmt leisten könnte, weil die anderen gratis dort wohnen und ihr das auch zusteht. Als hätte man ein Anrecht auf ein scheußliches Leben, bloß weil andere auch scheußlich leben! Verquere Logik.“

      „Haben Sie das Gefühl, dass jemand wusste, dass Ludwig sie alle beklaut hat?“

      Sophie überlegte. „Sie waren ja auch dabei… nein. Die waren zum einen ehrlich überrascht – außer Paula. Und außerdem hat er ja nur Mist geklaut, außer dieser Uhr. War die eigentlich wirklich wertvoll oder mehr von sentimentalem Wert?“

      „Wissen wir noch nicht so genau. Also Paula wusste Bescheid, denken Sie?“

      „Schwer zu sagen. Mir klang das eher nach generellem Stänkern. Und vielleicht dem Wunsch, mehr zu wissen als die andere. Die mögen sich schließlich nicht. Und keine kann mal mit einer Mülltüte und einem feuchten Lappen durchs Haus ziehen. Aber die Brüder haben ja auch keinen Finger gerührt… Grausig. Hoffentlich muss ich da nie wieder hin…“

      Katrin Kramer sah betont unschuldig von ihrem Tablet hoch. „Mir schien allerdings, dass Herrn von Raben sehr an Ihrer guten Meinung gelegen war.“

      „Großer Gott, das glaube ich nicht. Dem waren seine Schwestern doch bloß peinlich! Schauen Sie, er hat sich vielleicht ein bisschen in Fritzis Verehrung gesonnt, sie findet ja sein Seminar so toll und hat schon mal gesagt, später möchte sie vielleicht bei ihm promovieren… Da will er ihr seltene Ausgaben aus dem 18. Jahrhundert zeigen und was kriegt sie stattdessen? Eine Leiche, jede Menge Siff und zwei grässliche zänkische Weiber.“

      „Hat was für sich – seltene Ausgaben? Sie meinen, so wie Briefmarkensammlung?? Ist ja putzig… ist sowas nicht verboten?“

      „Quatsch. Prof. und Studentin ist nicht verboten, man kann ja bei jemand anderem Examen machen. Es hat höchstens ein Gschmäckle – aber ich war schließlich auch dabei, und ich glaube gar nicht mal, dass Fritzis Heldenverehrung eine so – naja, sagen wir – irdische Komponente vertrüge. Nein, da läuft nichts, da bin ich mir ziemlich sicher.“

      „Haben Sie, als Sie dort angekommen sind, jemanden gesehen? Außer Dr. von Raben, meine ich?“

      „Nein. Wie ausgestorben, das Ganze. Da draußen ist ja auch nichts los. Paula kam dann dazu, und Conny – da waren Sie ja auch schon da. Sie kam vom Tierarzt, den müsste man notfalls befragen können, oder?“

      Ironisches Lächeln. Ja, das wussten die bestimmt selbst.

      „Diese Paula hat ja einen Job, oder? Bei irgendeiner Versicherung… aber wovon das Katzenweib lebt… Ich glaube, die nehmen diesen Bruder alle aus. Und er ist zu schwach, sie rauszuwerfen.“

      Katrin sah wieder auf. „Vielleicht kann er nicht? Wahrscheinlich ist das so eine teuflische Erbengemeinschaft.“

      „Möglich. Aber wenn er auf dem Verkauf beharren würde, könnten die anderen doch nichts machen – wenn einer auf Auszahlung beharrt? Man müsste da mal einen Anwalt fragen – soll ich?“

      „Warten Sie damit ruhig noch. Theoretisch könnte Dr. von Raben ja auch an dem Haus hängen. Elternhaus und so?“

      „Meinen Sie? Na gut, ich bin da vielleicht etwas kaltschnäuziger. Wenn ich eine solche Bude am Hals hätte… von außen ist sie ja ganz nett, aber total runtergekommen, da lohnt sich doch die Sanierung nicht mehr. Lieber einen pflegeleichten Neubau!“

      Katrin Kramer grinste. „Also, wenn Raben diese Ansicht hört, dann wird sein Interesse bestimmt nachlassen. Vielleicht sollten Sie in dieser Richtung vorgehen, wenn Sie Ihre Ruhe haben wollen.“

      „Gute Idee“, brummte Sophie. „Hoffentlich lehnt er dann nicht Fritzi als Doktorandin ab – aber ich kann den Typen deshalb doch nicht jahrelang bei Laune halten, Fritzi ist erst im sechsten Semester, sie macht ja erstmal den Bachelor.“ Sie überlegte. „Jetzt fällt mir wirklich gar nichts mehr ein, sorry.“

      Katrin Kramer klappte ihr Tablet zu und erhob sich. „Dann erstmal vielen Dank. Könnten Sie morgen um elf Uhr mal bei uns vorbeischauen, um das Protokoll zu unterschreiben?“

      Sophie sah nach. „Ja, das geht. Ich muss nur Herrn Restorff Bescheid sagen, aber der hat bestimmt nichts dagegen.“

      „Es wird auch nicht lange dauern“, wurde ihr versprochen.

      *

      „Und, was haben wir jetzt?“, fragte Andi in die missgelaunte Runde.

      Liz stand vor dem Whiteboard und heftete schauerliche Fotos aller Beteiligten an die magnetische Seitentafel.

      „Paula Raben ist vor allem von Neid zerfressen“, verkündete Katrin.

      „Sagt wer?“

      „Sophie Rauch. Es kam ihr wenigstens so vor.“

      „Stimmt. So ähnlich hat sie sich – wenn auch unabsichtlich – auch selbst geäußert“, bestätigte Andi unlustig.

      „Die Katzenlady hat außer Katzen nicht viel im Kopf“, verkündete Liz.

      „Und die Rauch fragt sich, wovon die Katzenlady eigentlich lebt. Die arbeitet doch nichts Gescheites?“

      „Teilzeit im Kratzbaum“, wusste Liz. „Aber leben kann man davon bestimmt nicht. Wahrscheinlich muss der Bruder sie durchfüttern.“

      „Die Rauch überlegt auch, warum der Bruder diese höllische Erbengemeinschaft nicht einfach auflöst“, fuhr Katrin fort. „Ich glaube, sie findet das Haus einfach scheußlich.“

      „Wieso? Das kann ihr doch nun wirklich egal sein, oder?“, warf Patrick ein.

      „Der Raben steht auf die Rauch“, behauptete Katrin prompt.

      „Auf die alte oder die junge?“ Patrick war unverbesserlich.

      „Was heißt hier alt?“, tadelte Andi ihn sofort. „Sophie Rauch ist bestimmt jünger als ich. Aber die Frage ist okay – welche Rauch, Sophie oder Friederike?“

      „Sophie“, behauptete Katrin.

      Liz gluckst. „Kann ich mir auch gut vorstellen. Die sieht nämlich aus, als könnte sie ihn auf Vordermann bringen – und alleine schafft er das ja wohl nicht.“

      Patrick verdrehte die Augen zum Himmel. „Als ob Männer scharf darauf wären, dass eine Frau ihnen sagt, wo´s langgeht! Liz, also wirklich!“

      „Wieso?“,