Pferdesoldaten 1 - Vorposten am Rio Grande. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия: Pferdesoldaten
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738080483
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erachtete.

      Das Militärlager bot einen prachtvollen geordneten Anblick. Überall waren die schmucken Uniformen der mexikanischen Armee zu sehen. Während Infanteristen und Artilleristen hohe Tschakos trugen, bestand die Kopfbedeckung der Lanzenreiter aus flachen steifen Hüten, mit relativ schmaler Krempe. Breite grüne Bänder an den Hüten sowie der grüne Besatz der grauen Hosen und kurzen grauen Jacken, wiesen auf die Regimentszugehörigkeit hin. Reiter übten mit den drei Meter langen Lanzen, die kurz hinter der nadelscharfen langen Spitze mit einem Wimpel geschmückt waren.

      El Perdido hielt nichts von Lanzen. Sicher, sie waren furchteinflößend, doch war man an ihrer Spitze vorbei, war der Reiter leichte Beute. Außerdem bevorzugte der Banditenführer Waffen, die auf Distanz wirkten.

      El Perdido war eine durchaus gepflegte und respektheischende Gestalt. Hochgewachsen, mit einem fein geschnittenen Gesicht, welches nicht ahnen ließ, zu welchen Grausamkeiten sein Besitzer fähig war. Er trug einen sauber gestutzten Vollbart, einen reich bestickten grünen Anzug mit Weste und grellroter Schärpe sowie einen breiten cremefarbenen Sombrero, dessen Rand mit Gold bestickt war.

      Die beiden Infanteristen, welche vor dem Zelt des Capitan Wache hielten, salutierten und einer rief ins Innere, dass El Perdido eingetroffen sei. Augenblicke später trat Capitan de Lopez ins Freie. Er blinzelte gegen das grelle Sonnenlicht und rückte seinen Hut zurecht.

      „Ich vermute, Ihre Truppe ist nun bereit, Senor?“ Der Capitan zögerte ein wenig, bevor er den Begriff der „Truppe“ verwendete und zeigte seinem Gegenüber damit an, was er von dessen Männern hielt.

      „Ich werde jetzt nach Texas abrücken“, antwortete El Perdido. Er blieb auf seinem Pferd sitzen und sah auf den Capitan hinunter. Seinerseits eine deutliche Geste, dass er den Offizier kaum respektierte. „Meine Truppe wird drei bis vier Wochen unterwegs sein. Meine Späher haben mir berichtet, dass es ein paar lohnende Ziele gibt.“

      „Ich verstehe.“ De Lopez mochte den Banditenführer nicht, aber er erkannte dessen Nützlichkeit durchaus an. Die Banditen fügten den Texanern Verluste zu, stifteten Unfrieden jenseits des Rio Grande, und hatte gute Kontakte zu einigen Apachen, die sie mit nützlichen Informationen versorgten. „Dann werde ich Sie in drei bis vier Wochen zurückerwarten.“

      Sie nickten sich zu, dann zog El Perdido seinen starken Hengst herum und trabte dorthin, wo sich seine Männer bereits versammelten.

      Die zweihundert Reiter boten ein malerisches Bild. Manche trugen Teile von Uniformen, zivile Anzüge oder die Kleidung von Vaqueros, wieder andere die einfache Tracht der Peones, mit weißen Leinenhosen und weißem Hemd. Sie alle besaßen Ponchos und breite Sombreros. Einige Reiter waren barfüßig, doch die meisten besaßen gute Stiefel, die nicht immer ehrlich erworben waren. So bunt wie die Kleidung, war auch die Zusammenstellung der Waffen. Nahezu jeder besaß eine Machete und mindestens eine Schusswaffe. Nicht selten waren es zwei oder drei einschüssige Pistolen und dazu ein Gewehr. Glattläufige Musketen und gezogene Jagdflinten, es gab sogar ein paar Plunderbüchsen, aus deren Trichtermündungen man Metallteile und auch kleine Steine verschießen konnte.

      El Perdido sah seinen Stellvertreter herangaloppieren. Der „Teniente“ Juan war ein Bulle von Mann und ein Garant für die Disziplin der Männer. Niemand legte sich mit Juan an und wer es doch riskierte, lernte auf eine sehr harte Tour, den Befehlen von El Perdido ohne Widerspruch zu folgen.

      „Die Männer sind begierig darauf, dass es endlich losgeht“, meldete Juan grinsend. „Ich habe durchblicken lassen, dass uns diesmal besonders reiche Beute winkt.“

      „Ein wenig Motivation kann niemals schaden“, meinte El Perdido. „Und Vorsicht ebenso wenig. Schädelschläger wartet jenseits des Rio auf uns. Angeblich hat er wertvolle Nachrichten für uns, aber du weiß ja, was man von Apachen zu halten hat.“

      „Ich habe dafür gesorgt, dass wir ein paar Dinge dabei haben, die den Bastard bei Laune halten werden“, versicherte Juan.

      Minuten später brach die Reiterschar auf. Die Männer waren gut gelaunt und sangen lauthals, während sie Presidio del Norte hinter sich ließen. Die Dorfbewohner sahen ihnen nach und waren größtenteils froh, dass die Reiter ihnen nun den Rücken zuwandten. Das galt vor allem für die männlichen Dorfbewohner, die kaum in der Lage waren, über Tugend oder Untugend ihrer Frauen zu wachen.

      Der „Colonello“ legte keinen Wert auf eine militärische Formation. Seine Männer ritten in mehreren größeren und kleineren Gruppen, deren Mitglieder untereinander wechselten, wenn sie das Bedürfnis hatten, ein Schwätzchen zu halten. Es störte ihren Anführer nicht, solange die Wachen an den Seiten seiner Truppe aufmerksam waren. El Perdido brauchte keine Männer, die eine saubere Marschkolonne einhielten… Er benötigte Männer, die ihm gehorchten, die reiten und, vor allem, töten konnten.

      Die Horde folgte dem Rio Conchos und je näher sie seiner Einmündung in den Rio Grande kam, desto mächtiger schienen die Berge vor ihnen aufzuragen. Vor ihnen und links die langgezogene Bergkette der Guadalupes und rechts die der östlichen Sierra Madre. Die Berge waren keineswegs so undurchdringlich, wie sie auf die Entfernung wirkten. Es gab eine Vielzahl von Schleichpfaden sowie eine Reihe von Pässen und Schluchten, die auch von schweren Frachtwagen genutzt werden konnten. Es gab karge Täler und solche, die eine unerwartete Vielfalt von Leben bargen. Auch entlang des Rio Grande gab es fruchtbaren Boden, auf dem keineswegs nur Kakteenfelder gediehen.

      Die Truppe von El Perdido ritt gemächlich zur Einmündung des Rio Conchos. Ein kleines Stück weiter nördlich lag eine Furt, die man bequem nutzen konnte und die auch für schwere Wagen passierbar war. Bis hierher hatte der Mexikaner auf Vorsichtsmaßnahmen verzichtet. Die Indianer in dieser Gegend waren ihm wohlgesonnen, denn El Perdido hielt sie durch großzügige Geschenke gewogen. Geschenke, die sich auszahlten, denn die Indianer streiften überall umher und verrieten den Mexikanern, wo sich Weiße sehen ließen.

      Nach dem durchfurten des Rio Grande wurde El Perdido jedoch vorsichtig. Er teilte Vorhut, Nachhut und dort, wo das Gelände weit genug war, auch Flankenschutz ein. In diesem Bereich streiften die Krieger der Apachen und der Comanchen umher und beide Völker waren seit jeher Feinde. So gefürchtet die Apachen selbst auch sein mochten, vor den Comanchen hatten sie großen Respekt. Während die Apachen überwiegend zu Fuß kämpften, waren ihre Gegner überragende Reiter und hatten die Apachen immer weiter in die Berge zurück gedrängt. El Perdido machte sich diese Gegnerschaft zunutze und versorgte die Apachen immer wieder mit Nachschub an Waffen.

      Nun hoffte er darauf, einen der Unterhäuptlinge der Mescaleros zu treffen. Schädelschläger hatte seinen Namen nach einem Kampf erhalten, bei dem es ihm gelungen war, zwei Comanchen mit seiner Schädelkeule zu töten. Das hatte ihm seinen Namen, Ruhm und die Gefolgschaft einer Handvoll anderer Krieger eingebracht.

      Grenzpatrouillen brauchten sie nicht zu fürchten. Die beiden Forts der Texaner lagen weit im Süden oder Norden. Sie überließen es gelegentlichen Patrouillen der texanischen Ranger, den Mittelteil des Flusses zu bestreifen. Da Comanchen und Apachen wieder sehr aktiv waren, ließen sich die Texaner hier wohlweislich kaum blicken. Dennoch bestand die Gefahr der Entdeckung. Nicht nur durch Indianer, sondern auch durch die wenigen Weißen, die den Mut besaßen, sich hier herumzutreiben. Pelztiere, Wildpferde und Büffel stellten für Fänger und Jäger eine große Verlockung dar. Knapp vierzig Meilen südlich, dort wo der Rio eine große Biegung machte, gab es sogar einen befestigten Handelsposten der Amerikanischen Pelzhandelsgesellschaft.

      Teniente Juan kam an El Perdidos Seite geritten. „Was meinst du, Jefe, ob wir uns die Pelzjäger diesmal vorknöpfen können?“

      El Perdido schätzte die Bezeichnung „Jefe“ nicht. Er war nicht der Boss einer wilden Horde, sondern der Colonello einer tapferen Patrioten-Truppe. Er ließ es Juan diesmal durchgehen, denn er dachte ebenfalls an den Handelsposten. „Eine lohnende Beute, ja. Aber dort treiben sich meist dreißig oder sogar vierzig der verdammten Jäger herum. Du weißt, diese Kerle schießen mit ihren weit tragenden Gewehren wie die Teufel.“ Er spuckte aus. „Und der verdammte Handelsposten ist gut befestigt. Die Tejanos würden viele unserer Hombres aus den Sätteln schießen. Ja, wenn ein guter Teil dieser Bastardos auf einem Jagdzug ist, dann lohnt sich das Risiko, mein