Dame ohne König. Sigrid Ellenberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sigrid Ellenberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847652700
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von einer neuen Wohnung mit warmem Wasser, Tapeten an den Wänden, einen Boden mit Belag, neue Möbel und einen Raum, den ich zum Büro erklären konnte. Sonst nichts.

      „Also noch mal vielen Dank“, holte Tonio mich aus meinen Tagträumen zurück.

      „Kein Problem. Es war gar nicht so schwer. Ich bin noch ziemlich gut in Form.“

      Er schaute mich eingehend an.

      „An Ihnen scheint mir alles gut in Form“, lächelte er.

      Das haute mich dann doch einigermaßen um. War das etwa sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz? Quatsch, sagte ich mir, Tonio wollte vermutlich nur nett sein. Und eigentlich verursachte seine Äußerung zu meinen Formen mir ein eher angenehmes Gefühl. Er hatte ja recht. In dem ganzen Trubel um die Trennung von Klaus und dem Hausverkauf hatte ich kaum Zeit zum Essen gefunden und locker fünf Kilo abgenommen. Ich betrachtete meine Formen nun in ganz neuem Licht. Ja, die waren durchaus wieder vorzeigbar.

      Dass eine so einfache Bemerkung meinem Selbstbewusstsein einen derartigen Schub verpassen konnte!

      „Ich danke Ihnen, Tonio... äh – für diesen Auftrag, meine ich...“

      Schon schoss mir wieder die Röte ins Gesicht.

      „Bis dann“, lächelte Tonio.

      „Bis dann“, lächelte ich zurück.

      Nach einer Autofahrt in meiner Rostlaube wieder zu Hause…

      „Ich finde, der Job tut dir richtig gut.“

      Susi passte netterweise auf die Mädchen auf. Sie saß mitten im Chaos, was sie nicht im Geringsten zu stören schien und spielte Memory.

      „Sag, mal, was ist das denn für ein Typ, dieser Tonio?“

      „Also, er ist sehr … charmant, nett, gutaussehend.“

      Sie riss interessiert die Augen auf.

      „Und viel zu alt“, fügte ich vorsichtshalber hinzu.

      „Bist du interessiert?“

      Susi ließ in diesen Dingen nie locker, bevor sie meine geheimsten Gedanken erfahren hatte. War ich denn interessiert? Keine Ahnung. War ich an irgendeinem Mann interessiert? Ich wusste es nicht. Einerseits ging mir die Trennung von Klaus noch sehr nahe, andererseits aber konnte ich durchaus einen netten Abend mit einem anderen Mann genießen. Klaus-Dieter Fröhlich war ja das beste Beispiel. Aber Tonio? Nein, danke.

      „Nein, nicht so - du weißt schon wie. Zumindest nicht an Tonio.“

      „Ach, gibt’s denn einen anderen?“

      Ich schickte die Kinder zum Spielen in den Garten und erzählte ihr die ganze Geschichte von meinem Unfall und dem Abend danach. Susi staunte nicht schlecht. SO kannte sie ihre Freundin wahrlich nicht. Na, dann wurde es aber Zeit!

      Wir beschlossen, italienische Pasta zu kochen und ich lud Susi zum Abendessen ein.

      „Sag mal, hast du überhaupt noch einen Topf ausgepackt?“ Sie schaute sich suchend um.

      Nein. Hatte ich nicht. Also begannen wir, die Kisten nach einem Topf und einer Auflaufform zu durchstöbern. Ich fragte mich, wozu ich alles schon eingepackt hatte, was in meiner Küche war. Schenkte ich Inges Aussagen Glauben, zogen wir frühestens zu Weihnachten ein. Prima Aussichten im Mai.

      Susi und ich machten uns ans Werk, Canneloni al forno zu zaubern, Swenja und Julia schauten sich im Wohnzimmer die Sesamstraße an. Während Ernie und Bert sich gegenseitig Gute-Nacht-Geschichten erzählten und dabei immer wacher wurden, erzählte ich Susi von den Dingen, die mich beschäftigten. In drei Wochen war Julias dritter Geburtstag und ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo sie diesen feiern würde. Vielleicht gingen wir, entgegen meiner Überzeugung, zu Mäc Di. Die Mädchen wären definitiv begeistert. Und dann erzählte ich Susi von den Problemen am Bau. Anschließend ging es mir wesentlich besser. Die Probleme waren zwar nicht beseitigt, aber wenigstens geteilt. Also auch nur halb so schlimm. Wenn es unbedingt sein musste, zogen wir eben in einen Rohbau ein. Ich ahnte noch nicht, wie nah das der Realität kam..

      7 Uhr und 10 Minuten (Telefongeklingel)

      „Fröhlich“, meldete sich eine unüberhörbar ausgeschlafene Stimme am anderen Ende der Telefonleitung.

      Mein Blick wanderte zum Wecker. Es war kurz nach sieben. Wer, um alles in der Welt, war fröhlich und schon so wach? Ich rollte mich in meinem Schlafsack auf die Seite und überlegte. Oh mein Gott! Fröhlich! Es war Klaus-Dieter. Ich war sofort hellwach.

      „Oh, hallo, wie geht es Ihnen?“

      Meine Stimme glich einer alten, rostigen Gießkanne.

      „Habe ich Sie etwa geweckt?“

      Nein, was für ein pfiffiges Kerlchen.

      „Nein, ich bin nur etwas … erkältet.“

      Eine klitzekleine Notlüge war ja wohl erlaubt, oder?

      „Das tut mir Leid. Ich wollte Ihnen nur kurz Bescheid geben, dass mein Auto heute fertig wird. Ich fahre heute Nachmittag wieder heimwärts.“

      Schade! Wohlgemerkt, das dachte ich, laut gesagt hatte ich nichts.

      „Hätten Sie denn Lust, nächsten Mittwoch mit mir essen zu gehen?“

      Ich war völlig überrascht. Wenn ich nicht sowieso auf dem Boden gelegen hätte, wäre ich glatt umgefallen.

      Nächsten Mittwoch? Meine Gedanken waren zwar noch im Halbschlaf aber auf die Schnelle fiel mir kein Termin ein. Zumindest kein so dringender, dass ich ihn nicht für Herrn Fröhlich verschieben konnte.

      „Ich habe am Mittwoch einen Termin in der Nähe. Wenn Sie möchten, könnten wir uns abends treffen.“

      Ich war immer noch sprachlos.

      “Sind Sie noch dran?“

      „Ja.“

      Ich machte eine weitere, künstlerische Pause. Das wirkt. Sagt jedenfalls Susi.

      „Nun, was sagen Sie? Haben Sie Lust?“

      Und wie viel Lust ich hatte!

      „Ja, das lässt sich einrichten.“

      Ich krächzte immer noch wie ein zum Sperrmüll gestelltes Fahrrad.

      „Prima“, freute er sich. „Ich hole Sie dann um neunzehn Uhr ab, o.k?“

      Der nette Mensch wollte vermutlich verhindern, dass ich noch mehr Blechschäden anrichtete.

      „O.k. Bis Mittwoch dann.“

      Ich legte auf.

      War das ein Traum und der Wecker legte gleich los? Oder war das hier die Wirklichkeit? Gab es Probleme mit der Versicherung? Oder war er an mir interessiert?

      In meiner Bauchgegend kribbelte es, wie schon lange nicht mehr. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich nicht träumte!

      Da ich an diesem Tag dank Klaus-Dieter so richtig früh aufgestanden war, hatte ich um neun Uhr schon das Nötigste im Haushalt geschafft. Kurzerhand fuhr ich mit beiden Kindern zu Möbel-Macker. Es wurde langsam Zeit, mir neue Möbel auszusuchen. Swenja und Julia gab ich im Möbel-Macker-Kinderparadies ab und machte mich auf die Suche nach einem echten Weiber-Single-Schlafzimmer und nach einem neuen, modernen Wohnzimmer. Eiche-Rustikal, wie Biedermann Klaus sie liebte, war mega-out. Bei mir war die totale Veränderung angesagt. Fast konnte ich gar nicht fassen, dass ich jemals einem Kauf einer Eiche-Rustikal-Schrankwand zugestimmt hatte!

      Ich war gerade am äußersten Ende des Obergeschosses angekommen, hatte mein Metermaß aus Papier ausgepackt und den Bleistift – ein Geschenk des Hauses – gezückt, als es durch den Lautsprecher tönte:

      „Frau Holm, Frau Holm bitte zum Kinderparadies.“