First Class Flüge und Bruchlandungen …. Christa Schmeide. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christa Schmeide
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737503648
Скачать книгу
ein Traum. Die bodenlange schwarze Seide schmiegte sich an den richtigen Stellen eng an den Körper. Strassbesetzte dünne Träger umrahmten das atemberaubende Dekolleté. Über dem Kleid trug Claire einen Umhang aus halb transparenter Seide, der an Hals und Saum mit schwarzen Straussenfedern geschmückt war. Claire fühlte sich auf die Laufstege von Paris und London zurückversetzt und lächelte ihrem Spiegelbild zu. «Wunderbar, ich nehme es», sagte sie.

      Die Verkäuferinnen strahlten verzückt. «Ihr Mann wird sich freuen.»

      «Bestimmt», sagte Claire. Sie zupfte mit den Fingern am Bustier des Kleides herum. «Nur die Brustpartie müsste noch etwas angepasst werden. Mein Mann hat kürzlich von einer ganz tollen Schneiderin in Ihrem Haus geschwärmt. Wenn ich mich nicht täusche, handelt es sich dabei um die Geschäftsführerin höchstpersönlich.»

      «Natürlich. Frau Wagner wird das Kleid bestimmt gerne für Sie anpassen», flötete Lottchen zwei. «Marie, rufst du bitte Frau Wagner zu uns?»

      Nachdem Lottchen eins davongeeilt war, fasste Claire Lottchen zwei am Arm und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. «Darf ich Sie um etwas bitten? Ich möchte meinen Mann doch schon jetzt mit dem Kleid überraschen. Bis heute Abend kann ich das Geheimnis ohnehin nicht für mich behalten.» Claire stockte kurz und fuhr dann mit gesenkter Stimme fort: «Würden Sie meinen Mann bitte anrufen und ihn unter einem Vorwand ins Geschäft locken? Natürlich darf er nicht wissen, dass ich auch hier bin.» Claire zeigte ihr breitestes Lächeln. «Das wird ein Spass!»

      Lottchen war offensichtlich für einen Spass zu haben. Sie kicherte und nickte: «Was für eine tolle Überraschung, Madame!»

      «Erzählen Sie meinem Mann doch, dass die Chefin ihm die Frühlingskollektion präsentieren möchte. Er ist schliesslich ein guter Kunde», schlug Claire vor.

      «Eine schöne Idee, Madame», bekräftigte das Mädchen und liess sich die Telefonnummer diktieren. «Robert dürfte um diese Zeit zu Hause sein», dachte Claire. «Wie lautet denn der Name Ihres werten Gatten?», fragte das Mädchen.

      «Martin … Martin Falcone», antwortete Claire. So wie sie Robert kannte, war er den Verkäuferinnen im Modehaus auch unter seinem Vornamen bekannt. Der falsche Name würde allfälliges Misstrauen zerstreuen. Lottchen zwei liess sich jedenfalls keine Unsicherheit anmerken und eilte davon. Claire blieb allein im Vorraum der Umkleidekabinen zurück.

      Einen kurzen Moment lang wäre sie am liebsten auch davongestürmt – raus aus dem Geschäft und rein in den nachmittäglichen Rummel der Innenstadt.

      Sie kam sich plötzlich hinterhältig vor. Wie eine schwarze Witwe, die ihr Netz ausgespannt hatte, um ihr eigenes Männchen einzufangen und aufzufressen.

      Was, wenn die Geschäftsführerin gar nicht die nackte Frau auf dem Sofa war?

      Claire musterte erneut ihr beeindruckendes Spiegelbild. Ach was, sie würde Robert in diesem Fall eine ähnliche Geschichte wie der Verkäuferin erzählen: dass sie ihn mit dem Kleid überraschen wollte. Er würde ihrem Anblick verfallen, das Kleid bezahlen und keine weiteren Fragen stellen.

      Was aber würde sie unternehmen, wenn die Geschäftsführerin eben doch die gesuchte Frau war?

      Bevor Claire die Gedanken weiterspinnen konnte, stand die Sofa-Frau neben ihr und streckte ihr die Hand zur Begrüssung entgegen. «Ich gratuliere zu Ihrem exzellenten Geschmack, Madame. Mein Name ist Annabelle Wagner.»

      Claire ergriff reflexartig ihre Hand und brachte ein Lächeln zustande.

      Die Nackte hatte jetzt also einen Namen: Annabelle – die schöne Anna.

      Sie trug die dunklen Locken hochgesteckt. Das rote Kostüm schmeichelte ihrer üppigen Oberweite und dem wohlgeformten Hintern. Ihre wahre Wunderwaffe nahm Claire allerdings erst wahr, als Annabelle die freundliche Begrüssung mit einem filmreifen Augenaufschlag beendete. Unter den langen schwarzen Wimpern kamen smaragdgrüne Augen zum Vorschein.

      Claire wagte kaum zu atmen, während Annabelle sich minutenlang an ihrem Bustier zu schaffen machte und den neuen Nahtverlauf mit Nadeln absteckte.

      Seit wann mochte Robert üppige Hintern?

      «Sie zittern, Madame. Ist Ihnen kalt?», fragte Annabelle.

      «Nein, nein. Alles bestens», antwortete Claire eine Spur zu kühl.

      Da ertönte wieder das liebliche Klingeln der Türglocke.

      Claire zuckte innerlich zusammen.

      Sie hörte Roberts Stimme von ferne.

      Annabelle steckte flink eine Nadel ins Nadelkissen zurück. «Darf ich ganz rasch den Kunden begrüssen, Madame?», fragte sie. «Es dauert nur eine Sekunde.»

      «Natürlich», stiess Claire hervor.

      Annabelle rauschte davon.

      Claire versteckte sich hinter dem roten Samtvorhang, der den Umkleidebereich vom Verkaufsraum trennte.

      Sie hielt die Luft an.

      «Bella!», hörte sie Robert begeistert ausrufen.

      «Berti, wie schön!», entgegnete Annabelle.

      Claire spürte einen heftigen Stich in der Brust.

      Sie wagte einen Blick in den Verkaufsraum. Robert war gerade dabei, die Sofa-Frau leidenschaftlich auf den Mund zu küssen.

      Claire blieb die Luft weg.

      Das Bustier kam ihr wie ein zu eng geschnürtes Korsett vor.

      Sie sah, wie Lottchen zwei auf ihren Vorhang zusteuerte. «Frau Falcone, Ihr Gatte wird bestimmt auch bald eintreffen! Ein lustiger Zufall übrigens: Soeben ist ein anderer Herr Falcone vorbeigekommen – auch ein Stammkunde.» Sie kicherte vergnügt und warf ihr Haar mit einer schwungvollen Handbewegung zurück.

      Claire sah, wie Robert erstaunt den Kopf hob und Annabelles Hüfte losliess.

      Ihre Blicke trafen sich.

      «Claire? Was …» Sie sah das Entsetzen in seinen Augen.

      Lottchen zwei schlug sich die Hände vor den Mund.

      Claire trat langsam hinter dem Vorhang hervor.

      Ihr Gesicht war zu einer Maske erstarrt.

      Nach zwei, drei langen Sekunden setzte sie sich in Bewegung.

      Sie wollte nur noch weg, raus aus dieser unglaublich demütigenden Situation.

      Ohne Robert und Annabelle eines weiteren Blickes zu würdigen, stolzierte sie raschen Schrittes an ihnen vorbei und steuerte auf den Ausgang zu. Es würde zumindest ein gebührender Abgang werden. «Lügner», zischte sie, als sie die Glastür aufstiess.

      Ein ohrenbetäubender Lärm riss sie beinahe zu Boden.

      Sie konnte sich gerade noch an der Tür festhalten und wirbelte herum.

      «Madame, der Diebstahlalarm! Ihr Kleid ist noch gesichert», kreischte Lottchen eins und machte ein weinerliches Gesicht.

      Ein Albtraum!

      So etwas konnte nur ihr passieren!

      Claire musste gesenkten Hauptes in die Umkleidekabine zurückgehen, um den schwarzen Seidentraum gegen ihr rotes Strickkleid auszutauschen. Wie durch eine Glasscheibe hindurch hörte sie Roberts Flehen und Bitten vor der Kabine: «Kleines, das hätte nicht passieren dürfen. Es wird nie wieder vorkommen. Du musst mir verzeihen. Bitte.»

      Als sie nicht antwortete, wurde sein Tonfall vorwurfsvoll: «Wie kommst du eigentlich auf die Idee, mir nachzuspionieren? Mich reinzulegen?»

      Claire blieb stumm.

      Sie strich ihr Kleid glatt, packte ihre Handtasche und stürmte an Robert vorbei. Diesmal blieb auch der Alarm stumm, als sie durch die Ausgangstür in die Schildergasse stürzte.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст