Der Slogan war gar nicht schlecht, fand sie und hielt bei der erstbesten Gelegenheit an, um ihn zu notieren. Bis Montag musste sie eine Fülle von Ideen haben, um ihrem Ruf gerecht zu werden!
Nach einem kurzen Umweg zum Supermarkt und zur Reinigung kam sie endlich zu Hause an, bepackt mit Tasche, Ordner, zwei Kostümen in Folie und drei Tüten voller Lebensmittel inklusive Duschgel und Reinigungsspray.
Na, dann an die Arbeit! Schließlich wollte sie ja das Wochenende über in Ruhe ein paar Konzepte für Veit skizzieren und ansonsten nett spazieren gehen, mit Lena und Rieke telefonieren, falls es sich ergab, vielleicht diesen Gruselkrimi fertig lesen, in dem die Gliedmaßen verschwundener schöner Frauen nur so herumkullerten, und sich ein langes, heißes Ölbad gönnen. Der Gedanke Eigentlich muss ich noch putzen und waschen würde da nur stören.
Sie sortierte rasch die Schmutzwäsche durch und stopfte eine Ladung in Blautönen in die Maschine, gab zwei Tabs und einen Schuss Weichspüler dazu, knallte die Tür zu und schaltete die Maschine ein, dann verräumte sie ihre Einkäufe, hängte die Kostüme in den Schrank, zog ihr Bett ab, raste mit dem Staubtuch durch alle drei Zimmer, schaltete bei der Gelegenheit gleich den Rechner ein, holte den Staubsauger hervor, sammelte eine abgelaufene Fernsehzeitschrift und die Tageszeitungen der letzten Woche ein und warf sie in den Altpapierkorb, holte die fertige Wäsche aus der Maschine und hängte sie auf, ärgerte sich, weil sie jetzt um das Gestell herumsaugen musste, stopfte Bettwäsche und Handtücher in die Maschine, legte Decke und Kissen in die Abendsonne auf dem Balkon, saugte die Matratze ab und gleich den Schlafzimmerboden, ging Müll und Altpapier entsorgen, saugte Wohnzimmer und Arbeitszimmer durch (wie schön das Ahornparkett glänzte, wenn die Staubmäuse verschwunden waren!), stopfte die zweite Wäscheladung in den Trockner und füllte die Waschmaschine zum dritten Mal, räumte den Flur auf und putzte ihn, stellte den Staubsauger in die Abstellkammer zurück, holte das Bettzeug wieder herein und bezog es frisch (weicher Baumwollsatin in zarten Blau-, Türkis- und Lavendeltönen, ihr liebster Bezug), versprühte etwas Jasminduft im Schlafzimmer, putzte im Bad Becken, Wanne, Dusche und Toilette und wischte über die zartgelben Kacheln, hängte neue Handtücher auf, räumte die Spülmaschine ein, wischte alle Arbeitsflächen und schließlich auch den Küchenfußboden und sah sich schließlich etwas atemlos um. Nicht schlecht, knapp zwei Stunden. Wenn die Wäsche nicht immer so lange dauern würde, könnte sie noch schneller fertig werden.
Immerhin, jetzt kam die Maschine jaulend zum Stehen; sie räumte sie schnell aus und schaltete dafür die Spülmaschine ein.
Während das Geschirr der vergangenen Woche wieder sauber wurde, hängte sie die restliche Wäsche auf (morgen früh war Bügeln angesagt) und faltete das Zeug aus dem Trockner zusammen und verräumte es. So, jetzt sah man nicht mehr, dass sie unter der Woche zu nichts kam! Kein Wunder, wenn man erst um halb acht zu Hause war, ausgelaugt und wirr im Kopf vor lauter abstrusen Ideen, wie man Dinge vermarkten konnte, die eigentlich niemand brauchte.Erschrocken hielt sie auf ihrem Kontrollgang inne – seit wann dachte sie denn so negativ über ihre Arbeit? War das so was wie ein Burnout-Syndrom? Himmel, sie war erst achtundzwanzig und seit fünf Jahren im Geschäft, das konnte ja wohl nicht wahr sein! Wahrscheinlich hatten sich nur wieder die negativen Ansichten ihrer Eltern nach oben gearbeitet. Ab und zu tauchten sie wieder auf, egal, wie tief man sie begrub und wie bescheuert man sie eigentlich fand. Wie aufs Stichwort klingelte das Telefon. Leonie seufzte – eigentlich hatte sie sich gerade etwas zu essen machen wollen. Na gut, Familienpflichten zuerst. Dann konnte man das wenigstens auch abhaken.Tatsächlich, ihre Mutter. „Von dir hört man ja gar nichts mehr! Muss ich wirklich bis Freitag warten, um dich mal zu erreichen?“„Unter der Woche arbeite ich doch länger“, erklärte Leonie zum wiederholten Mal. „Was gibt´s denn, Mama?“„Wie – was gibt es? Muss ich jetzt einen Anlass haben, um meine eigene Tochter anzurufen? Soll ich mir vielleicht noch einen Termin geben lassen oder wie?“„Nein“, murmelte Leonie erschöpft und ließ sich aufs Sofa sinken. „Aber es gibt doch sonst immer irgendwas.“„Nein, ich wollte dir nur etwas erzählen. Also, pass auf – du hast doch jetzt Zeit?“„Ja“, gab sich Leonie geschlagen. „Schieß los.“„Sei doch nicht so ungeduldig. Kannst du dich noch an die Patricia erinnern?“„Patricia?“„Sie wohnten zwei Ecken weiter, und du warst mit ihr in der Grundschule. Dann sind sie ja weggezogen, nach Rothenwald -“, ihre Mutter seufzte, denn dort hätte sie für ihr Leben gerne auch gewohnt.
„Na, jedenfalls, die heiratet jetzt. Einen Zahnarzt, einen ganz reichen! Ich sag dir, die hat ausgesorgt! Obwohl, wenn die Familie in Rothenwald wohnt, hat sie wahrscheinlich ohnehin keine Probleme... die muss sich nicht so mühsam durchschlagen wie du. Und nicht mitten in der Stadt wohnen, wo die Luft so schlecht ist!“
„Ich wohne gerne hier“, erklärte Leonie matt – das hatte sie auch schon unendlich oft gesagt, aber es wurde nie beachtet. Für ihre Mutter wohnten nur gescheiterte Existenzen in der Stadt, die voller Abgase und jugendlicher Krimineller war.„Aber weiter draußen könntest du abends auch mal rausgehen, spazieren oder so.“„Das kann ich hier auch. Und Schaufenster gucken.“„Gib dein bisschen Geld nicht so unüberlegt aus, Leonie! Wenn du schon keine Anstalten machst, endlich mal zu heiraten, musst du doch für dein Alter sparen. Das kommt schneller als man denkt, und du willst doch nicht, dass es dir so geht wie mir, oder?“
„Erstens kaufe ich nichts“, entgegnete Leonie, allmählich doch gereizt, „und zweitens wüsste ich nicht, dass es dir so schlecht ginge. Du wohnst doch in einem Vorort, wie du ihn immer erträumt hast, du hast genug Geld von deinen Eltern geerbt und Papa zahlt auch noch jeden Monat, und das nicht zu knapp. Was willst du denn noch?“
„Also bitte! Mönchberg ist doch die reinste Kleinbürgergegend! Und das bisschen, was dein Vater zahlt... Frau Doktor Helmrich und Frau von Grasmann fahren im Oktober nach Mexiko, und sie haben mich gefragt, ob ich mitkommen möchte – aber dein Vater hat sich geweigert, mir diese Reise zu finanzieren. Und da behauptest du, mir ginge es gut! Naja, im Vergleich zu dir vielleicht. Du wirst ja nie nach Mexiko kommen... du, ich glaube, die Patricia hatte doch auch einen Bruder... ich höre mich mal um, ob der noch zu haben ist. Der war älter als sie, also wäre er für dich doch genau richtig, oder?“„Lass das bitte. Wenn die so fein und reich sind, dann verachten sie mich doch bestimmt“, spottete Leonie. „Wo ich doch von meiner Hände Arbeit leben muss.“„Ja, das ist schon ein Manko“, stimmte ihre Mutter arglos zu. „Aber das musst du ihm ja nicht sofort erzählen. Erst, wenn er sich schon ein bisschen in dich verliebt hat.“„Warum sollte er das denn tun?“, wunderte sich Leonie. „Wenn ich mich richtig erinnere, hat er mir mal eine gescheuert, weil ich sein Fahrrad madig gemacht habe.“„Das hat er doch bestimmt vergessen! Leonie, es wird wirklich höchste Zeit für dich!“„Ach, Mama. Ich mag meine Arbeit und ich mag nicht heiraten, nun glaub´s mir doch endlich“, seufzte Leonie entnervt.„Unsinn. Jede Frau will heiraten. So ein alberner Bürojob, das ist doch nur was Vorübergehendes. Sicher, damit kannst du deine Aussteuer finanzieren – dein Vater wird dir ja wohl keine Mitgift geben können...“„Aussteuer? Mitgift?“, japste Leonie. „Sag mal, in welchem Jahrhundert lebst du denn? Mama, bitte, lies doch nicht immer diese Courths-Mahler-Heftchen, und vor allem, halte das doch bitte nicht für die Wirklichkeit. Ist dir eigentlich klar, was ich verdiene? Und dass ich gut in meinem Beruf bin? Dass ich studiert habe?“„Ja, leider. Das ist auch so ein Manko“, jammerte ihre Mutter. „Ich hätte dich nie Abitur machen lassen sollen, das hat dir nur Flausen in den Kopf gesetzt. Studierte Frauen kommen bei Männern schlechter an, das hab ich erst neulich gelesen.“„Wahrscheinlich beim Friseur“, höhnte Leonie.„Woher weißt du das? Auf jeden Fall haben Männer Angst vor studierten Frauen, vor