Während die Kabine weiter an Höhe gewann, richtete er seinen Blick über den Fluss: „Hier seht ihr die mir verhassten Häuser der Engländer, den Palast des Parlaments, wo der Premierminister gegen uns hetzt, dahinter die Türme der Kirche, wo die Christen ihre drei Götter und das Weib anbeten, rechts das Verteidigungsministerium, wo sie die Angriffe gegen uns planen, dahinter die Kuppel der Galerie mit den abscheulichen Bildern nackter Huren, und die spitze Nadel da“, er wies mit dem Finger nach Norden, „ist der alte Turm der Post. Links daneben seht ihr den Euston-Turm, er ist dreihundertsiebzig Meter hoch. Rechts davon liegen die Hochhäuser von King’s Cross, wo leider auch viele rechtgläubige Muslime wohnen. Wenn wir jetzt weiter nach Nordosten blicken, sehen wir die Silhouette der Wolkenkratzer im Bankenviertel und der weiter östlich stehenden Hochhäuser in Poplar. Der kleine Turm ist der obszöne Penis, den die Heiden erotische Gurke nennen. Der größere Turm, der wie das Gewinde eines Bohrers aussieht, heißt Helter-Skelter und ist zweihundertneunzig Meter hoch, und darüber erhebt sich der neue Turm der Post, der eine Höhe von vierhundertfünfzig Metern hat.“
Khaled fuhr mit seiner kurzen Beschreibung der Türme im Bankenviertel fort, benannte die verbrecherischen Organisationen und Unternehmen, die dort ihren Sitz hatten, und wandte sich danach der Canary Wharf zu. Schließlich kam er zu den Gebäuden auf der Südseite der Themse und begann mit dem Turm an der London Bridge, der wegen seiner Spitze allgemein die Glasscherbe genannt wurde.
„Wollen wir alles zerstören?“ fragte Zargawi Rashid, den die anderen in der Warteschlange Tony genannt hatten. Er schien der jüngste der Gruppe zu sein. Seine Stimme schwankte zwischen Begeisterung, Verwunderung und etwas Angst.
„Ich verstehe deine Besorgnis“, entgegnete ihm Imad Lahoud, der zu den älteren Personen der Gruppe gehörte, „aber es geht darum, den Atheisten zu zeigen, dass der Langmut Gottes ein Ende hat. Sie wollen die Wahrheit nicht erkennen und müssen dafür bestraft werden. Eine ihrer größten Sünden besteht darin, dass sie an die Willensfreiheit des Menschen glauben und damit die Allmacht Allahs verhöhnen. Dabei widersprechen sie sich selbst, denn ihre Wissenschaftler haben schon vor langer Zeit herausgefunden, dass alle Entscheidungen, auch die scheinbar wohlüberlegten, von im Gehirn bei der Geburt eingepflanzten Mustern festgelegt werden.“
„Trotz dieser Erkenntnisse“, pflichtete ihm Gürhan Ludin bei, „leugnen sie diesen Gottesbeweis.“
Rashid blickte zwischen den beiden etwas verwirrt hin und her, so dass Gürhan hinzufügte: „Wenn die Handlungen der Menschen im Gehirn festgelegt sind, was diese Wissenschaftler als Determinismus bezeichnen, dann muss ja jemand die Festlegung vorher, verstehst du, getroffen haben – und dieser jemand kann nur Gott sein. Oder kannst du dir vorstellen, dass der Zufall unsere Handlungen vorherbestimmt?“
Rashid schüttelte den Kopf und wandte sich Amr Ali Khaled zu. Als der die Unsicherheit im Blick des jungen Mannes erkannte, sagte er: „Hör mir zu, Zargawi, ich werde dir jetzt etwas erzählen, was ich bisher keinem von euch gesagt habe. Auch ich bin gottlos aufgewachsen, atheistisch erzogen worden. Erst als ich etwa in deinem Alter war, hat mir mein Vater, den meine Mutter böswillig verlassen hatte, den rechten Weg gewiesen. Die westlichen Gottesleugner machen die Religionen für alles Übel auf der Welt verantwortlich; sie behaupten, die Religionen und vor allem der Islam seien Gift, das für Gewalt und Unfreiheit sorgen würde. Schon in der Vergangenheit glaubten sie, die Religionen seien nur Relikte aus dunkler Vorzeit und würden mit der Zunahme des technischen Fortschritts verschwinden; im neunzehnten Jahrhundert hofften sie darauf, dass die Weiterentwicklung der Verkehrsmittel, die Ausbreitung des Eisenbahn- und Schiffsverkehrs für das Ende des Glaubens an einen Schöpfer sorgen würde, und am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts waren sie davon überzeugt, die weltweite Ausbreitung der Informationstechnologie werde Gott den Todesstoß versetzen. Aber so ist es nicht gekommen, der Glaube ist nie gestorben, und die weltweite Säkularisierung hat nie stattgefunden. Die Religion zu unterdrücken, ist genauso vergeblich, wie die Sexualität verleugnen zu wollen. Das ist unmöglich. Oder kannst du deine Sexualität unterdrücken?“
Raschid, der eine sehr helle Haut hatte, wurde rot und schüttelte den Kopf.
„Die Atheisten“, fuhr der Anführer ohne merkliche Unterbrechung fort, um ihm die Verlegenheit zu nehmen, „wollen Gott durch die Vernunft ersetzen. Woher haben wir Vernunft? Sie kommt nicht aus dem Nichts. Sie kommt von Gott, und es ist unerheblich, ob wir sie als sein Geschenk oder seinen Willen ansehen …“
Inzwischen hatte die Kabine den Scheitelpunkt des Riesenrades erreicht. Als Amr Ali Khaled bemerkte, dass sie sich abwärts zu bewegen begann, unterbrach er seine an Zargawi gerichtete Rede, wandte sich wieder der gesamten Gruppe zu, deutete auf die Stadt und sagte: „In einem Jahr werden wir große und mächtige Zeichen setzen. Wir wollen in New York, in London und in Peking zuschlagen. Während wir hier beisammen sind, hat Abu Laban eine Gruppe heiliger Krieger in New York versammelt, und eine dritte Gruppe unter der Führung des Imams Habib Guimba hat sich bereits in Peking getroffen. Der Imam hat ein ehrgeiziges Ziel, er möchte mindestens zwei der drei siebenhundert Meter hohen Türme zerstören. Welches Objekt wir uns in London zum Ziel nehmen werden, wissen wir noch nicht. Deswegen haben wir uns heute hier getroffen. Wir sind acht Mudschaheddin. Ich habe nach Vorarbeiten acht Gebäude ausgewählt. Jeder von euch erhält die Aufgabe, eines der Ziele genau zu erkunden und einen Plan auszuarbeiten, wie es zerstört werden kann.“
Er nahm kleine Zettel aus einer Jackentasche und verteilte sie: „Abu, dein Gebäude ist der Helter-Skelter-Turm, Feisal, du nimmst die Glasscherbe, Tarec, kümmere dich um den alten Postturm …“
Er wurde von Abu Bakr unterbrochen: „Kann ich nicht die Bildergalerie als Ziel bekommen? Ich habe die Schriften des Verhüllten Propheten gelesen. Er hasste die Spiegel und die Bilder. Ich will die schamlosen Bilder vernichten.“
Mit zorniger Stimme wurde er von Amr Ali Khaled zurechtgewiesen: „Abu, auch wenn ich für deinen Wunsch, die Bilder zu zerstören, großes Verständnis habe, so betrübt mich doch dein Verhalten sehr. In der Nationalgalerie sind mindestens hundert Videokameras installiert, jeder Winkel wird Tag und Nacht überwacht. Außerdem weißt du sehr wohl, dass die Schriften von Al Moquanna, dem Verhüllten Propheten, als abscheuliche Ketzereien gelten und widerlegt wurden. Folge der rechten Lehre und versenke dich in den Koran. Vergiss die Nationalgalerie; sie stellt kein Ziel dar, das unserer Sache würdig wäre.“
Dann fuhr er fort, die Zettel zu verteilen. Als er den letzten Hassan Khan, der sich Harry genannt hatte, überreichte, sagte der: „Wie schade, dass es keine asbestverseuchten Gebäude mehr gibt. Wisst ihr eigentlich, dass durch den Asbest der Zwillingstürme mehr Amerikaner ums Leben kamen als durch den Einsturz der Gebäude?“
Mit erstaunten und fragenden Gesichtern blickten die anderen ihn an. Die meisten wussten nicht einmal, was Asbest war.
„Die Türme“, erklärte Hassan, „waren im Innern mit Asbestplatten verkleidet. Nach der Zerstörung wurde der asbesthaltige Schutt weggeschafft und im Umland von New York auf Müllhalden gekippt, aber nicht abgedeckt. Die Amerikaner waren schon immer dumm und gedankenlos. So trug der Wind den Asbeststaub weiter ins Land, und in den folgenden Jahren erkrankten viele Menschen, die den Staub einatmeten,