Der Anschlag auf London am 11. Sept. 2101 nebst seiner Geschichte. Eric Gutzler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eric Gutzler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742788283
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und muss die Bank verlassen haben, bevor die Polizei eintraf.“

      „Was hat die Spurensicherung erbracht? Wie wurden die Männer ausgeschaltet?“

      „Der Mann, der mit der Waffe auf Miller geschossen hatte, und der Mann an der Tür hatten Verletzungen am Hals, sie müssen mit Schlägen gegen die Halsschlagader niedergestreckt worden sein. Die beiden anderen Gangster wiesen Schussverletzungen auf, die Schüsse stammten aus einer der Maschinenpistolen, vermutlich der, die auf Miller gerichtet war.“

      „Wie soll das gehen? Wie kann eine Frau vier bewaffnete Männer in Bruchteilen von Sekunden entwaffnen und niederschlagen oder erschießen?“

      „Wir haben keine Erklärung, auch die Bankräuber erinnerten sich an nichts.“

      „Ist es möglich, dass jemand später die Videoaufzeichungen manipuliert und die Sequenz gekürzt hat?“

      „Diese Vermutung ist naheliegend und wurde überprüft. Schnitte konnten aber nicht entdeckt werden.“

      „Ist es nicht merkwürdig, dass eine junge Frau, die offensichtlich eine außergewöhnliche Begabung fürs Golfspielen besitzt, diese Begabung nicht nutzt und stattdessen in einer französischen Provinzbank auftaucht?“ fragte der Mexikaner.

      „Alles an ihr ist merkwürdig.“

      „Warum hat sie mit Golfspielen nach einem Jahr aufgehört?“

      „Vielleicht wollte sie keine Aufmerksamkeit mehr erregen, vielleicht war sie auf der Flucht, vielleicht musste sie sich verstecken.“

      „Vergleichen Sie die Fotos. Das erste wurde bei einem der Golfturniere gemacht, das zweite ist eine Aufnahme aus der Bank, das dritte ist das jüngste und wurde in Manila geschossen. Sie können sehen, dass sie versucht hat, ihr Aussehen zu verändern. Bei dem Golfturnier hatte sie lange dunkelblonde Haare. In der Bank dagegen waren ihre Haare kurz und blond. Auf dem Foto aus Manila hat sie sie wieder wachsen lassen und dunkler gefärbt. Mit der Sonnenbrille ist sie kaum wiederzuerkennen.“

      „Wurde sie von den Schüssen verletzt?“

      „Nein, die Geschosshülsen hat man in einer Wand gefunden.“

      „Warum war sie in der Bank in Annemasse? Hat sie dort ein Konto?“

      „Eine Transaktion hat sie nicht getätigt. Die Bankmitarbeiter wurden befragt, keiner hat mir ihr gesprochen. Sie stand noch in der Warteschlange, als die Bankräuber die Halle betraten. Ein Konto hat sie dort nicht. Zumindest nicht unter dem Namen Sonja Miller.“

      „Diese Frau befindet sich jetzt auf der Jacht Amiramis?“

      „Ganz sicher sind wir nicht. Wir haben Fotos der Frauen auf der Jacht in unser Suchprogramm eingegeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der Frau mit Sonnenbrille aus dem Hafen in Manila um die Frau in Annemasse und um die Golfspielerin handelt, ist allerdings außerordentlich hoch, sie liegt bei 0,98.“

      „Etwas an dieser Geschichte ist mir vollkommen schleierhaft. Wer hatte denn die Idee, die Gesichtszüge der Frau in der Bank von Annemasse mit der Golferin Sonja Miller zu vergleichen?“

      „Das war reiner Zufall. Einem jungen Fallanalytiker, der sich vorher mit dem Verschwinden der Golferin beschäftigt hatte, war die Ähnlichkeit aufgefallen.“

      Wegen eines Anrufs musste Radjabow die Sitzung unterbrechen. Er entschuldigte sich und verließ den Raum. Die Teilnehmer standen auf, bildeten Gruppen und tauschten ihre Meinungen aus. Eine der Frauen ging zu der Weltkarte und ließ sich die Veränderung der Meereshöhe zwischen den Jahren 1999 und 2099 zeigen. Dann rief sie Prognosen für die nächsten fünfzig Jahre auf, vergrößerte in mehreren Regionen die Darstellung und gab einige Notizen in ihr Com ein, ihren Kommunikator, ein Gerät in der Größe einer Streichholzschachtel, das sie als Telefon, Video-Kamera, elektronisches Notizbuch, Aufzeichnungsgerät und GPS-Empfänger benutzte. Als einer der Männer zu ihr trat, fragte sie ihn: „Und wann geht Ihr Haus unter?“

      „Ist es schon – vor fünf Jahren.“

      Nach der Rückkehr Radjabows nahm Tojo Higuchi das Gespräch mit den Worten auf: „Die Präzision der Golfschläge und die Entwaffnung der Bankräuber lassen nur den Schluss zu, dass die Frau, die sich Sonja Miller nennt, über Fähigkeiten verfügt, die wir nicht kennen. Vielleicht wurde ihr Erbmaterial vor der Geburt verändert, vielleicht stammt sie aus einer der Organspenderfarmen. Wir alle haben schon lange vermutet, dass es neben den staatlich anerkannten Einrichtungen auch Farmen gibt, in denen mit den Klonen illegale Experimente angestellt werden, dass dort Menschen zu Kriegern herangezüchtet werden.“

      Nach einer längeren Diskussion, in der die einzelnen Agenten je nach der Verstrickung des eigenen Landes Empörung oder hinhaltendes Verständnis äußerten, riss Levon Radjabow die Diskussion wieder an sich: „Es geht hier nicht um ein moralisches Urteil, es geht darum, ob wir die vermutlich genetisch veränderte Sonja Miller und ihre Gefährtinnen für unsere Zwecke einsetzen können oder nicht. Denn der eigentliche Grund für unser Treffen sind neue, beunruhigende Informationen, nach denen die Terrororganisation ,Die Söhne Bin Ladens’ zum einhundertsten Jahrestage der Zerstörung der Zwillingstürme etwas Großes plant.“

      In der anschließenden Diskussion stellte niemand mehr Fragen nach den anderen Besatzungsmitgliedern der Amiramis, und Levon Radjabow war darüber nicht undankbar, weil er keine weiteren Informationen besaß. Zu einem Beschluss über das weitere Vorgehen kam es jedoch nicht – zu unterschiedlich waren die Sichtweisen und Auffassungen. Eine der Frauen sagte zum Beispiel: „Wir sollten die Jacht suchen und zerstören.“

      „Warum denn das?“

      „Vielleicht arbeitet Prasutag für eine Terrororganisation wie ,Die Söhne Bin Ladens’.“

      „Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.“

      „Warum sollten die Frauen für uns arbeiten? Was hätten sie davon?“

      „Das weiß ich auch noch nicht. Wir brauchen einen Hebel, eine Schwachstelle. Vielleicht können wir sie erpressen.“

      „Ihre Ideen“, erwiderte Killoren abweisend, „sind verwegen und unausgegoren. Ohne zusätzliche Informationen können wir keine Entscheidung treffen.“

      Als nach dem Ende der Konferenz die meisten Teilnehmer den Raum verlassen hatten, nahm Kelly Killoren Levon Radjabow beiseite und sagte: „Unter uns möchte ich einige Punkte klären, die du nicht berührt hast. Zunächst einmal: Welchen Auftrag hatte Shahade in Russland?“

      Er zögerte einen Moment und sah sie prüfend an, bevor er ihr eine Antwort gab: „Es ging um Depots. Depots für Nuklearwaffen und biologische Kampfstoffe. Die Amerikaner vermuteten, dass die Russen ein doppeltes Spiel spielen und geheime Depots angelegt haben.“

      „Hat er welche gefunden?“

      „Das ist es ja. Wir wissen es nicht, er hat keinen Bericht abgeliefert.“

      „Okay oder auch nicht. Nächster Punkt: Hast du daran gedacht, dass die Amiramis vom Kap Lopatka nach Norden gesegelt sein könnte? Vielleicht hat sie die Nordwestpassage benutzt.“

      „Das habe ich kurz in Erwägung gezogen, aber verworfen.“

      „Warum?“

      „Sie hätte mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast fünfzig Kilometern pro Stunde segeln müssen, um bis zum Zeitpunkt der Satellitenaufnahme eine Position außerhalb des überwachten Bereichs erreicht haben zu können. Aber ich kenne kein Segelschiff, das mit einem Gaffelsegel diese Geschwindigkeit erreichen kann.“

      „Hm, das leuchtet mir ein. Nächster Punkt: Die Aufbringung der Jacht … war doch ein Test?“

      „Wie kommst du zu dieser Vermutung?“

      „Ach Levon, die Fotos! Ich glaube nicht an Zufälle. Wer außer dir hätte veranlassen können, dass ein Satellit seine Kamera zu diesem Zeitpunkt auf die beiden Schiffe ausrichtet? Zudem noch mit einer Auflösung von zwanzig Zentimetern!“

      Er kratzte sich