Gewissermaßen maßen wir uns hier etwas an, was Aufgabe des Himmels ist. Wir neigen dazu, unsere Grenzen zu überschreiten bis hin zum Größenwahn. Möglicherweise versuchen wir, unsere Autorität durch Machtdemonstrationen zu festigen. Aber diese Art von übersteigertem Selbstwertgefühl führt unweigerlich zu einer demütigenden Niederlage.
Sei gewarnt: Deine Ziele sind zu ehrgeizig. Steig von deinem hohen Ross und kehre zum einfachen Leben zurück. Vielleicht fehlt dir der nötige Respekt, vielleicht hast du dir zuviel vorgenommen. Lerne über dich selbst zu lachen und besinne dich wieder auf deine Natürlichkeit.
Tiefendynamik
Manchmal halten wir am kollektiven Ego fest, im vollen Bewusstsein, was wir tun. Wir befürchten, dass die Entscheidung für unser wahres Selbst bedeutet, viel aufzugeben: unsere schönen gesellschaftlichen Errungenschaften wie Status und Wohlstand, Luxus und Bequemlichkeiten oder auch nur unser schmeichelhaftes Selbstbild. Dabei ist es verrückt zu glauben, wir könnten jemals Ansehen und Größe erreichen, indem wir unsere natürliche Eigenart opfern. Auf diese Weise verlieren wir nur den Kontakt mit der Erde, bis irgendein widriges Schicksal uns wieder unsanft auf den Boden zurückholt. Diese Situation fordert uns auf, unseren unersättlichen Ehrgeiz und spirituellen Eifer loszulassen.
Alle Linien als Wandellinien
Es erscheint eine Schar von Drachen ohne Haupt. Heil!
Wenn alle Linien in Bewegung sind, verwandelt sich das Hexagramm zu seinem Gegenpol Erde, der offen und Raum gebend ist. Die Schöpferkraft einer ganzen Schar von Drachen steuert dann zwar das Geschehen, tritt aber nicht offen in Erscheinung (zeigt nicht ihr Haupt). In so einem Fall potenzieren sich die Kraft des Himmels und die Anpassungsfähigkeit der Erde in ihrer harmonischen Wirkung.
Sei stark in deinem Entschluss und sanft in deiner Vorgehensweise. Der Geist der Zeit will nicht, dass du eine Richtung erzwingst. Wenn du das akzeptierst, ist der Weg offen und bietet dir große Einflussmöglichkeiten. Du kannst sie nutzen, wenn du ganz bewusst aktives Eingreifen und passives Geschehenlassen als gleichwertig anerkennst. Gib deinen Ideen Zeit und Raum, damit sie sich entwickeln können.
Das Empfangende
Hingabe
Schlüsselbegriffe
Weiblich-mütterliches Urprinzip / passiv / gewähren lassen / Erlaubnis / Anpassung / Geduld / absichtslos / Leere / offen / empfänglich / entspannt / loslassen / nachgeben / Raum geben / Möglichkeiten / abwarten / ertragen / gehorchen / dienen / nähren / stützen / weich / zärtlich / Schatten / Natur / die manifestierte materielle Welt / Form / Gefäß / Erdung …
In diesem Moment stehen wir ratlos vor einer wirren Fülle widerstreitender Kräfte. Keinesfalls sollten wir jetzt versuchen, durch einen gewaltsamen Willkürakt die Richtung zu bestimmen oder uns irgendwie festzulegen. Wir dürfen uns stattdessen ganz einfach vom Fluss des Lebens mitnehmen lassen. Es gibt nicht mehr zu tun, als den Zeichen der Zeit zu lauschen, zu beobachten und unsere Eindrücke in Ruhe wirken zu lassen. Diese Haltung anpassungswilliger Empfänglichkeit öffnet sich weich für alles, was uns begegnet. Die Welt ist ja voller fruchtbarer Impulse, die wir in uns reifen lassen können. Nun können wir die Fähigkeit entfalten, abzuwarten und die Dinge geschehen zu lassen. Alles ist offen.
Naturbild
Der Zustand der Erde ist die empfangende Hingebung.
So trägt der Edle weiträumigen Wesens die Außenwelt.
Die Erde reicht so weit das Auge sieht. In ihrer Passivität bietet sie ein Feld zahlloser Möglichkeiten. Dabei gibt ihr fester Boden allem gleichermaßen Halt und Raum. Als fruchtbare Geburtsstätte des Lebens, das kommt und geht und wiederkehrt, ist sie von endloser Geduld. Sie mischt sich nicht ein, sie lässt die Dinge sein wie sie sind, bereit für alles, was da auch kommen mag.
Wir können das Symbol der Erde als großzügige Erlaubnis nehmen, entspannt durchs Leben zu gehen und loszulassen. Wir brauchen jetzt kein festes Ziel, da wir unvoreingenommen und absichtslos wie von alleine vorankommen. Dank dieser Gelassenheit werden wir die Erfahrung machen, dass sich immer wieder von selbst neue Chancen und Impulse ergeben.
Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir in Kontakt mit unseren Wurzeln kommen und uns erden. Dann können wir wie die Erdmutter selbst alle Menschen und Dinge annehmen, sie dulden, wertschätzen und nähren, sodass sie in unserer Obhut wachsen können.
Sich führen lassen
Das Empfangende wirkt erhabenes Gelingen,
fördernd durch die Beharrlichkeit einer Stute.
Hat der Edle etwas zu unternehmen und will voraus,
so geht er irre; doch folgt er nach, so findet er Leitung.
Fördernd ist es, im Westen und Süden Freunde zu finden,
im Osten und Norden der Freunde zu entraten.
Ruhige Beharrlichkeit bringt Heil.
Das reine Yin (Erde) und das reine Yang (Himmel) verkörpern zwei komplementäre Pole, die einander völlig gleichrangig sind und sich gegenseitig brauchen. Die duldsame, nachgiebige Erde bietet den mütterlichen Nährboden, auf dem sich die männliche Zeugungskraft des Himmels offenbaren kann. In diesem Zusammenspiel des kosmischen Elternpaares ruht das fundamentale Gesetz des Universums: Zeugen (Himmel) und Gebären (Erde), Eroberung und Hingabe, Kreativität und Formbarkeit, Geist und Materie, Bewusstes und Unbewusstes ... Beides ergänzt sich perfekt, ohne sich im Geringsten in die Quere zu kommen.
Wenn dieses Hexagramm erscheint, heißt das, dass wir gerade keine souveräne, unabhängige Stellung einnehmen - wir brauchen sie auch nicht. Unser Ego mit seinen Plänen, Absichten und Meinungen spielt im Moment nur eine unauffällige Nebenrolle. Auch wenn wir nicht verstehen, was hier eigentlich geschieht, dürfen wir uns wie eine sanfte, gefügige Stute der Führung des Schicksals anvertrauen. Wenn wir unsere Zwanghaftigkeiten und unseren Druck, unsere Vorstellungen und Urteile, unsere Befürchtungen und Ziele loslassen, können die kosmischen Impulse zu uns durchdringen: Nur ein leeres Gefäß ist frei, etwas Neues aufzunehmen …
Dabei wird uns die vielschichtige und widersprüchliche Fülle der Ereignisse zunächst wohl verwirren. Hier laufen verborgene (unbewusste) Prozesse ab, die sich unserer Kontrolle entziehen. Dennoch dürfen wir ruhig und gelassen bleiben. In dieser komplexen Situation werden uns die Zeichen der äußeren Welt wie auch Eingebungen von innen leiten. Wenn Handeln überhaupt angesagt ist, dann nur um zu tun, was sich gerade von selbst anbietet. Jegliche willkürliche Einmischung würde den organischen Prozess unterbrechen, der von selbst auf eine neue Ordnung zustrebt.
Die Metapher der vier Himmelsrichtungen zeigt uns, welchen Hilfsangeboten wir in dieser Zeit unbesorgt folgen können, und wo wir vorsichtig sein sollten: Laut der altchinesischen Symbolik versprechen uns Westen und Süden wohltuenden Beistand von Seiten wahrer Freunde, aber auch von den hilfreichen Kräften des Kosmos. Osten und Norden dagegen warnen uns, keinerlei Unterstützung anzunehmen, die an Verpflichtungen gebunden oder vom (heimlichen) Wunsch nach Kontrolle motiviert ist.
Natürliche Entwicklungen zulassen
Die materiellen Erscheinungen dieser Welt sind nichts