Am nächsten Morgen stehen dann schon alle Gefäße, die sich mit viel Phantasie irgendwie zum Bepflanzen eignen, in aufnahmebereiter Erwartungshaltung auf dem sonnigen Hof. „Ein paar Mark für anständige Blumenerde will ich gerne als meinen persönlichen Beitrag zu einem freundlicheren Innenhof spendieren“, sagt die weißhaarige Tatkräftige in die Stille dieses Frühsommermorgens hinein. „Nur schleppen kann ich solchen schweren Sack Erde nicht mehr.“ Die freundlich Couragierte klingelt ganz einfach bei ihrem nächsten Nachbarn, dem jungen Studenten, dem sie schon öfter mal ein Stück von ihrem selbstgebackenen Kuchen herübergebracht hat. Markus erscheint ziemlich verschlafen an seiner Wohnungstür. „Bitte, Frau Bromberg kommen Sie ruhig zu mir herein, auch wenn ich im Moment nicht alleine bin. Dass ich nicht wie der Papst lebe, haben Sie gewiss schon bemerkt, weil Ihnen ja wohl kaum etwas verborgen bleibt, was in diesen Häusern vor sich geht.“ Eine junge Frau sitzt im Morgenrock am Küchentisch und frühstückt. Die beiden jungen Leute bieten der mütterlichen Nachbarin eine Tasse Kaffee an. „Aber, liebe Frau Bromberg, was treibt sie denn so früh zu mir?“ – „Kinder, wer ist denn mal so lieb, und holt für mich einen großen Sack Blumenerde für unseren Innenhof, den ich etwas verschönern will? Markus, könnten Sie nicht mit Ihrem Fahrrad den Sack transportieren?“ – „Klar, wird gemacht, Mutter Bromberg“, sagt der Student verbindlich und locker zu seiner einfallsreichen Nachbarin.
Auf dem nahe gelegenen Wochenmarkt kauft die Wildentschlossene ein paar fleißige Lieschen und Fuchsien, die sie per Einkaufsroller nach Hause zieht. Elfriede Bromberg kann es kaum erwarten, dass Markus endlich mit der notwendigen Lebensgrundlage für die Blumen auftaucht. Aber er hat heute wohl länger Vorlesung als an den anderen Wochentagen. Inzwischen trennt die Blumenliebhaberin sich von einigen Efeuranken und einem Oleander, die auf ihrem Balkon bisher ihren Standort hatten. „In der dunklen Ecke, ganz dicht an der hohen Mauer, des Innenhofes werde ich die vielen Efeupflanzen platzieren, da können sie endlich ihre Kletterkünste unter Beweis stellen und sich nach allen Richtungen ausbreiten. Endlich quietscht eine Fahrradbremse dicht vor der neuen Hofgestalterin. „Markus, mein Junge, sei so gut, und hilf mir gleich, die Erde in die großen Gefäße zu füllen.“ – „Das ist kein Problem, Frau Gärtnerin. Und wenn Sie später noch meine Hilfe brauchen, sagen Sie mir bitte Bescheid.“ In den nächsten zwei Stunden wühlt die Siebzigjährige richtig mit Freuden in der schwarzen Erde, und ihre Augen, die noch immer ohne Brille auskommen, geben ihren fleißigen handschuhlosen Händen gezielte Anweisungen, welche Blumen denn in welcher Anordnung und in welchem Behältnis ihren optimalen Lebensraum bekommen sollen. Stolz, ja richtig stolz, steht Elfriede Bromberg dann gegen Abend auf ihrem Balkon und schaut sich zufrieden ihr außergewöhnliches Tagewerk an. „Mein Rücken schmerzt zwar etwas, aber was ist das schon gegenüber den vielen bunten Farbtupfern, die unseren grauen Innenhof jetzt so lieblich herausputzen.“ In der darauf folgenden Nacht gießt ein warmer Sommerregen die frisch gepflanzten Blumen. Das ist ein Geschenk des Himmels. Die alte Gärtnerin hatte nämlich in ihrem Eifer das Angießen der Pflänzchen einfach vergessen.
In der angrenzenden Nachbarschaft geht der Weinhändler, der in der alten Kramerstiege dreißig Jahre lang vielen tausenden Touristen von seinem süffigen Getränk verkauft hat, in den wohlverdienten Ruhestand. Einen lebendigen blühenden Nachlass schenkt er der stets freundlichen Elfriede Bromberg zum Abschied. Auf seinem kleinen praktischen Ziehwägelchen, auf dem er immer die vielen Weinflaschen aus seinem Weinkeller bis in die Stiege transportiert hat, befördert er jetzt einen riesengroßen Holzbottich, der hellgrünroten Hortensien ein sichtbar gedeihliches Zuhause bietet. Das ist nun das Prachtstück des einstmals grauen Innenhofes. Es kommt aber auch immer wieder vor, dass ein Mitbewohner bei der „Hofmeisterin“ klingelt und ihr ein paar Blumenpflanzen für die gemeinsame Gestaltung des Innenhofes bringt. Ja, Elfriede wird gelobt und auch in ihrer Arbeit unterstützt. Zum Geburtstag schenken ihr die Nachbarn statt Schnittblumen jetzt Blumen, die manchmal eine Lebensdauer von mehreren Jahren und bei Elfriedes liebevoller Pflege sogar eine erstaunlich lange Blütezeit haben.
Im kommenden Sommer, als das Grau des Hofes weitgehend von zahlreichen bunten Blumen überwuchert ist, feiert die gesamte Nachbarschaft ein kleines Sommerfest in ihrem Innenhof. An den unteren Balkonen hängen Lampions, und so sind nach Sonnenuntergang auch noch alle Blumen in einem romantischen Licht zu sehen. Besonders zauberhaft leuchtet die eifrig kletternde Klematis mit ihren blauen sternförmigen Blütenblättern in dieser Sommernacht. Beate, die kreative arbeitslose Designerin, hält hinter ihrem Rücken eine Überraschung für die Initiatorin des geglückten Projektes „Freundliches Wohnen“. Auf einer Holztafel, lieblich mit Blumen verziert steht: „Elfriedenhof“. Markus, der handwerklich Geschickte, befestigt diese wohlverdiente Auszeichnung schön sichtbar an der großen Mauer. Dadurch bekommt die Gärtnerin aus Berufung jeden Tag neuen Elan, der für sie in ihrem Alter ein richtiges Verjüngungsmittel bedeutet. Ja, Elfriede Bromberg kommt sich nicht mehr überflüssig vor, und aus dieser schönen Tätigkeit haben sich ganz natürlich neue Kontakte, auch mit jungen Leuten, ergeben. Annette, die Berufstätige, nennt Elfriede Bromberg auf dem gelungenen Sommerfest sehr liebevoll „unser fleißiges Lieschen“, und sie überreicht einen Korb mit zehn rosafarbenen Pflanzen dieser blühwilligen Gattung.
Zarte Ackerwinde kann
nur hoch empor ranken,
wenn die unscheinbare
standhafte Brennnessel
ihr genug Halt bietet.
Mal bist du Ackerwinde,
dann wieder Brennnessel.
Trinke an deinen Freudenquellen
Es kann passieren, dass wir zu viel arbeiten, im Beruf, im Haushalt und in der Familie. Wenn in diese Bereiche zu viel von unserer verfügbaren Kraft hineinfließt, kann es sein, dass nach einiger Zeit, manchmal erst nach Jahren, unsere Seele aufschreit, sich wehrt. Wir können nicht pausenlos Leistungen erbringen. Wir können nicht unaufhörlich funktionieren. Manchmal ist erst ein Zusammenbruch nötig. Unsere Seele zieht die Notbremse. Unser Körper und auch unsere Seele lassen sich auf Dauer nicht überfordern. So ein schrecklicher Zusammenbruch ist ein notwendiger Hilfeschrei. Manchmal müssen Menschen so tief am Boden liegen, damit sie zur kritischen, wie auch positiven Besinnung sich die ausreichende Zeit nehmen. Pausenloser Einsatz fordert irgendwann eine unausweichliche lange Arbeitspause. Stellen wir vielleicht zu hohe Anforderungen an uns selber? Oder glauben wir beweisen zu müssen, dass wir so tüchtig sind? Vielleicht hilft uns eine Gesprächstherapie, in der wir die Ursachen für unser Verhalten aufspüren können.
Kürzlich war ich bei meiner fünfjährigen Enkeltochter zu Besuch. Sie begrüßte mich mit einem Strahlen in ihren Augen. Die Wiedersehensfreude hüpfte in ihrem schlanken Körper. Ich beobachtete das Kind, wie es mit einer wunderbaren Leichtigkeit ins Basteln versunken war. Bäuchlings auf dem Teppich liegend, malte Stella mit bunten Stiften für ihre Mama und ihren Papa jeweils einen Adventskalender, ganz nach ihren Vorstellungen. Ohne irgendwelchen Leistungsanspruch und ohne Zeitdruck entsteht ein Geschenk, das aus dem Herzen strömt. Sie möchte ihre Eltern erfreuen. Keinerlei Anspannung kann ich bei dem Mädchen beobachten. Mit einer bezaubernden Leichtigkeit schenkt es aus der Fülle seines Herzens. Eine anschauliche Lernstunde ist diese unbezahlbare Begegnung für mich.
„Man