Vampire essen keine Pasta. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737581219
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kein königliches Blut floss. Er entsprang einer bürgerlichen Familie aus Hut-nesu, im 18. oberägyptischen Falkengau, und war lediglich Echnatons Schwippschwager. Darum griff er auf eine List zurück. Wenn schon nicht von königlicher Geburt, dann wenigstens von göttlicher. So erklärte er Horus zu seinem Vater und sich damit zu dessen einzigen Sohn. Zudem tauchte eine sehr seltene Sternenkonstellation am Himmelszelt auf, die so nur alle 1456 Jahre in Erscheinung trat. Er besuchte den Tempel von Karnak, um das Orakel des Amun zu befragen und damit die Zustimmung des Gottes zu bekommen. Somit sahen alle ein Zeichen darin, dass Haremhab der Krone würdig sei.

      Und er sollte sich als würdiger Gottkönig erweisen. Er erließ Gesetze, die die Missstände in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht beseitigen sollten. Er ordnete Opfergaben und Erneuerungen der Tempel an. Er ließ Echnatons Sonnentempel schleifen und benutzte dessen Tatlatat-Steine dafür, um damit die von ihm neuerbauten Pylonen des Amun-Tempels aufzufüllen. Gewissermaßen schoss er sich mit dieser Handlung ein echtes Eigentor; wären diese Steine nicht von den späteren Archäologen gefunden und untersucht worden, hätte niemand etwas von Echnatons Existenz erfahren, denn Haremhab ließ systematisch alle Spuren seiner drei, bzw. vier Vorgänger ausradieren. Gewissermaßen führte er die Korrektur der Geschichte mit Hammer und Meißel durch, sodass die Nachwelt denken musste, er sei der direkte Nachfolger von Amenophis III. Was ihn dazu bewog bleibt fraglich. Mag sein, dass er ein dunkles Kapitel der Geschichte Ägyptens ein für allemal abschließen wollte - oder, was einleuchtender wäre - seine eigenen Schandtaten zu vertuschen, indem er so tat, als wäre das alles niemals geschehen. Letztendlich muss jeder am Tag des hohen Gerichts für seine Taten gerade stehen. Die Ägypter glaubten an ein Leben nach dem Tod, weshalb sie auch einen mächtig großen Aufwand betrieben, was den Bau und die Vorbereitung ihrer Grabkammern betraf.

      Womit wir dort angekommen sind, wo wir mit unserer kleinen Exkursion durch Ägyptens Geschichte begannen.

      Nun war Haremhabs Tag des hohen Gerichts angebrochen, doch sollte seine Seele bangen Herzens weiterhin warten. Selbst nach der Mumifizierung und den rituellen siebzig Tagen, kam Anubis immer noch nicht, um Haremhabs Herz zu wiegen. In der Tat eine schlimme Sache, da der Totengott entschied, ob der Pharao ins Reich der Unsterblichkeit eingeht, oder sein Herz von Ammit der Fresserin verschlungen wird, was bedeutet, dass es kein Leben nach dem Tod für ihn gab. Haremhab ließ sich nicht einschüchtern, er war ein harter Bursche und konnte warten. Selbst nach der Mundöffnungszeremonie die sein Protegé, der Wesir Ramses, an ihm vollzog, und der nachfolgenden Grablegung im Tal der Könige, wartete er weiterhin geduldig auf die Dinge, die da kommen sollten.

      … Tag und Nacht vergingen. Die glorreiche Dynastie der Ramessiden regierte und wurde von anderen abgelöst. Alexander der Große schaute vorbei und nahm das Land in Beschlag. Die Ptolemäer kamen an die Macht. Ein neues Imperium wurde geboren. Ägyptens Stern sank, das Land verkam zur Kornkammer Roms. Einheimische verschleppten die Mumien mit den Särgen aus ihren Grabkammern, warfen sie einfach durcheinander, durchwühlten die Binden der Toten nach Skarabäen und Amuletten, raubten Gold und kostbare Grabbeigaben. Derlei Menschen, die vergessen hatten, was ihre eigenen Schriftzeichen bedeuteten, die keinen Respekt mehr vor den alten Göttern zeigten. Das römische Imperium ging unter. Weiterhin vergingen Tage und Nächte. Stimmen, die in fremden Zungen sprachen, verfrachteten Sarkophage auf Schiffe. Meeresrauschen, Helligkeit und neugierige Blicke. All dies geschah, nur Anubis Anwesenheit fehlte... Doch aus welchem Grund?

      *

      Was zuvor geschah:

       An Haremhabs Todestag, kam der Totengott Anubis aus der Nekropole West-Thebens und durchquerte die brennend heiße Wüste in Richtung Theben-Ost. Der Nil wirkte wie eine natürliche Grenze zwischen Leben und Tod. In einer Hand trug Anubis eine große Waage, in der anderen die Feder der Maat, und unter seiner Achsel klemmte ein Anch. Ihn begleitete Ammit, die dämonische Fresserin, ein Mischwesen aus Krokodil, Löwe und Nilpferd. Der Weg durch die Wüste nach Ost-Theben war beschwerlich, die Sonne brannte heiß auf Anubis´ dunkle Haut. Der Schakalköpfige sah auf die Papyrusrolle, um sich zu vergewissern, wohin ihn sein Auftrag diesmal führen sollte.

      »Wieder so ein Tropf! Egal, ob Pharao oder nicht, vor mir sind alle gleich. Wer weiß, vielleicht fällt für dich heute noch ein fetter Happen ab?«, sprach Anubis zu Ammit.

      Diese sah auf, sagte: »Yumm, yumm!«, und wedelte mit ihrem Stummelschwanz. Anubis nahm seine Aufgabe sehr ernst. Niemand entkam ihm, jedem wurde der ihm zugehörige Platz zugewiesen, den er durch eigene Taten verdiente. Anubis wog das Herz bei jedem gewissenhaft mit der Waage. Wog das Herz schwerer als die Feder der Göttin Maat, war es Ammits Aufgabe dieses zu verschlingen. War das Herz leichter, oder genauso schwer wie Maats Feder, durfte der Verstorbene ins ewige Leben aufbrechen, wo ihn Glückseligkeit, Bier und Brot erwartete.

      Anubis warf einen Blick hinter sich. Er machte eine Staubwolke aus, offensichtlich von einem Fuhrwerk aufgewirbelt, die rasch näher kam. Er verdrehte die Augen, als er erkannte, wer auf der mit Flammen bemalten Wagenkanzel stand: »Dieser übereifrige Azrael, gesandt von Jahwe! Dabei hat Echnaton doch schon hinlänglich bewiesen, dass Monotheismus ein Irrglaube ist!«

      Azrael hingegen schien Anubis noch nicht wahrgenommen zu haben. Kein Wunder, wo sich der Totengott doch gern in einem kleinen Sandsturm zu tarnen pflegte. Leider schenkte Azrael dem vor ihm liegenden Sandsturm keine Aufmerksamkeit, weil gerade von Westen her, eine wesentlich größere und äußerst bedrohliche Sturmfront aufzog. Der Engel des Todes wollte dieser selbstredend ausweichen, bevor sie ihn erwischte.

      Schon von jeher galten Sandstürme als äußerst tückisch; sie bewegen sich mit einen Tempo, dem niemand so schnell entkommen kann, zudem ändern sie unberechenbar und abrupt die Richtung. Dieser Sturm wirkte wie ein hungriges Lebewesen. Und ehe Azrael etwas unternehmen konnte, umhüllte ihn bereits die Dunkelheit. So rammte Azrael unbeabsichtigt Anubis, der in der undurchdringlichen Finsternis nicht auszumachen war. Anubis, von den beiden Pferden des Gespanns niedergetrampelt, blieb reglos und halb begraben im Sand liegen. So schnell wie der Sandsturm aufgezogen war, verschwand er wieder. Azrael warf noch einmal einen Blick über die Schulter, spuckte einen Mundvoll Sand aus und bemerkte: »Huch! Ich glaube, da habe ich gerade eben einen Schakal, ein Nilpferd, einen Löwen und ein Krokodil überfahren!«

      Nur zum Anhalten blieb ihm keine Zeit. Die hebräischen Sklaven, die tagtäglich für den Pharao schuften mussten, bedurften seiner Hilfe. Wieder einmal war so ein armes Schwein an Entkräftung dahingeschieden, dessen Seele er retten musste. Der Todesengel vergewisserte sich, ob er nicht in diesem Chaos sein Chepesch (Sichelschwert), oder eine der beiden Urnen verloren hatte. Nein, alles war noch an seinem Platz. Also ging die Reise hurtig weiter. Schließlich nahm auch Azrael seine Aufgabe ziemlich ernst.

      Neben dem bewusstlosen Totengott tauchte ein Jüngling auf, der Ammit etwas zuwarf, das wie ein herausgerissenes Antilopenherz aussah: »Hier Ammit, wenn er dich fragt, ob ihr schon in Malkatta ward, nickst du mit dem Kopf, ist das klar? Der alten Zeiten wegen, denk dran!«

      Die derart bestochene Fressdämonin Ammit leckte ihr Maul und bestätigte: »Yumm, yumm!«

      Der Jüngling kniete neben dem Totengott, packte ihn an den Füßen, drehte den Besinnungslosen in die entgegengesetzte Richtung und tätschelte diesem dann vorsichtig die Wange. »Hey, Anubis. Alles klar mit dir?«

      Anubis´ Lider zitterten einen Moment, ehe er die Augen aufschlug. Dann richtete er sich schnell auf, was er daraufhin gleich wieder bereuen sollte. »Ah! Mein Kopf!«, stöhnte er. Dabei fiel ihm auf, dass etwas Wesentliches fehlte. Tastend suchte er sein Nemes-Kopftuch, fand es, schüttelte den Sand heraus und platzierte es wieder auf seinen Kopf. Nachdem seine Würde einigermaßen wieder hergestellt war, blickte er den Jüngling misstrauisch an. »Was ist denn los? Ich erinnere mich an nichts. Warum liege ich hier im Wüstensand?«

      »Oh, du kamst gerade aus Richtung Theben-Ost, als dich jemand über den Haufen fuhr. Ich glaube, es war der Todesengel der judäischen Sklaven. Meiner Meinung nach, sollte Pharao sie ziehen lassen, sonst gibt es eines Tages noch eine Katastrophe.«

      »Ich kam aus Theben-Ost?«, fragte Anubis verwirrt, der sich vermutlich nicht erinnern konnte, Ägyptens Lebensader, den Nil, überquert zu haben.

      »Ja,