Der Frauenmann. Louis Flathmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Louis Flathmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752942804
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ärztliche Schweigepflicht!“ Er lachte so laut, als hätte er Felix einen der besten Witze erzählt. Nur war es kein Witz... Es war ein unheimliches Lachen, das Felix erneut die Haare zu Berge stehen ließ.

      „Wichtig ist, dass Sie jeden meiner einzelnen operativen Schritte verstehen, damit Sie später gut damit zurechtkommen.“ Später? Er wollte ihn also nicht umbringen? Wer war dieser Kerl? So viele Fragen, die Felix` Kopf wieder einmal zum Rauchen brachten. Sein Lachen wurde immer verrückter. So ein Lachen konnte nur von einem Wahnsinnigen kommen. Er schien richtig Spaß daran zu haben, Felix im Ungewissen damit zu lassen, was er mit ihm anstellen würde. Doch wollte er es wirklich wissen?

      „Was haben Sie mit mir vor?!“, gelang es Felix endlich zu fragen. Er hörte sich kleinlich und ängstlich an, was ihn sehr ärgerte.

      „Warum kann ich diesen Kerl nicht anschreien?“, fragte er sich. „Die Angst!“, erwiderte gleichzeitig sein Verstand. Er spürte, dass es nichts Schönes war, was ihn erwarten würde.

      „Nun, das werden Sie nach und nach sehen und merken!“, speiste der Fremde ihn ab. Felix’ Angst verwandelte sich langsam in Zorn und all seine Sorgen wurden durch die sich anbahnende Wut vertrieben. Vorerst. Er versuchte mit aller Kraft, aufzustehen, sich zu bewegen, doch dies gelang ihm immer noch nicht. Der Unbekannte schien seine Bemühungen zu bemerken und lachte erneut sein schaurig-wahnsinniges Lachen.

      „Warum zeigen Sie sich nicht?“, huschte ausgerechnet diese Frage über seine Lippen. Er hatte tausend Fragen. Mindestens. Aber grade diese Frage hatte es geschafft, ausgesprochen zu werden.

      Der Verrückte schien ernst zu werden, denn Felix hörte kein Lachen oder Kichern mehr. Es dauerte einige Sekunden, bis er ihm antwortete, doch Felix kam es in dieser stressigen Situation, wie eine halbe Ewigkeit vor.

      „Sehen Sie mich als den, der Sie in eine andere Welt befördert. Es ist wie, wenn Sie sterben: Sie kommen durch das weiße Licht in ein anderes Universum, eine andere Welt. Genau wie bei mir.“ Er sprach in Rätseln und Felix verstand in seinem Zustand kein einziges Wort. Die Ratlosigkeit und Verwirrtheit schien der Fremde ihm wieder vom Gesicht ablesen zu können und fügte bloß hinzu: „Sie werden nicht sterben.“

      Dann schienen sich die Schritte wieder etwas zu entfernen, aber nicht weit. Der Psycho war immer noch mit ihm in einem Raum. Felix hatte noch mehr sagen wollen, um Hilfe schreien wollen, doch es hatte ihm vor lauter Panik erneut die Sprache verschlagen. Er dachte über die letzten Worte des Mannes nach und versuchte krampfhaft, sie auf sich wirken zu lassen. Er würde ihn nicht töten, hatte er gesagt. Felix war sich nicht sicher, ob diese Tatsache ihn unter diesen Umständen eher beruhigen oder noch mehr beunruhigen sollte. Er wusste es nicht.

      Der Mann kam wieder zu ihm und schien ihm etwas in die Armbeuge zu spritzen, denn er verspürte einen leichten Druck, der vom Arm in den Kopf schnellte.

      „Gegen die Unruhe.“, sagte der Unbekannte trocken.

      „Was…?“, mehr gelang Felix nicht zu sagen.

      „Ich habe Ihnen erneut eine große Menge Muskelrelaxans spritzen müssen, da Sie leicht zu zittern begonnen haben. Und das würde diese schwierige OP nicht leichter machen. Für Sie nicht und für mich nicht. Und Sie wollen doch schließlich auch das bestmögliche OP-Ergebnis erzielen, nicht wahr?“ Er verfiel wieder in sein psychopathisches Lachen. Felix kam sich vor wie im falschen Film. Mit aller Kraft versuchte er seinen Kopf ein wenig zu bewegen, um sich sehen zu können. Sein Kopf zitterte und schwitzte gleichzeitig, bei den verzweifelten Versuchen, ihn anzuheben.

      Rien ne va plus. Nichts ging mehr.

      Im gleichen Moment merkte er erschrocken, dass sich seine Kopflehne aufrichtete. Von einem leisen Surren begleitet, erblickte er seinen nackten Körper. Es machte sich ein Gefühl in ihm breit, als habe man ihm die ganze Luft aus den Lungen gezogen. Er wollte gleich wieder die Augen schließen, aber er konnte den Blick einfach nicht abwenden.

      Er sah seinen schockierten Blick und konnte seine Angst förmlich riechen. Seine Augen sprachen Bände. Ein stechender Schweißgeruch hing in der Luft. Sein Leiden verschaffte ihm Lust und bestärkte ihn in seinem Vorhaben. Er tat das richtige. Von Hass und Wahn erregt sah er sich die Bemalungen des Körpers, der vor ihm lag, an. Sie zeigten ihm, wo er das Skalpell überall ansetzen musste.

      Hatte der Idiot gerafft, was er vorhatte? Die Angst in seinem Gesicht ließ darauf schließen. Er wollte jedoch noch mal nachhelfen, was das Verständnis anging. Sein Hass und seine Lust führten ihn direkt vor sein Bett. Er hörte den Atem seines Patienten, der immer ruhiger wurde. Muskelrelaxans war Dank! Ein Glück taugten die Sachen aus dem Internet was! Er hatte schon befürchtet, er sei an schlechte Qualität geraten. Er drehte den Strahler zur Seite, damit sein Opfer nicht so geblendet war und seinen neuen Körper besser erkennen könnte im Laufe der Operation. Die Dunkelheit schien sich ihren Platz im Raum zurückzuholen. Er sah in das Gesicht des jungen Mannes und blendete ihn somit auf ein Neues. Er trug eine Kopflampe, die Dinge in hundert Metern Entfernung noch klar erschienen ließ. Er wollte sich nicht so schnell zu erkennen geben. Zumindest noch nicht. Die Überraschung, die geschützt wurde vom hellen Schein der Lampe, würde er ihm zeigen, wenn er mit ihm schlafen würde. Er würde dann eine sie sein.

      „Ich werde Ihnen jetzt als erstes eine Infusion mit Follikelhormonen injizieren. Es ist eine sehr zähe Flüssigkeit und läuft daher sehr langsam. Ich werde die Flaschen immer wieder zwischendurch auswechseln müssen. Eine Flasche hat nämlich nicht mehr als hundert Milliliter.“ Mehr nahm Felix nicht auf. Folli- was? Das konnte doch alles nur ein Albtraum sein. Womit hatte er das verdient? Er hatte noch nie einer Fliege was zuleide getan! Er war dreiundzwanzig und grade fertig mit seiner Ausbildung zum Bürokaufmann.

      Erneut wurde er von einer Panik ergriffen, die ihn wie eine Riesenwelle nach unten drücken wollte. Niemand würde ihn so schnell vermissen. Zurzeit hatte er zwei Wochen Urlaub. Seine Eltern starben bei einem Verkehrsunfall als er neun war. Eine Freundin hatte er auch nicht. Niemand, der auf ihn wartete, außer das leere Haus seiner Eltern, in dem er seit er achtzehn Jahre alt war, drin wohnte. Er spürte heiße Tränen an seinen Wangen runter laufen. Das kannte er vorher nicht von sich. Er war eigentlich immer taff. Eigentlich.

      „Ich werde Sie in dieser Position, in der Sie jetzt sind, lassen. Sie sollen ja schließlich alles genauestens mit verfolgen können. So einen Luxus gibt es in Krankenhäusern nicht. Da wird Ihnen das Licht ausgeknipst und Sie wachen irgendwann, wenn alles vorbei ist, wieder auf. Und das ist doch schade, oder?“

      Felix kannte die Stimme nicht. Sie kam ihm nicht ansatzweise bekannt vor. Der Irre schien in seiner eigenen Welt zu leben. Man hätte meinen können, er würde einen Vortrag halten, so ruhig und gelassen wie er sprach. Felix registrierte erst jetzt, dass er sich hinter der Kopflampe versteckte. „Zeig dich, du feiges Schwein!“, wollte er rufen, doch er fing nur laut zu schreien an. Zu mehr war er nicht im Stande, seine Muskeln waren völlig entspannt. Er war dem Arschloch hilflos ausgeliefert.

      Er schrie und schrie und hatte immer noch Hoffnung, von irgendjemandem gehört zu werden. Doch würde man ihn in diesem dunklen Dreckloch hören? Die Luft roch betonartig und feucht. War er in einem Keller? Er hatte jedes Zeitgefühl verloren, da es keine Fenster zu geben schien, die auf eine Tageszeit hätten schließen lassen. Sein Schreien schien den Irren nur noch mehr anzutreiben.

      „Ja, schreien Sie! Schreien Sie sich die Seele aus dem Leib! Hier wird Sie niemand hören, die Wände sind schallisoliert!“ Auch sein Ton wurde lauter. Lachend lauter.

      „Was für eine Scheiße wollen Sie hier an mir durchführen, Sie verdammter Mistkerl?!“, schrie Felix. Ein Stein fiel ihm beim Schreien vom Herzen. Jedoch war die Erleichterung nur von kurzer Dauer.

      „Haben Sie es immer noch nicht kapiert?“ Der Psychopath sprach mit Felix, wie mit einem kleinen Kind. Er hatte das Gefühl, sein Peiniger verdrehte die Tatsachen. Er war nicht der Dumme und Verrückte! Aber er würde verrückt werden, wenn er hier noch länger liegen würde. Felix glaubte zu verstehen, was der Irre vorhatte, doch er hoffte, dass es nicht so sein würde, wie er dachte. Seine Brust war mit zwei großen Kreisen markiert. Außerdem waren an seine