Marijke - Honiglippen. Swantje van Leeuwen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Swantje van Leeuwen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748579526
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      Marijke drehte sich nicht zu ihm um, hörte aber, wie sich die Tür schloss und spürte, dass er nicht mehr im Raum war.

      »Ga zitten, mijn meisje. Wil je wat drinken?[7]« Rikkert wartete nicht auf ihre Antwort und füllte zwei Gläser halb voll mit Bourbon aus einer Karaffe auf seinem Schreibtisch.

      »Sie haben mich rufen lassen?« Sie mochte es nicht sehr, wenn er sie ansah und sich an ihrer auffälligen Latexuniform ergötzte. Deshalb war es ihr lieber direkt zur Sache und auf den Punkt zu kommen. Sie setzte sich zaghaft und überschlug sofort ihre Beine, sodass er gar nicht erst dazu kam, ihr zwischen die Schenkel zu glotzen, um sich an ihrer Scham aufzugeilen.

      »Heb ik«, antwortete er nickend und nahm einen Schluck vom ›Tennessee Whiskey‹. »Kijk, Marijke, ik heb een klein probleempje, en ik denk, dat je misschien kunt helpen met de oplossing.[8]«

      Verwundert blickte sie ihn an. »Habe ich etwas falsch gemacht?«

      Rikkert schüttelte den Kopf. »Nein.« Er deutete auf die geschlossene Tür. »Der Mann, der gerade hinausgegangen ist, scheint mir eine mögliche, äußerst interessante Geldquelle zu sein. Ich bin ganz knapp davor, ihn aus einem Club in Rotterdam abzuwerben, wo er normalerweise seine Zeit verbringt ...« Er seufzte und nahm einen weiteren Schluck. »Das bleibt natürlich unter uns, Marijke! ... Aber der Mann ist ein echter ›High Roller‹!« An ihrem Blick bemerkte er, dass sie nicht verstand, was er ihr damit sagen wollte. »Ein ›High Limit Gambler‹, wenn du es in Casino-Sprache möchtest, jemand, der ausschließlich hohe Beträge, extrem hohe Summen, setzt, um zu bekommen, was er möchte.«

      »Ähm ...«, reagierte sie unverbindlich. Sie hatte keine Ahnung was das mit ihr zu tun hatte, geschweige denn, worauf Rikkert gerade hinauswollte. Alles was sie wusste war, dass derartig finanziell hochpotente Klienten sehr bevorzugt behandelt wurden. Diejenigen, die dem Club das meiste Geld einbrachten, erhielten immer die besten privaten Suiten und die teuersten und feinsten Getränke. Jeder Wunsch wurde ihnen förmlich von den Lippen abgelesen. Alles was Rikkert tat, war sie und ihre Kolleginnen auf einen solchen Kunden aufmerksam zu machen, um sicherstellen, dass er jederzeit bestens umsorgt wurde. »Nun, ich weiß nicht, inwieweit ich helfen könnte ... Soll ich ihm vielleicht eine gute Sub heraussuchen?«

      Rikkert gluckste verlegen und drehte das Glas leicht zwischen seinen Fingern.

      Marijke bekam den Eindruck, dass es ihm nicht ganz leicht fiel fortzufahren.

      »Nun«, setzte er nach einer geraumen Weile des Schweigens neu an, »es ist in gewisser Weise schon ein bisschen komplizierter.« Er schaute sie durchdringend an, als würde er etwas in ihr suchen. »Wie fange ich am besten an ...«

      »In het begin[9]«, forderte sie ihn auf.

      »Nun, dieser Kunde hat ein paar recht spezielle Vorlieben, und wenn wir ihn in unseren Club kriegen wollen, dann müssen wir ihm beweisen, dass wir auch entsprechend liefern können.« Er war bewusst vom ›Ich‹ ins ›Wir‹ gewechselt, um sie auf diese Weise auf seine Seite zu ziehen. »Er ...«

      »Zeg wat u wilt[10]«, mahnte sie ihn.

      »Ich bin bereits dabei, Marijke«, erwiderte er und leerte sein Glas mit einem Schluck. »Er verlangt nach einer neuen Sub.«

      Sie runzelte leicht die Stirn. »Sorry, ik begrijp het niet helemaal.[11]«

      »Was ich meine, Marijke, ist, dass er nach einem völlig unerfahrenen Mädchen sucht, eines, dass nicht perfekt ist ... Er möchte mit einem spielen, aus dem er erst eine richtige Sub machen muss.« Rikkert blickte sie jetzt unverhohlen an. Ein geldgieriges Lächeln umspielte die Lippen seines Rattengesichts. Dann ließ er die Katze aus dem Sack. »Er will dich, Marijke!«

      Sie stellte ihr Glas leise, aber mit Nachdruck auf den Schreibtisch und stand auf. »Oh, nein, Rikkert! Wir haben darüber gesprochen, als sie mich engagierten. Ich serviere Getränke, nicht mehr, nicht weniger. Dat is alles wat ik te zeggen heb![12] Ich bin in diese Scheiße nicht verknallt! Meine Antwort lautet: Nein!« Sie wandte sich von ihm ab, und war so wütend über das unglaubliche, ja unverschämte Angebot, wie sie es noch nie über etwas gewesen war. Sie hatte ihre Hand bereits auf den Türknauf gelegt, als sich Rikkert aus seinem Sessel erhob.

      »Wacht, wacht! Alsjeblieft, Marijke, luister naar me voordat je wegloopt![13]«, rief er. »Hör' mir bitte zu, dann kannst du immer noch aufgebracht losstürmen, eine Voodoo-Puppe basteln und solange mit einer Nadel hineinstechen, bis ich blutend am Boden liege!« Er machte eine einladende Geste in Richtung des Stuhls von dem sie gerade aufgestanden war. »Bitte, setz' dich.«

      Sie blieb stehen und ließ den Knauf los.

      »Schau', ...«, flehte Rikkert, dessen Gesicht vor lauter Verlegenheit rot angelaufen war, »ich weiß, was du damals gesagt und dass du das vehement ausgeschlossen hast. Ich habe kein Wort davon vergessen, dass du in nichts davon involviert werden wolltest ... Aber sei mal ehrlich mir gegenüber: Wieviel Schulden hast du für dein Studium aufgenommen?«

      Marijke wirbelte herum und strotzte vor Wut. »Glauben Sie allen Ernstes, es ginge dabei um Geld? Mein Gott, Rikkert, was ist los mit Ihnen? Wenn mein Vater noch am Leben wäre, er würde Ihnen dafür die Eier abschneiden!«

      Rikkert hob beschwichtigend seine Hände. »Bitte, du verstehst das gerade völlig falsch! ... Ich versuche dir doch nur klar zu machen, dass du in deiner finanziellen Lage, ja, selbst mit dem guten Gehalt hier, noch Jahre brauchst, deine Schulden zu tilgen.« Er setzte sich wieder. »Es geht nicht einfach um Geld, Marijke. Es geht um ein kleines Vermögen, hörst du?! ... Der Kunde kann uns in den nächsten Jahren über eine Million in die Kasse spülen!« Er schenkte sich aus der Karaffe nach und schaute sie offen an. »Jetzt reg' dich nicht gleich wieder auf. Bitte! Und hör' mir aufmerksam zu. Wenn du dich einverstanden erklärst, ein wenig Zeit mit ihm zu verbringen ... Zur Hölle, nur eine Nacht, wenn das alles ist, zudem du bereit wärst, sind deine Schulden gestrichen ... bezahlt ... Dann bist du finanziell jeden Druck los. Und dein monatliches Entgelt wird verdoppelt ... Hörst du, was ich dir anbiete?«

      Marijke war kaum in der Lage sich zu bewegen, um darauf zu reagieren. Ihr stockte der Atem in der Kehle. Der Gedanke daran, sich auf einen Schlag von ihren Schulden zu befreien, war zu viel für sie. Schon während ihres Studiums an der alt ehrwürdigen ›University of California‹ in Berkley hatte sie allzu viele, lange und bedrückende Nächte damit verbracht, herauszufinden, wie viele Jahre es dauern würde, bis sie ihr Studiendarlehen zurückzahlen konnte. Dabei hatte sie sich eingestehen müssen, dass es noch mindestens zehn Jahre dauern würde, bis sie überhaupt daran denken konnte, eine Eigentumswohnung zu erwerben oder gar eine Familie zu gründen. Die Vorstellung, sich von ihrer Schuldenlast allein in einer einzigen Nacht befreien zu können, war viel zu verrückt, um es sich überhaupt ausmalen zu können.

      Rikkert spürte ihren Schock und als sie sich daran erinnerte, Luft zu holen, bemerkte sie sein verstecktes Lächeln in den Mundwinkeln. Er wusste, dass er sie damit am Haken hatte. »Ich biete dir einhunderttausend Euro, Marijke! Denk' darüber nach. Deine Schulden dürften um die fünfundzwanzig bis dreißigtausend liegen, nicht wahr? ... Nun, da bleibt noch reichlich für dich übrig. Du könntest den Job hier kündigen und deine Karriere beginnen. Eine Wohnung kaufen, ein Auto ... Vielleicht findest du auch einen Freund und hast einfach Spaß am Leben ... Ich biete dir deine Freiheit, mijn meisje! Alles was ich von dir möchte, ist nur diese eine Nacht ... Eine einzige Nacht als Gegenleistung für deine Freiheit.«

      Alles um sie herum kreiste. Sie war kaum in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Mein Gott, ob ich das wirklich durchstehe?, hallte es wie in einer Echokammer in ihrem Kopf.

      ***

      Kapitel 4

      Das Zimmer war eines von denen, die Marijke, seit sie im ›Birdcage