Gina Keck. Daniela Dittel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Daniela Dittel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847642329
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Magier an und mit hoch erhobener Hand rief er: «Ihr habt mir dieses Samenkorn in meine Gedanken gepflanzt. Nun keimt der Wunsch nach einem Sohn in mir. Findet einen Weg, dass es geschehe ohne das Zutun einer Frau. Bestimmt verfügt Ihr über das Wissen eines Zaubertranks oder eines anderen magischen Pulvers, das so etwas vermag.»

      Betroffen zwirbelte der Merlin an seinen langen Bart und sagte: «Nun gut. Ich erkenne den Schmerz, den meine Worte bei Euch verursacht haben und es tut mir sehr Leid. Dennoch ist es, wie es ist, einen leiblichen Sohn kann ich Euch nicht schenken, das kann nur...», und sein Blick wanderte gen Himmel.

      Wider aller Vernunft focht sein Innerstes einen Kampf aus, denn letztendlich hatte er sich seit Anbeginn seines Lebens dem Mysterium der Zauberkünste gewidmet.

      Mit einem tiefen Seufzer sprach er deshalb: «In der Tat gibt es Zauberei, die Euch Eure Herzenswünsche erfüllen können. Aber Ihr müsst wissen, dass Zauberei oftmals seltsame Wege geht und meist anders wirkt, als man es erhofft.»

      Mit einer ergebenen Verbeugung machte sich der Merlin auf den Weg und während er ging, rief er mit warnendem Zeigefinger: «Sagt hinterher nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt. So sei es! Ich werde Euch einen Trank bereiten, der Euch einen Wunsch gewährt. Wählt Ihn wohl und bereitet Euch gut darauf vor, Graf von Eberstein. Denn in Eurem Herzen darf nur dieser einzige Wunsch bestehen.»

      So braute der Merlin dem Grafen einen Trank, wie er es versprochen hatte. Er wies Eberstein an, das Zaubergebräu mit dem ersten Sonnenstrahl eines erwachenden Tages zu trinken. Dabei sollte er sich einzig und allein auf jenes auserwählte Begehren konzentrieren und alles andere aus seinen Gedanken verbannen. Mit aller Inbrunst sollte er seinen Wunsch der aufgehenden Sonne entgegen rufen, sodass er reifen und bei Zeiten in Erfüllung gehen konnte.

      Eberstein hatte sich gut auf seine Aufgabe vorbereitet und in seinem Gedächtnis brannte nur ein einziges Anliegen, nämlich das eines Sohnes. Sein Herz jedoch beherbergte einen ebenso starken Wunsch, dessen sich der Graf nicht bewusst war. Dieser keimte genau an jenem Morgen auf, als Eberstein die Sonne anrief und sich die Morgenröte eben durch die fast kahlen Baumkronen emporhob.

      Beinah feierlich mit einem Anflug von Ehrfurcht in seiner Stimme bekannte er sein Begehren nach einem Erben, einem heranwachsenden Jüngling, der lernfähig und bereit für all die Aufgaben einer guten Herrschaft wäre. Gleichwohl und unbemerkt schrie sein Herz nach einem anderen Wunsch. Es frohlockte nach den Freuden des Herbstes, nach seinem prächtigen goldenen Antlitz, nach der Fülle der süßen reifen Früchte und nicht zuletzt nach den Hifthörnern, die durch den Wald zur Jagd bliesen.

      6. Kapitel

      Es waren erst wenige Tage verstrichen, als drei Jäger zur Burg Eberstein ritten und um Einlass baten. Jedoch handelte es sich hierbei nicht um die übliche Sorte von Jägern, die Felle oder Fleisch von Tieren anboten, sondern um solche, die sich auf Menschenhandel spezialisiert hatten. Sie boten dem Grafen eine höchst interessante und dazu einmalige Beute an - die drei Gezeiten - den Herbst, den Winter und den Frühling.

      Graf Ebersteins Augen leuchteten, als er den jungen Herbst in menschlicher Gestalt vor sich stehen sah. Fasziniert betrachtete er den Jungen, berührte das rot-goldene Haar, das ihm wirr in das, über und über mit Sommersprossen gespickte, Gesicht hing. Dem Grafen gefiel das unbändige Wesen des Knaben, dessen Wangen vor Erregung glühten und dessen haselnussbraunen Augen ihn wütend an blitzten, als er ihn eindringlich musterte.

      «Ein Jüngling im besten Alter, fähig das zu lernen, was man ihm beibringt», dachte der alte Eberstein zufrieden.

      «Mein Wunsch hat sich somit erfüllt und nicht nur das, ich bekomme weit mehr, als ich erhoffte. Nun wird die schönste Jahreszeit für immer bei mir sein, solange ich im Besitz dieses Jungens bin.»

      Die beiden anderen Gefangenen waren ihm einerlei, und er würdigte sie keines Blickes. Er hatte nur Augen für den jungen Herbst und mit einer abwertenden Handbewegung sprach er zu den Jägern: «Die beiden brauche ich nicht! Aber den Herbst, den muss ich haben. Koste es, was es wolle!»

      Und während sich die Männer bei ein paar Kelchen schweren, roten Weins auf eine immense Summe Goldes einigten, erfuhr der Graf allerlei wichtige Fakten, von der Gefangennahme der Gezeiten, über den Verbleib von Sommer, bis hin zur einzig bestehenden Fluchtmöglichkeit, nämlich der drei Steinstatuen auf der Lichtung im hiesigen Eichenwald.

      Als die Händler dann mit dem Frühling und dem Winter aus dem Burgtor davon ritten, stieg pure Verzweiflung in dem jungen Herbst auf und mit ihr setzte ein Wind ein, der die letzten Blätter von den Bäumen riss.

      Mit jedem Meter, der zwischen ihm und seine Geschwister kam, verwandelte sich Herbsts Hoffnungslosigkeit in unbändige Wut und mit ihr schwoll der Wind, der draußen tobte, zu einem gewaltigen Orkan an und ließ das Mauerwerk der alten Burg erzittern.

      Nach der Raserei umfing den Knaben tiefe Traurigkeit und während ihm dicke Tränen über das Gesicht rollten, verdunkelte sich der Himmel und kalte Regentropfen fielen zur Erde nieder.

      «Die Zeit heilt alle Wunden», sagte sich Eberstein und er schien recht zu behalten. Allmählich versiegten die Tränen des Jungen und immer öfter strahlte die Sonne vom Himmel herab. Bald leuchteten wieder bunte Blätter an den Bäumen und die Äste hingen voller köstlicher Früchte.

      Eberstein genoss das Leben in vollen Zügen. Täglich ging er auf die Jagd und ebenso eifrig widmete er sich der Erziehung seines Wunschsohnes. Er lehrte ihn wichtige Dinge, die ein guter Nachfolger des Eberstein'schen Geschlechts wissen und beherrschen musste. Vom ersten Tag an liebte er den Jungen wie einen eigenen Sohn.

      Allem Anschein nach fand sich Herbst in seiner neuen Rolle als würdiger Nachfolger des Reichs Autum gut zurecht. Er gab seinem Ziehvater nicht den kleinsten Zweifel an seiner Treue und nahm jede ihm gestellte Aufgabe mit Beflissenheit entgegen, um sie zu erlernen.

      In kürzester Zeit gewann er das Vertrauen des alten Grafen und somit sämtliche Freiheiten, die ein Sohn von seinem Vater erlangen konnte.

      Allerdings steckte eine ganz andere Sache hinter Herbsts tadellosem Verhalten seinem Ziehvater gegenüber. Zum Einen benötigte er das offenkundige Vertrauen des Grafen, um sich überall frei und unbeobachtet bewegen zu können, zum Anderen brauchte er Zeit. Zeit um seine Flucht vorzubereiten, die ihm schon von Anfang an im Kopf herum spukte.

      Eines frühen Morgens war es dann soweit. Alle Vorbereitungen waren getroffen. Herbst nahm sein schlichtes gelb-rotes Laubgewand, von dem der Graf glaubte, es wäre schon längst verbrannt worden, zwischen edlen und teuren Anzügen aus dem Schrank und zog es an.

      Dann griff er nach dem kleinen, prall gefüllten Lederbeutel, der auf seinem Bett neben einem langen Seil lag. Sachte pflückte er einige schwarze Ameise herunter, die sich darauf tummelten und steckte sie in den Beutel zurück.

      Leise flüsterte er ihnen zu: «Ich werde euch bald frei lassen, aber vorerst noch nicht.»

      Der Junge legte sich das Seil um die Schulter und schlich lautlos aus seinem Zimmer.

      Flüchtig wie ein Windhauch schlich er die Stufen in den großen Saal hinab und stahl sich an den schlafenden Wachen vorbei, die durch den kalten Luftzug fröstelnd aufmerkten, jedoch sogleich weiter schnarchten.

      Als er den Burghof betrat, hing ein schwerer Nebel bis auf den feuchten Boden herab. Herbst hatte ihn bereits vor Stunden mit seinen Gedanken heraufbeschworen, um ungesehen an den wach habenden Posten vorbei schleichen zu können.

      Nun ging er vorsichtig die schmale hölzerne Treppe zur Burgmauer hinauf, die unter seinen Schritten leise knarrte. Vermutlich wäre er über den schlafenden Wachposten gestolpert, der vor ihm auf einer Stufe lag und die Beine weit von sich streckte, wenn dieser nicht just in diesem Moment einen grunzenden Schnarchlaut von sich gegeben hätte. So konnte der Junge noch rechtzeitig mit einem großen Schritt über ihn hinweg steigen.

      Auf der Burgmauer angelangt, befestigte er das Seil an einer Zinne und glitt geschwind an der Außenmauer hinunter. Als er das nasse kalte Gras unter seinen nackten Füßen spürte, beruhigte sich sein wild pochendes Herz. Er