Gina Keck. Daniela Dittel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Daniela Dittel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847642329
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des Laubes stahlen, tauchten das Plätzchen in ein malerisches Licht. Und die umher fliegenden flauschigen Samen der nahe stehenden Sträucher und Bäume, rückten den Ort in einen romantischen und unwirklichen Zustand - einem Gemälde gleich.

      Gina schaute sich sorgfältig um. Ihr Interesse richtete sich auf eine Steinformation, die inmitten der Lichtung stand und auf den ersten Blick wie drei gewöhnliche Felsblöcke wirkten. Sie waren nicht viel größer als sie selbst. Allerdings besaßen sie etwas Künstlerisches, als wären sie nicht durch Wind und Wetter geformt, sondern durch menschliches Zutun.

      Langsam näherte sich Gina den Steinen und je dichter sie kam, desto deutlicher kamen die Einzelheiten zur Geltung. Tatsächlich handelte es sich um grob gemeißelte Statuen, die aus Kopf, Korpus, Armen und Beinen bestanden. Die Haltung, die ihnen an gearbeitet war, zeigte deutlich, dass sie sich vor etwas fürchteten und sich dagegen erwehrten.

      Erst jetzt entdeckte Gina das Mädchen, das sich Schutz suchend hinter der letzten Statue auf den Boden kauerte. Sie hatte ihre Arme fest um die Beine geschlungen und schielte ängstlich mit verweinten Augen, die so blau waren wie der strahlende Sommerhimmel, zu Gina hinauf. Sie zitterte am ganzen Körper, sodass ihr Kleid, das aus Rosenblättern gearbeitet war, raschelte. Auf ihrem langen Haar, das in goldenen Locken auf die zierlichen Schultern fiel und ihr Gesicht lieblich umspielten, lag ein Kranz aus bunten Sommerblumen.

      «Hallo. Ich heiße Gina und wer bist du?»

      Da das Mädchen nicht antwortete und eine unangenehme Stille entstand, fragte Gina neugierig weiter: «Was machst du hier? Hast du dich verlaufen?»

      Das Mädchen schüttelte den Kopf.

      «Ich wohne hier», antwortete es scheu.

      «Wie? Du wohnst hier? Hier im Wald?»

      Gina blickte sich ungläubig um.

      « Hier kann man doch nicht wohnen. Wo ist dein zu Hause? Deine Eltern?»

      Das Mädchen lächelte schwach.

      «Der Wald ist meine Heimat.»

      Sie deutete mit einer ausschweifenden Handbewegung um sich.

      «Jeder Baum, jeder Strauch und jedes Blümlein, kurzum die ganze Natur ringsumher ist mein zu Hause.»

      Mit Tränen in den Augen blickte sie die Statuen liebevoll an und fügte traurig hinzu: «Und diese drei Steine sind meine Familie.»

      Andächtig erhob sich das hübsche Mädchen, streichelte der ersten Figur zärtlich übers Gesicht und sagte: «Darf ich vorstellen. Das ist mein älterer Bruder, der Frühling.»

      Sie widmete sich dem nächsten Stein, küsste ihn sacht auf die Wange und sagte: «Das ist Herbst, mein jüngerer Bruder.»

      Zuletzt streichelte sie der dritten Statue sanft übers Haupt und ließ die Hand auf deren Schulter ruhen.

      «Und das ist Winter, meine geliebte Schwester, die Jüngste der Familie.»

      Mit einem eleganten Hofknicks hob sie ihr Rosenkleid leicht an und stellte sich selbst vor: «Gestatten, ich heiße Sommer.»

      3. Kapitel

      Gina verstand das alles nicht. Vor ihr stand leibhaftig der Sommer in Gestalt eines hübschen, aber sehr traurigen Mädchens, das bestimmt nicht viel älter als Gina selbst war. Die roten Augen zeigten deutlich, dass sie viel geweint hatte. Außerdem war ihr verängstigtes Verhalten auffallend, denn wer würde sich schon vor einer Neunjährigen verstecken? Die Geschwister des Mädchens, der Frühling, Herbst und der Winter waren ebenfalls da, aber versteinert. Was hatte das alles zu bedeuten?

      Eine Weile schwieg Gina nachdenklich. Alles zusammen ergab keinen Sinn und gerade deshalb schien eine Sache noch unverständlicher, darum fragte sie: «Warum bist du noch hier? Es müsste längst Herbst sein und dein Bruder sollte die Blätter der dicken Bäume hier zum Fallen bringen?»

      Um ihre Worte zu unterstreichen, klatschte sie mit der flachen Hand auf die alte Eiche, die neben ihr stand.

      Das Mädchen nickte bedächtig und ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen.

      «Er ist nicht da. Alle... alle sind sie weg.»

      Ihr Blick hing an den drei Statuen, während sie weitersprach: «Nur ich bin noch da. Mich haben sie nicht mitgenommen. Ich musste hier bleiben, denn ohne mich, würde die Welt in Dunkelheit und Kälte versinken.»

      Schweigend setzte sich Gina auf den Moos bewachsenen Waldboden und hörte dem Mädchen gespannt zu.

      Leise sprach Sommer weiter: «Ich wollte mit... habe mich an meine Geschwister geklammert, aber die gemeinen Männer stießen mich weg... traten mich mit den Füßen und sagten, ich müsse hier bleiben...».

      Sie senkte ihren Kopf und flüsterte: «Sie haben recht. Ihr braucht mich, denn ohne Sonne kein Licht, ohne Licht keine Pflanzen, ohne Pflanzen keine Tiere und Menschen. Ihr würdet sterben.»

      Wütend sprang Gina auf und schrie: «Wer sind die Kerle? Warum haben sie das getan? Ich verstehe das nicht.»

      Aufgebracht marschierte sie auf und ab und versuchte hinter das Geheimnis des Geschehenen zu kommen.

      «Ich weiß es nicht», seufzte Sommer.

      «Ich weiß nur, dass sie vor etwa drei Monaten plötzlich da standen. Sie tauchten wie aus dem Nichts auf – drei große, fürchterlich drein blickende Männer. Sie trugen grüne Gewänder und besaßen Waffen, wie man sie beim Jagen oft benutzt – keine Gewehre, sondern Pfeil und Bogen und scharfe Jagdmesser, die in der Sonne blitzten, als sie uns damit bedrohten. Ehe wir wussten, wie uns geschah, hatten sie uns überwältigt und gefesselt.

      «Du Narr! Das ist Sommer, die bleibt hier!», hatte einer zu dem gesagt, der mich und meine Schwester festhielt. Er schleuderten mich in die Büsche und als ich mich wieder aufgerappelt hatte, waren sie weg.»

      «Weg? Wohin weg? Wo sind sie hingegangen?», fragte Gina ungehalten.

      Sie atmete heftig vor Wut.

      «Ich weiß nicht, wohin sie gegangen sind... Ich weiß nur, dass ich sie dort, wie durch Zauberhand, verschwinden sah. Zurück blieben diese drei Statuen.»

      Das Mädchen deutete auf die grauen Geschwister-Felsen.

      Gina trat näher an die Steine heran und während ihre Finger aufmerksam über die raue Oberfläche glitten, war ihr selbst nicht klar, wonach sie eigentlich suchte. Es fand sich nicht der kleinste Hebel oder Schalter, der ein Geheimfach hätte öffnen können und somit einen Blick in das Innere der Statuen ermöglicht hätte. Immer und immer wieder schritt sie um die Steine herum, fand jedoch keinen brauchbarer Hinweis, was mit den restlichen Gezeiten passiert war.

      «Gina, es ist vergebens. Tag für Tag stehe ich davor und suche nach einer Möglichkeit meinen Geschwistern zu folgen. Aber es gelingt mir nicht.»

      Sommer zuckte resigniert mit den Schultern, ließ sich erschöpft und müde zwischen den Felsen nieder und begann leise zu weinen.

      4. Kapitel

      Zur selben Zeit in Autum, dem Reich des mächtigen Grafen von Eberstein, rannte ein schmächtiger Junge, bedeckt mit einer gelb-roten Laubhose, behände die scharfen Steine des Donnerbergs hinauf, gleich so als würde er vom Wind getragen.

      Gehetzt wie ein wildes Tier, hüpfte er leichtfüßig von einem Fels zum Nächsten, im Zick-Zack-Kurs die steile Bergwand hinauf.

      Seine kupferfarbenen, bis zu den Schultern reichenden Haare wehten ihm ins Gesicht, als er zurückblickte, um zu sehen, wie dicht ihm seine Verfolger auf den Fersen waren.

      Sie trugen leichte Rüstungen, waren mit Schwert und Armbrust bewaffnet und folgten dem Entflohenen keuchend, knurrend und mit bitterbösem Blick, um ihn auf die Burg Eberstein zurückzubringen, von der er geflohen war.

      Dort herrschte