Als Ergebnis von ein wenig Nachdenken können wir erkennen, dass der Wert von Gütern wie Fallen und Fässern von ihrer Fähigkeit stammt, Güter zu produzieren, die direkte Befriedigung bringen. Rich schätzt die Falle wegen der Ratten und das Fass wegen des Wasserkochens.
Carl Menger bezeichnete Güter, die Unzufriedenheit direkt befriedigen, wie etwa Wasser oder Essen, als Güter erster Ordnung. Sie können auch Konsumgüter genannt werden. Güter, deren Wert von ihrer Hilfe bei der Herstellung von Gütern erster Ordnung stammt, wie etwa Fallen und Fässer, werden Güter höherer Ordnung genannt, Produktionsgüter oder Kapitalgüter. Man beachte, dass diese Unterscheidung nicht in den Gütern selbst existiert, sondern im menschlichen Denken und Planen. Wenn ich Fässer als Kunstgegenstände sammle, dann sind sie für mich Konsumgüter. Wenn ich einen Supermarkt besitze, dann sind die Lebensmittel in den Regalen für mich Produktionsgüter. Wie es der Österreichische Ökonom Ludwig Lachmann in seinem Werk Das Kapital und seine Struktur ausgedrückt hat:
„Das Konzept des Kapitals […] hat keine messbare Entsprechung unter den körperlichen Objekten; es spiegelt den unternehmerischen Zugang zu solchen Objekten wider. Bierfässer und Schmelzöfen, Hafeninfrastruktur und Hoteleinrichtungen gehören nicht kraft ihrer physikalischen Eigenschaften zum Kapital sondern kraft ihrer ökonomischen Funktionen.“
Als sich Rich entschieden hat, Güter höherer Ordnung herzustellen, hat er mit Sparen begonnen. Sparen lässt sich definieren als die Entscheidung, Handlungen für Bedürfnisbefriedigung in der Zukunft durchzuführen, obwohl sofortige Bedürfnisbefriedigungen auch verfügbar wären.
Die Güter höherer Ordnung, die Rich durch Sparen ansammelt, machen seinen Kapitalbestand aus. Irgendwann stellen wir fest, dass er fünf Fallen und zwei Fässer hat. Im Moment gibt es noch keine Möglichkeit, Richs Kapitalgüter anders als durch eine Auflistung aller Posten darzustellen. Wir können Fässer und Fallen nicht summieren. Der Wert, den Rich ihnen beimisst, ist subjektiv. Wir haben keinerlei Maßband, Messgerät oder Stoppuhr, womit wir das Ausmaß seiner Befriedigung messen könnten. In Wirklichkeit besteht der Wert dieser Kapitalgüter in dem, was Rich als ihren Wert zur Befriedigung zukünftiger ungewisser Bedürfnisse einschätzt. Selbst wenn wir ein „Satisfaktometer“ an Rich anschließen und feststellen könnten, wie intensiv er gewisse Befriedigungen empfindet, würde das nicht das Problem lösen, mit dem Rich im Moment der Entscheidung konfrontiert ist: Er muss einschätzen, wie viel Befriedigung seine Wahl einem „Rich in der Zukunft“ bringen wird, dessen Wissen und Geschmack dem „Rich in der Gegenwart“ nicht bekannt sind und der in einer Welt leben wird, die für „Rich in der Gegenwart“ mit Unsicherheit erfüllt ist.
Während seiner Bemühungen, Fallen und Fässer herzustellen, könnte Rich feststellen, dass es nützlich wäre, einen Hammer, eine Säge und Nägel zu haben. Er macht sich daran, sie herzustellen. Jetzt arbeitet Rich an Gütern, die zwei Ordnungen vom Konsum entfernt sind [Güter dritter Ordnung statt Güter erster Ordnung – Konsumgüter, Anm. d. Übersetzers]. Er wird den Hammer, die Säge und die Nägel wegen der Hilfe schätzen, die sie ihm bei der Herstellung von Fallen und Fässern gewähren. Alle Güter höherer Ordnung leiten ihren Wert von den Gütern der nächstniedrigen Ordnung ab, bei deren Herstellung sie helfen. Letzten Endes ist jedes Produktionsgut nur deshalb wertvoll, weil es am Ende ein oder mehrere Konsumgüter ergibt.
Diese Abhängigkeit lässt sich illustrieren, indem man bedenkt, was passiert, wenn sich Richs Bewertung eines Konsumgutes ändert. Vielleicht entdeckt Rich, dass die Ratten auf der Insel verseucht sind und es schädlich ist, sie zu essen. Rich wird die Ratten nicht länger hoch schätzen. So lange es für Rich keine andere Verwendung für die Fallen gibt, werden sie ihren Wert ebenso verlieren. Rich wird nicht länger dazu bereit sein, irgendetwas zu opfern, um mehr Fallen zu erhalten, und er wird sich nicht mehr darum kümmern, was mit denen geschieht, die er bereits gemacht hat (Natürlich könnten sie einen Teil ihres Wertes behalten, wenn er eine andere Verwendung für die Fallen findet – als Feuerholz zum Beispiel).
Eine interessante Frage stellt sich, wenn wir die Bewertung von Gütern höherer Ordnung betrachten. Sagen wir, dass Rich ohne die Hilfe von Fallen vier Ratten pro Tag fangen kann. Mit den Fallen hofft er, acht am Tag zu fangen. Betrachtet man den Produktivitätsvorteil durch die Fallen gegenüber dem Rattenfangen mit der Hand als gegeben, warum verwendet Rich dann nicht 100 Prozent seiner Arbeitszeit für die Fallenherstellung?
Die erste Antwort, die einem in den Sinn kommt, ist, dass er bei diesem Arbeitsprogramm verhungert. Sparen für die Zukunft, das auf einer Einschränkung des Konsums unterhalb des Existenzminimums beruht, ist nicht sinnvoll – außer jemand spart nur für die Erben! Trotzdem können wir uns vorstellen, dass Rich mit nur zwei Ratten pro Tag auskommen kann, wenn es auch etwas unbequem wird. Warum verschiebt er nicht allen Konsum oberhalb des Existenzminimums um zu sparen?
Überall um uns herum, jeden Tag, konsumieren Menschen weit mehr als sie zum Überleben brauchen und sparen daher wesentlich weniger als sie könnten. Wir wissen jedoch alle, dass Sparen der Weg zu Reichtum ist. Warum leben die Tophändler an der Wall Street nicht in winzigen Bretterbuden, essen Bohnen aus der Dose und fahren mit alten Fahrrädern zum Bahnhof? Warum geben sich Hollywoodstars verrückten Einkaufsorgien hin und verbringen Zeit in hippen Luxusabsteigen? Sollten sie nicht als Arme leben, um jeden Penny zu sparen, den sie erübrigen können?
Die Frage suggeriert bereits die Antwort. Es wäre eine seltsame Welt, in der Menschen ungeheuer hart arbeiten, damit sie für einen zukünftigen Konsum sparen könnten – den sie trotzdem nie genießen, denn wenn diese Zukunft kommt, sparen sie bereits für den Konsum in einer noch weiter entfernten Zukunft. Es wäre eine Spiegelwelt, wie sie die Rote Queen aus „Alice im Wunderland“ beschreibt: Marmelade morgen und Marmelade gestern, aber niemals Marmelade heute (in Wirklichkeit hätte es dann auch gestern keine Marmelade gegeben).
Menschen können nur in der Gegenwart konsumieren. Es ist unsere gegenwärtige Unzufriedenheit, die nach Befriedigung verlangt. Es ist die Gegenwart, in der wir Schmerz und Freude erfahren. Sparen im Interesse eines in die Unendlichkeit verschobenen Konsums ist überhaupt kein Sparen – es ist ein reiner Verlust.
Jetzt müssen wir der anderen Seite der Sparfrage ins Angesicht blicken – wenn wir nur in der Gegenwart konsumieren können, warum spart dann überhaupt jemand? Die Antwort lautet, dass wir zwar nicht in der Zukunft konsumieren, es uns aber vorstellen können. Wir können uns ausmalen, dass wir in dieser Zukunft ebenso Unzufriedenheit erleiden werden und dass wir sie werden lindern wollen. Darüber hinaus können wir uns vorstellen, dass ein ausreichend hoher Zufriedenheitsgrad an einem Tag in der Zukunft uns Kompensation für zusätzliche Unzufriedenheit heute geben wird.
Der Schlüssel zum Verständnis des Sparens liegt in der Erkenntnis, dass die Vorstellung von Unzufriedenheit in der Zukunft selbst eine Quelle gegenwärtiger Beunruhigung ist. Der Gedanke, dass ich nächste Woche verhungern könnte, ist verstörend. Ich kann dieses Gefühl durch Sparen mildern. Aber wenn ich in der Gefahr bin, heute zu verhungern, dann wird es mir nicht so dringend scheinen, meine Sorge über einen Hungertod nächste Woche zum Verstummen zu bringen. Wichtiger wird es sein, auf der Stelle etwas Essen zu besorgen. Die Befriedigung durch das Wissen, dass ich Vorsorge für das Essen nächste Woche getroffen habe ist verschwindend gering verglichen mit dem Unwohlsein über das Wissen, dass ich zur Abendessenszeit tot sein werde.
Analog dazu ist die Vorstellung zukünftiger Befriedigung ihrerseits selbst eine Quelle gegenwärtiger Befriedigung. Eine Schwimmerin, die für eine olympische Goldmedaille trainiert, hält sich selbst durch die Vorstellung bei Laune, wie sie sich fühlen wird, wenn sie den Beckenrand zuerst berührt. Wenn wir kein Gefühl für diese zukünftigen Schmerzen und Freuden in unseren gegenwärtigen Überlegungen berücksichtigten, dann hätten wir keine Möglichkeit, unsere Handlungen auf diese Zukunft auszurichten.
Das Ausmaß, bis zu dem ein Individuum sparen wird, lässt sich durch seine Zeitpräferenz erklären. Dieser Begriff beschreibt