Unbewältigte Vergangenheit. Henry Kahesch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Kahesch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738007732
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vor mich hin, wollte sie auf diese Art darauf aufmerksam machen. Sie jedoch schauten durch mich hindurch, ignorierten es. Plötzlich kam es mir wie ein Traum vor. Dann ging ich einfach weiter, wortlos!“

      Degoth reagierte jetzt etwas unwirsch: „Warum haben sie denn nicht nachgehakt? Es wäre in diesem Augenblick, zumindest aus jetziger Sicht betrachtet, so wichtig gewesen? Wie heißen sie eigentlich?

      „Raimund“, hörte er ihn nun etwas unverständlich plappern.

      „Aha!“, brummte Degoth!

      Zu mehr war er in dem Augenblick nicht fähig. Doch bloß eine kurze Weile. Er konnte es schließlich doch nicht auf sich beruhen lassen und hakte nach: „Haben sie noch andere Hinweise in der Sache?“ Seine hohe Stirn legte sich jetzt, so ungeduldig wurde er, in Falten.

      „Ja. Zwei Männer standen in unmittelbarer Nähe, nicht weit weg von einem Boot. Ziemlich aufgeregt unterhielten sie sich. Hatte den Eindruck, dass ihre Blicke voller Zorn waren. Dann stiegen sie unvermittelt in eines der Boote, ich glaube es war ein Schnellboot und verschwanden auf der Ostsee, Richtung Nationalpark Jasmund. Bestimmt kennen sie die Kante! Dort wo die berühmten Kreidefelsen sind?“

      „Ja, haben wir inzwischen schon erkundet“, erwiderte Degoth. „Und das war die ganze Story oder gab es noch weitere Anhaltspunkte?“, fügte er dann doch neugierig an.

      „Hier endet die Geschichte, aber es verfolgt mich seit dem. Mit Grauen denke ich daran.“

      Der Unbekannte, der sich Raimund nannte, drehte sich um und ging wortlos weiter. Degoth und seine Frau schauten ihm irritiert nach! Jetzt schaltete sich Chantal ein, die davor bloß Zuhörerin war. „Hast du die drei Narben am rechten Oberarm gesehen? Sahen aus als wären sie durch feine Messerschnitte entstanden“. Degoth nickte, maß aber der Sache keine besondere Bedeutung zu.

      Den Wagen Scholtyseks, der auf dem Weg nach Bergen fuhr, sahen sie bloß noch aus der Ferne. Sie nahmen währenddessen den Pfad zurück zur Kurpromenade. Unheimlich war ihnen schon, doch nun hatte Degoth sich entschieden. Sein Wort halten, war ihm immer wichtig. Was war, wenn sie beobachtet würden? Immerhin war da der Fremde, der sie ansprach. Dann gab es den dubiosen Kellner. Steckten die vielleicht doch gemeinsam unter einer Decke? Während sie durch die Seitenstraße flanierten überdachte Degoth diese Situationen erneut. Er wollte zumindest innerlich Klarheit haben, wenn in wenigen Stunden das Treffen mit dem Polizeichef stattfand. Und dazu musste er, so weit möglich, korrekte Informationen bieten. Chantal warf ständig ihre Blicke in die Schaufenster. Es war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Danach fassten sie einen Besuch in der Eisdiele, unweit der Ecke neben dem Hotel Marina, ins Auge. Seine Blicke schweiften unruhig umher. Dann, siehe da, wie der Zufall es will, stand in nicht allzu weiter Ferne, der besagte Kellner. Diesmal war der Fremde vom Strand wieder dabei. Genau an der Ecke, wo es zur Landungsbrücke ging. Vielleicht hundert Meter von ihnen. Schätzte er! Auf deren linken Seite konnte er bereits die Bootsanlegeplätze erkennen.

      „Die werden doch nicht .....?“, schwirrte es ihm durch den Kopf“, das Weite suchen. Ist es vielleicht ein Fluchtweg und ihr Schnellboot liegt dort? Oder werden auf dem Wasserweg irgendwelche Transporte mit Ha..... und ....oder ...........gesteuert?“

      Plötzlich war er atemlos und musste seine Gedanken zügeln, so nah ging es ihm, den Faden weiter zu spinnen! Chantal war einige Meter weitergelaufen. Die beiden Kerle sah er derweil auf die Landungsbrücke laufen. Verdammt eilig hatten sie es, in der Tat. Das konnte er deutlich ausmachen.

      Gestern hatte Meurer mit seinen Leuten die beiden Banden auseinander gescheucht. Dabei sechs Kerle dingfest gemacht. Aber Heller, sein Chef, sah es kommen: sie mussten sie wieder freilassen. Da lag erstens nichts gegen sie vor. Und Landfriedensbruch war auch nicht nachzuweisen. Dazu kam, dass beide Gruppen sich angeblich nur aus Jux und Tollerei so arg geprügelt hätten. Und schließlich stellte sich heraus, dass es weder Schwerverletzte noch einen Toten gab. „Also“, sagte Fritz Meurer zu KHK Heller, „daran glaube ich zwar nicht, aber der Herr Staatsanwalt Scharnowski lehnte ab sie in U – Haft zu stecken. Ob das klug war? Vielleicht sollte ich ein Gedächtnisprotokoll schreiben.“

      Er griff nach seinem Laptop und begann ziemlich flott seine Gedanken über die gestrigen Vorfälle und die heutige Ablehnung des Staatsanwalts, ein U –Haftbefehl auszustellen, zu formulieren.

      „Ich bezweifle es zwar auch“, stellte Heller lapidar fest, „aber das ist nun mal der Weg. Doch eins sollten wir tun: sie wegen Ruhestörung und öffentlichem Ärgernis, zur Rechenschaft ziehen.

      Inzwischen sah Degoth, dass die Beiden in der Tat in ein Schnellboot einstiegen. Zu gerne hätte er gewusst, wohin die Fahrt geht. Er hatte es noch nicht zu Ende gedacht, da waren sie auch schon auf dem Meer verschwunden. Nachdem sie ihren Schaufensterbummel beendeten, nahmen sie den Weg zurück zur Strandpromenade. Seiner Frau, um sie nicht unnötig zu beunruhigen, erzählte er von seiner zuvor gemachten Beobachtung kein Sterbenswörtchen. Wie zufällig lief er, sie in den Arm nehmend, auf die Landungsbrücke. Von dessen Stelle wenige Minuten zuvor sich die Kerle im Schnellboot auf und davon machten. Gerade wollte Chantal eine Kehrtwende machen, den Weg wieder zur Uferpromenade nehmen, als Michel sie am Arm festhielt. Sie spürte seine Anspannung während er sagte: „Lass uns mal über den Steg laufen. Was meinst du?“

      Seinen eigentlichen Grund dies zu tun, verheimlichte er geflissentlich. Sie nickte stumm, es schien sie nicht sonderlich zu beeindrucken. Gedankenversunken schaute sie über das Meer! Es bedeutete ihr in dem Moment mehr, als die stummen Ausblicke hinüber zu den Booten. Michel Degoth konnte es nicht lassen und inspizierte derweil die Stelle, von der das Schnellboot vor wenigen Minuten ablegte. Wie ein Roboterkopf drehte sich sein Hals und geheimnisvoll notierte er sich die Liegenummern. Er leistete Vorarbeit für die Polizei.

      „Für alle Fälle, Scholtysek wird es sicher verwenden können“, ging es ihm in den Sinn! Und noch immer war er in Harnisch ob seiner Unzulänglichkeit. Warum spurtete er nicht sofort los und ...?

      Aber es war geschehen. Die Frage, wohin die Männer gefahren sein könnten, beschäftigten ihn unaufhaltsam. „Das wäre es doch gewesen“, meinte er. Die Brüder gleich zu stellen. Er wusste, dass es surreal war. Denn erstens war er kein Polizist und zweitens besaß er keine Waffe. Er war also gar nicht befugt einzugreifen. Überdies war unklar ob die Burschen mit dem Fund in Zusammenhang gebracht werden konnten. Das musste er endgültig kapieren! Vorsichtig musste er sein, durfte nicht übers Ziel hinausschießen. Trotzdem blieb er am Ball und suggerierte sich, nach dem Motto: Sicher ist sicher, dass das überaus verdächtige Verhalten der Beiden und der Fund des Skeletts unter der Seebrücke, einfach kein Zufall sein konnte. In jedem Falle hatten es die Kerle verdammt geschickt angestellt, denn bei dem Trubel hier ging vieles unter. Sich unauffällig aus dem Staub zu machen wäre kein dummer Weg. Glaubte er. Mit einem Blick auf seine Uhr stellte er fest, dass die Zeit verdammt schnell zerrann. Der Kriminaloberrat musste bald auf der Matte stehen.

      „Also, höchste Eisenbahn, dass wir hoch zum Restaurant gehen. In wenigen Minuten wird Scholtysek eintreffen.“ Chantal schaute ihn irritiert an und erwiderte: „Wie bitte?“

      Mit ihren Gedanken war sie am anderen Ende der Welt. Weit übers Meer der Ostsee hinaus. Michels Spürnase stand derweil wieder auf Geruchssinn. Wie immer, wenn er einen Fall im Auge hatte gab es nichts Wichtigeres! Das wusste sie, deshalb machte sie auch ihr autogenes Training um sich abzureagieren! Der Ausblick auf die Ostsee kam dafür gerade recht. In Gedanken nur bei dem Fall, lief er wie in Trance neben Chantal. Erst als sie sich bei ihm zärtlich einhakte, war er wieder zurück in der Realität. Vor dem Restaurant stand bereits der Rügener Polizeichef. Ein weiterer Herr dabei.

      „Darf ich ihnen Kriminalhauptkommissar Heller vorstellen? Er ist einer der leitenden Offiziere und wird diesen Fall übernehmen.“

      Denn dass es ein Fall ist, davon ging der KOR bereits aus.

      „So ist er später in der Lage seine Kollegen punktgenau zu präparieren.“

      „Angenehm Herr Heller. Mein Name ist Degoth. Das ist meine Frau.“ Dabei zeigte er auf Chantal,

      als wäre sie ein Gegenstand. Doch die sah es, wie immer,