„Na du weißt schon .... Dein klitzekleines Problem!“
„Sabine! – vermagst du dir das Vorstellen, – ich habe schlechte Laune, tu mir den Gefallen und verschlechtere sie nicht noch mehr!“
„Kein Wunder das sich keiner zu dir setzen mag – hoffentlich ist deine schlechte Laune nicht ansteckend!“ Dabei grinste Sabine sie sehr frech an.
„Möchtest du es austesten?“
„Nein – bitte nicht ...“, aus der kleinen Tasche, die sie quer über die Schulter trug, nahm sie einen kleinen zusammengefalteten Zettel. Mit erhabener Geste reichte sie ihn Jessica, die ihn verwirrt anstarrte.
„Nun fass schon zu! Da stehen Vorschläge für Tanjas Wichtelpaket drauf!“
Sie war ein Schatz!
Ehrfürchtig griff sie nach dem Zettel. Ihr Blick wanderte von ihrer Hand zu Sabines Augen. Und ob sie wollte oder nicht, ein dankbares warmes Lächeln glitt über ihr Gesicht.
„Huch – was war das?“ Sabine fuhr erstaunt ein Stück zurück.
„Was war was?“ Immer noch ein wenig glückselig betrachtete sie den Zettel.
„Dieses Lächeln! Du hast gelächelt! Oh – ich bin ja völlig perplex!“
Ein wenig schmollend verzog Jessica den Mund. „Reg dich nie wieder über meinen Sarkasmus auf.“
Wie einen Schatz steckte sie den Zettel in ihren Geldbeutel.
„Willst du nicht sehen, was drauf steht?“
„Sicher nicht, darum kümmere ich mich zu Hause. Ich hoffe, man kann es online bestellen. Mit Sofortlieferung. Dann ist alles gut.“ Sie grinste zufrieden.
„Na, dein Wort in den da oben sein Ohr ...“, dabei zeigte sie mit dem Finger nach oben. „Die Päckchen müssen spätestens am Nikolaustag früh abgegeben werden. Denk dran, es ist schon in zwei Tagen.“ Wie eine kleine Weihnachtsfee warf sie Jessica ein keckes Lächeln zu und lief wieder aus der Cafeteria.
Mit einem Mal war sie sich ihrer Umgebung wieder bewusst. Die leise Weihnachtsmusik, der Duft von frischen Keksen. Sie kam sich vor, wie zuhause. Gemütlich am Küchentisch bei ihrer Mutter sitzend, sie steht vor ihr am Tisch und sticht Kekse aus, sie hat eine Tasse heißen Kakao in der Hand. Ein kurzes Gefühl von innerer Wärme machte sich in ihrem Bauch breit. Dann plötzlich saß sie in der Kirche und konnte Marco sehen, wie er ebendieses andere Mädchen im Arm hielt. Und sofort verflüchtigte sich diese herrliche Gefühlsregung. Dafür dehnte sich eine kalte Beklemmung in ihrem Herzen aus. Alle alten Zweifel krochen aus ihren Löchern, wie die Regenwürmer auf einem überspülten Feld. Ein Schauer huschte über ihren Nacken, den Rücken hinab, Gänsehaut bildete sich und hinterließ ein ungutes Gefühl.
So eine dämliche Zeit. Sie hasste Weihnachten.
Immer noch.
4. Dezember – Luke
Irgendwo in einer mittleren Großstadt in Deutschland
Sein Pickup ragte, wie ein großer dunkler Bär, über die kleineren schnellen Schlitten der Städter. Flache tiefergelegte Wagen, aus denen man entweder nur mit Hebekran herauskam oder nur seitwärts herausgleiten konnte. Für seine Körperstatur auf keinen Fall zugänglich.
Nachsichtig schmunzelte er immer, wenn er an einer Ampel in die Wagen neben sich blicken konnte.
Entweder saßen dort Anzugsträger, die ihn so oder so suspekt waren (wie kann man sich in solch einem Aufzug wohlfühlen?) oder Männer mit rosa Hemden und einen Pullunder über die Schultern drapiert. Was sie damit zum Ausdruck bringen wollten, konnte er nicht nachvollziehen.
Er saß in ausgewaschenen Jeans und einem T-Shirt hinter dem Lenkrad. Seine gefütterte Lederjacke lag neben ihm auf dem Beifahrersitz. Die brauchte er erst, wenn er ausstieg. Immerhin konnte er schlecht als Naturbursche, hier rumlaufen wie zuhause.
Das gestrige Frühstück mit seiner Mutter verlief sehr entspannt, sie haben sich beide sehr zurückgenommen. Schließlich hatten sie den Weihnachtsfrieden einberufen. Beide würden bis zum Heilig Abend nicht mehr über die Reizthemen sprechen. Gott sei Dank.
Er hatte ihr nur noch das Versprechen abgenommen, sich sehr zu schonen und auf das zu hören, was Rita und ihre Eltern ihr sagten. Natürlich hoffte er, dass sie sich einfach alle etwas zusammenrissen.
Seitdem Rita wusste, dass er in die Stadt fuhr, hatte sie ihm gleich eine ellenlange Liste an Weihnachtsgeschenkmöglichkeiten mitgegeben. Nur zur Vorsicht.
Heute früh hatte er mit Markus telefoniert und sich mit ihm in seinem Büro verabredet. Nach dem Prinzip, zuerst die Arbeit – dann das Vergnügen. Markus und er verbrachten den Rest des Tages in einem kleinen aber netten Restaurant. Auch wenn er nicht gern in der Stadt war, das war eindeutig einer der Vorzüge davon.
Er bog mit seinem Wagen auf den Firmenparkplatz, stellte ihn provozierend neben Markus seinen flachen Ferrari und lächelte bei dem Anblick. Seine Jacke überwerfend machte er sich auf - in die Höhle des Löwen.
„Ein Navi oder eine Uhr?“ Während er das Büro betrat, kam ihm Markus mit dieser Frage entgegen.
Mit einem zusammengekniffenen Auge, hochgezogener Augenbraue und leicht zur Seite gedrehten Oberkörper sah er ihm entgegen. Er fragte jedoch nicht nach. Den Gefallen, auf seine Flachwitze einzugehen, wollte er ihm nicht tun. So wartete er einfach ab.
„Sag schon! Navi oder Uhr?“ Markus hasste es, wenn man ihm den Ball nicht zurückschoss. Aber hatte er etwas anders erwartet? Luke halt.
Ergeben hob er die Arme. „Schon gut – du hast gewonnen!“ Damit drehte er sich auf der Stelle um und ging zu seinem Schreibtisch.
Bevor er in seinem Raum verschwand, rief er seiner Sekretärin zu „Zwei Kaffee. Einen mit Milch und Zucker – den anderen barbarisch schwarz!“
Luke zwinkerte der Sekretärin verschwörerisch zu, sein, „damit der Löffel aber auch schön drinnen steht“, erwiderte sie mit einem breiten Grinsen.
„So ... und nun erkläre mir doch mal – wie war das mit meinen Unterlagen?“
Nach ungefähr einer Stunde hatten sie die Anlagestrategien durchgearbeitet und die, auf seltsame Art und Weise, verschwundenen Unterschriften ersetzt. Zufrieden mit der schnellen Erledigung, machten sie sich auf den Weg zu ihrem Stammlokal.
Noch spät am Nachmittag saßen sie gemütlich in dem Restaurant, sprachen gerade über verzwickte Anlagetechniken, waren absolut in dem Thema gefangen. Als sie durch einen hohen, zu entzückten, Schrei aus ihrer Finanzwelt herausgeholt wurden. Leicht verwirrt schauten sie sich um, in dem Moment erhellte sich auch schon Markus Gesicht und er stand auf. Die Arme weit ausgebreitet, lief eine große blonde Schönheit hinein.
„Welch reizende Überraschung! Mit dir hätte ich heute hier allerdings nicht gerechnet!“ Die blonde Schönheit verzog schmollend den Mund und hauchte ihm einen kleinen Kuss auf die Wange.
„Das gebe ich gerne zurück ... Dich hier zu treffen, um die Uhrzeit!“ Dabei schaute sie theatralisch auf die große Uhr nahe der Bar.
„Wie du siehst - ich bin immer für eine Überraschung gut!“ Er lenkte ihre Aufmerksamkeit auf Luke.
„Tanja, Schätzchen – darf ich dir meinen langjährigen Freund und Kunden vorstellen? Luke Maier. Luke, das ist Tanja Triemer, sie arbeitet in einer Marketingfirma gleich um die Ecke. Tanja – Luke. Luke – Tanja. Den Rest dürft ihr selbst übernehmen!“ Er bewegte sich leicht zur Seite. „Möchtest du dich zu uns setzen?“
„Würde ich liebend gern, aber ich habe leider selbst ein Date hier. Vielleicht sehen wir uns später!“
Zu Luke gewandt, „Ich würde mich freuen, wenn wir uns wiedersehen.“ Tanja zwinkerte verschwörerisch Luke zu. Der immer noch kein Wort gesagt hatte. Diese Frau hatte