Sternenstaub. Juliane Kroos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Juliane Kroos
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742719508
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hing. Abends setzte er sich für ein bis zwei Stunden rauf und radelte seine Energie zu Strom, welcher unzählige Lampen in seinem Haus speiste, welche wiederum Tomatenpflanzen, die er feinsäuberlich heranzüchtete, speiste. Mit den Tomaten, die äußert gut bei ihm gediehen, betrieb er Tauschhandel. Geld begann auf Eisland seinen Wert zu verlieren. Die Leute schienen sich wieder auf die alten Tauschgeschäfte zu besinnen. Tomaten gegen Brennholz. Leberwurst gegen einen Schluck heißen Wein. Eine Umarmung für ein freundliches Lächeln.

      Unzählige Leute tummelten sich am Wasserfall Skorfoss unter dem Lichtball, der noch immer am Himmel schwebte. Emil Siegfriedsson wühlte sich durch die Menschenmenge und fragte einige Personen was passiert sei und ob er schon etwas verpasst hatte. Nichts außer das, antworteten die anderen Eisländer.

      Es dauerte keine Stunde seit dem Erscheinen der Lichtkugel am Himmel bis ein Reporterteam vor Ort das Ereignis auf all die wenige Mattscheiben in die Ländern der Dunkelheit als Liveschalte gesendet hatte. Die Leute trafen sich in den paar Haushalten, die einen Fernseher besaßen, kauerten sich in großen Trauben in den viel zu kleinen Räumen zusammen und hofften etwas zu erfahren, dass ihrer Lage hoffentlich ein Ende bereitete.

      Es dauerte noch weitere dreißig Minuten ehe eine Stimme vom Himmel, geradewegs aus dem Lichtball heraus, ertönte. Mit einem Mal war das Gemurmel und Getuschel der versammelten Eisländer am Boden erloschen. Es war mucksmäuschenstill. Ebenso vor den Flimmerkisten.

      „Ich bin Miosanctus. Ich komme aus Steppenland zu euch.“

      Die Intensität des Lichtballs nahm ein wenig ab und als Emil Siegfriedsson seine Augen ein bisschen zukniff, konnte er so etwas wie eine fliegende Untertasse, was man gemeinhin als Ufo bezeichnen würde, ausmachen.

      „Wir haben in der Mauer ein Schlupfloch zu euch entdeckt.“ Sprach die Stimme weiter.

      „Wo ist dieses Schlupfloch?“ Schrien nun einige Eisländer aufgewühlt zum Himmel hinauf.

      Die Stimme ging auf die Fragen nicht ein, sondern sprach weiter. „Wir wissen nicht welche unheiligen Mächte hier am Werk sind, daher sind wir so vorsichtig wie möglich.“

      „Ist es bei euch auf der anderen Seite auch dunkel?“ Rief nun jemand anderes hoch.

      Auch das schien die Stimme zu überhören. „Wir versuchen euch zu helfen, soweit es uns möglich ist und wir so wenig Menschen wie möglich in Gefahr bringen. Wir bringen euch Nahrung, so viel der Stauraum unseres Flugzeugs zulässt.“ In jenem Moment öffnete sich an der Unterseite des Flugobjekts eine Klappe und entließ riesige Pakete, welche wie kleine Heißluftballons zu Boden schwebten. Die Stimme erlosch und das Licht wurde erneut greller, dann war die Kugel am Himmel wieder verschwunden.

      Zunächst standen die Eisländer vor Verwunderung da und rührten sich nicht. Doch als das erste Paket den Boden berührte, liefen sie ungehalten darauf zu und rissen die Verpackung runter.

      „STOOOPP!“ Rief Emil Siegfriedsson laut ins Getümmel und die Eisländer stoppten. „Mit Bedacht, meine Freunde.“ Sagte er und die Eisländer nickten. Mit Bedacht packten sie nun die Pakete aus und sortierten die ihnen geschenkte Nahrung. Mehrere Haufen Reis, mehrere Haufen Mehl, mehrere Säcke Obst und Gemüse und mehrere Säcke Fleisch. Eine Ration behielten sie für sich, den Rest verschickten sie mit Booten in die weiten Teile der Dunkelheit, obwohl es weder ganz für sie noch für die anderen reichte.

      Der Lichtball, in dem sich scheinbar ein Flugobjekt befand, tauchte nun in regelmäßigen Abständen am Himmel beim Skorfoss auf – nirgendwo anders in den Landen der Dunkelheit – und brachte Lebensmittel zum Geschenk. Das Aufeinandertreffen fand immer so oder so ähnlich wie beim ersten Mal statt.

      Robinia in Borelien hatte einen Entschluss gefasst. Sie würde zu dem Bruder ihrer Großmutter, Emil Siegfriedsson, nach Eisland aufbrechen. Da der Lichtball immer nur in Eisland am Skorfoss auftauchte, musste sich da in der Nähe wohl irgendwo dieses Schlupfloch befinden.

      Kapitel 4

      Aufbruch,

      Borelien

      Robinia packte einige wenige Kleidungsstücke in ihren Rucksack, nahm sich aus dem Vorratsraum ein bisschen Proviant für die Reise mit und entschied sich dafür, beim Blick in die Familiensparkasse, nur zehn Goldmarkmünzen einzustecken. Das restliche Geld würde weder für ein Eisenbahnticket nach Rastoku noch für die Fähre nach Eisland reichen. Ihrer Familie die Reserven wegnehmen, wollte sie nicht. Es würden sich bestimmt Möglichkeiten auf dem Weg ergeben, dachte sie sich.

      Bevor sie sich davon trollte, schaute sie ein letztes Mal in den Spiegel, der sich neben der Haustür befand. Ihre Großmutter hatte die Marotte entwickelt jedes Mal bevor sie die Wohnung verließ einen Blick auf ihr Äußeres zu werfen. Schließlich war sie das Aushängeschild für ihr Unternehmen gewesen. „Wenn ich adrett aussehe, werden unsere Kunden dasselbe von unseren Erzeugnissen denken.“ Hatte sie immer gesagt.

      Nun betrachtete Robinia sich im Spiegel. Adrett war nicht das richtige Wort mit dem sie sich beschrieben hätte. Aber sie wollte ja auch kein Obst oder Getreide an den Mann bringen. Sie befand sich im Begriff die Zustände der Welt zu verändern. Just in jenem Moment stiegen Zweifel in ihr auf. Wie sollte man am besten für so ein Vorhaben aussehen? Robinia war für ihr Alter groß, stämmig, sowohl gleichermaßen athletisch. Muskeln zeichneten sich auf ihren Armen als auch am Bauch ab. Ihr langes braunes Haar trug sie zu einem Zopf geflochten. So störte es sie am wenigsten. Doch reichte das aus? Reichte dieses geringe Maß an Überlegenheit gegenüber gleichaltrigen Mädchen aus um ihr Unterfangen zu bestreiten? Noch ehe Robinia weiter darüber nachdenken konnte, brachte ein Türklappen aus dem Obergeschoss sie dazu zu gehen. Vorsichtig schlich sie sich hinaus in die Dunkelheit und lief dem Stall entgegen.

      Robinia schnallte den Rucksack am Sattel des Esels fest, über die Schultern hängte sie sich Köcher und Bogen. Da, wo der Esel sonst immer im Stall stand, hinterließ sie einen kurzen und knappen Abschiedsbrief.

       Liebe Großmutter, lieber Bruder,

       macht euch keine Sorgen um mich. Ich fühle den Drang nachzuforschen woher die Dunkelheit kommt und ob es einen Ausweg für uns gibt. Tragt mich im Herzen, so wie ich euch im Herzen trage.

       Auf Wiedersehen

       Eure Robinia

      Dann machte sie sich auf den Weg nach Rastoku. Rastoku war ein kleines Hafenstädchen in Borelien. Von dort aus fuhren Schiffe in die ganze Welt hinaus. Sie transportierten Lebensmittel, Waren, aber eben auch Menschen. Durch den Handel gelangte Rastoku zu ein wenig Reichtum. Soll heißen, dass die Leute sich dort ein bisschen mehr Wohlstand leisten konnten. Es gab beispielsweise mehr Fernseher und mehr Laternen, die nachts die Straßen erleuchteten. Doch jetzt in der Dunkelheit hatte auch Rastoku mit den Folgen zu kämpfen.

      Der Mond, welcher nun zu jeder Tages- und Nachtzeit schien, erleuchtete den Pfad auf dem Robinia ihr Zuhause verließ. Draußen war es kalt und sie zog sich den Schal weiter vors Gesicht. Ihr Atem, zu Dampf geworden, verpuffte in der Luft.

      Als erstes ritt sie in den Wald hinein. Damals, als die Sonne noch schien, war der Wald ein himmlisch schöner Ort gewesen. Reine Luft, Vogelgezwitscher und das Grün der Blätter. Robinia liebte es in ihm umher zu tollen. Sie kletterte wahnsinnig gern in seinen Kronen und stellte sich vor wie es wäre selbst ein Affe zu sein. Sie hatte die Tiere nie zu Gesicht bekommen. Doch in einem ihrer Schulbücher waren welche abgebildet. Sie lebten auf den Tropischen Inseln, hatte unter der Zeichnung gestanden.

      Jetzt im Dunkeln, in diesen dunklen Zeiten, wirkte der Wald bedrückend, sogar beängstigend. Hier raschelte etwas, dort bewegte sich was. Robinia zuckte des Öfteren zusammen. Und schon wieder ein Schatten, der dahinflog wie ein Geist. Die kahlen Äste der Bäume wirkten nun im Mondlicht wie ellenlange Finger, die versuchten nach ihr zu greifen.

      Robinia wies ihren Esel an schneller zu laufen, da sie sich unbehaglich fühlte. Die Durchquerung des Forstes dauerte einige Stunden und mit großer Erleichterung erreichte sie den Waldesrand.