Sternenstaub. Juliane Kroos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Juliane Kroos
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742719508
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erwähnte das Gehörte und Gesehene zu niemandem mit keinem Wort. Zu sehr hatte sie Angst davor, dass Bauer Johansson seine Drohung wahrmachen würde. Wenige Wochen nach dem Zwischenfall kaufte Bauer Johansson den Acker von Robinias Familie auf. Sie bestellten nun das Feld im Namen von Johansson und erhielten dafür nur wenig Lohn, durften aber glücklicherweise in ihrem Haus wohnen bleiben.

      Das Flugzeug hörte auf ihren Acker zu umkreisen, ebenso verschwanden die Wolkenstreifen am Himmel und das Getreide erholte sich von Tag zu Tag zusehends. Kurz vor der Erntezeit war es fast genauso ertragreich wie die gewohnten Jahre zuvor. Doch von dem Geld, welches ihr Korn brachte, sahen Robinia und ihre Familie nichts.

      Robinia und ihre Großmutter schauten sich an jenem Neujahrstag nach der Millenniumsnacht immer noch schweigend an. Das Telefon in der Hand der Oma klingelte. Sie ging ran. „Ach Emil, da bist du ja endlich. Sprich wie geht es dir? Wie sieht es bei euch aus?“

      Emil Siegfriedsson aus Eisland berichtete, dass es dort ebenso wie in Borelien dunkel war. Er wollte mit seinem Auto zurück nach Rauchbucht fahren, doch die Mauer, an der die Nacht zuvor noch für das Steinvolk gearbeitet wurde, war nun fertig und ließ niemanden passieren. Es gab kein Tor in ihr und sie war zu hoch um sie zu überklettern. Auf der anderen Seite der Mauer hatte Emil Siegfriedsson jedoch Dämmerlicht wahrgenommen.

      Es waren noch einige andere verwunderte Eisländer an der Mauer gewesen. Niemand konnte so recht sagen, was das auf sich hatte. Da zunächst jedoch kein Weg über die Mauer führte, stiegen die meisten kleingewachsenen Eisländer auf ihre kleingewachsenen Pferde und ritten wieder dorthin, wo sie hergekommen waren. Auch Emil Siegfriedsson stieg in sein Auto um erneut zu seinem Ferienhaus zu fahren.

      Während ihre Großmutter noch mit Emil Siegfriedsson telefonierte, ging Robinia zur Tür hinaus und wollte schauen was im nahegelegenen Städtchen Grim los war. Als sie dort ankam, war Hektik und Trubel auf dem Marktplatz, wo sonst die Leute drei Mal in der Woche ihre Stände aufbauten um ihre Waren feil zu bieten.

      Es herrschte Aufregung und Ahnungslosigkeit über die Dunkelheit. Was mochte das auf sich haben? Wann würde es wieder hell? Und ein weiteres Gerücht machte die Runde, ging von Ohr zu Ohr. Man hätte heute Morgen den Bauer Johansson leblos in seinem Haus aufgefunden. Von einem Herzanfall sei die Rede gewesen, aus Schreck vor der Dunkelheit wahrscheinlich und dick war er ja noch obendrein.

      Robinia wollte das natürliche Dahinscheiden des Bauern Johansson nicht so richtig glauben. Sie erinnerte sich wieder an das Telefonat, welches sie vor wenigen Monaten belauscht hatte, an das Flugzeug, das kam und wie aus dem Nichts wieder verschwand. Mit wem hatte Bauer Johansson an jenem Tag nur telefoniert? Und war derjenige nun auch für die Dunkelheit und den Tod von Bauer Johansson verantwortlich?

      Kapitel 3

      Dunkelheit und ein Lichtball,

      im Osten

      Es blieb auch die nächsten Tage und Monate dunkel. In Borelien, Wüstmeer, Oasia und den Tropischen Inseln hörte man von einer unüberwindbaren Mauer auf Eisland. Von Steppenland und Vulkanien hörte man hingegen nichts. Es gab keine Kommunikation zu den beiden Kontinenten, die nun auf der anderen Seite der Mauer zu liegen schienen.

      Die normale Bevölkerung der verdunkelten Seite mied den Kontakt zur Mauer. Komische, gar grausame Dinge passierten, wenn man dem Bauwerk zu nahe kam – hörte man die Leute tuscheln und munkeln. Tollkühne Personen, die den Versuch gewagt hatten, die Mauer zu übersteigen, hat man entweder nie wieder gesehen oder nur noch die Hülle ihres irdischen Daseins gefunden. Auch die wenigen Flugzeuge, die es probierten die Mauer zu überfliegen, fand man ausschließlich in Schutt und Asche wieder.

      Lediglich wagemutige Reporter der Nachrichtensender trauten sich immer mal wieder zur Mauer um schwarzweiße Fernsehbilder und neuste Berichterstattungen zu liefern. Die meisten Aufzeichnungen gab es allerdings nur aus der Ferne. Dort sah man eine friedlich wirkende Mauer, vom Dämmerlicht der anderen, nicht zu erreichenden, Seite umhüllt.

      Wagte sich ein Reporter näher heran, dann fiel mit einem Mal das Bild seiner Kamera aus. Zudem berichteten sie von ungeheuren Schmerzen, die durch Tritte aus dem Nichts verursacht wurden. Manche Berichterstatter kamen auch mit offenen Fleischwunden wieder zurück oder Verletzungen, die einem Pfeilschuss ähnelten. Doch einen Pfeil fand man nie.

      Es wurde unter den Leuten in der Dunkelheit auch gemunkelt, dass sich die Mauer durch und über den Ozean hinweg, einmal rund um den Erdball, ziehen sollte. Menschen, die man mit Booten hinausfahren sah, sah man meist nie wieder zurückkommen. Kam doch einer lebend heim, war er fast immer verängstigt und verstört. Sie berichteten von Sturm, meterhohen Wellen und Feuer, dass aus dem Nichts spie, sobald man der Mauer zu nahe kam. Sie machten kehrt und kämpften ums nackte Überleben um wieder zurück, durch die Dunkelheit, ans Land zu kommen.

      Auf den Tropischen Inseln und in Oasia wurden die einst fruchtbaren, grünen Flächen zu Sand und Geröll. Die Menschen dort lebten von nun an in dunklen trockenen Wüsten. Auch in Borelien und Eisland gingen die Pflanzen ein. Das Getreide der Felder verkam am fehlenden Sonnenlicht. Äpfel verschrumpelten noch am Baum. Bäume warfen ihre Blätter ab. Saftige Grasflächen verwandelten sich zu Moos, das von dem Licht des Mondes und der Sterne lebte.

      Viele Tiere starben, die meisten Arten gab es nicht mehr. Nur die wenigen Pflanzenfresser, die sich vom Moos ernährten, überlebten. Da es nur noch wenige Pflanzenfresser gab, gab es folglich auch nur noch wenige Raubtiere.

      Die Menschen in der Dunkelheit begannen zu hungern, weil es ihnen an Getreide für Brot sowie Obst und Gemüse mangelte. Nutztiere wie Kühe hielten sich nur noch schlecht und siechten aufgrund der fehlenden Nahrung dahin. Lediglich wenige Schafe und Ziegen passten sich den neuen Verhältnissen an. Doch reichte ihr Fleisch nicht aus um alle Menschen der Dunkelheit zu versorgen.

      Zudem wurde es kalt. Die Menschen, die sonst in der warmen Sonne Wüstmeers, Oasias und der Tropischen Inseln lebten, traf es besonders hart. Ihre Häuser und ihre Kleider waren nicht für die Kälte ausgelegt. Ein Akt der Nächstenliebe durchzog herzerwärmend das erkaltete Land der Dunkelheit. Menschen aus dem Norden versandten gestrickte Pullover, Daunenjacken, Mützen und Handschuhe in den frierenden Süden. Es schien als rückten Menschen, die sich vorher nicht eins waren, in der Not ein Stück weit enger zusammen.

      Keiner in der Dunkelheit konnte sich so recht erklären, wie es zu diesem Umbruch in der Millenniumsnacht kam. Keiner wusste wie es hinter der Mauer aussah, ob die Menschen in Steppenland und Vulkanien genauso leiden mussten wie sie. Der Kontakt zur anderen Seite war abgebrochen. Und keiner in der Dunkelheit wusste, wer dafür verantwortlich war. Waren es Außerirdische oder unerklärliche, magische Kräfte?

      Nach drei Monaten der Dunkelheit passierte etwas, welches der dunklen Seite der Welt durch die sie auffressenden Schwärze nicht entsprach. Auf Eisland war ein helles, ziemlich großes Licht zwischen den Sternen und Polarlichtern am Himmel aufgetaucht. Es geschah unweit des Küstenstädtchens Skor direkt am gleichnamigen Wasserfall. Die Kunde über das Licht verbreitete sich auf dem östlichen Teil Eislands rasend schnell. Auch Emil Siegfriedsson hörte von den Neuigkeiten und entschloss, sich kurzerhand ins Auto zu setzen um nach Skor zu fahren.

      Emil Siegfriedsson hatte in den letzten Monaten sein Ferienhaus zu einem Überlebensbunker umgerüstet, da er nicht mehr in seine Wohnung nach Rauchbucht zurückkehren konnte. Denn da stand ja die Mauer im Weg.

      Die Hälfte der zwölf wildlebenden Schafe bei seinem Ferienhaus hatte er nach wenigen Wochen geschlachtet um daraus Fleisch einzulegen sowie Leber- und Blutwurst zu machen. Bevor die Tiere durch die Dunkelheit und fehlende Nahrung verendeten, wollte er sich lieber einen Vorrat für die kommenden Monde anlegen. Die Tiere waren auf Eisland zwar an die Dunkelheit gewöhnt, aber man konnte in diesen Zeiten ja nie so genau wissen, was noch alles passieren würde, dachte sich Emil Siegfriedsson. Sicher ist da sicher. Aus dem Schafsfell stopfte er sich dicke Decken. Den Rest, welchen er zunächst nicht gebrauchen konnte, schickte er ins erkaltete Wüstmeer.

      Weil der Strom, aus Angst vor der ungewissen Zukunft, durch die regierenden Leute der Länder der Dunkelheit auch erstmal auf das