»Dann wünsche ich euch Beiden viel Spaß. Und was soll ich der Lehner sagen, falls sie zufällig nach dir fragen sollte? Dass ihr euch um 18 Uhr in der Keltenthronsauna treffen wollt? Falls sie wieder eine Suite mit ihrem Tennislehrer gebucht hat.«
»Ist sie mit dem noch zusammen?«
»Sieht so aus. Also, was soll ich sagen?«
»Ich bin im Außendienst. Ermitteln. Und lass diese Spitzen, Melanie. Keltenthron. Ich wüsste gar nicht, was ich machen soll, wenn sie plötzlich nackt vor mir stünde. Ich denke unserer gemeinsamen Zusammenarbeit wäre das abträglich. Ich würde sicher meinen Respekt vor ihr verlieren. Immer wenn ich dann vor ihr stehen, würde ich an unser Freikörperkulturtreffen denken.«
»Oder sie den Respekt vor ihr.«
»Schrecklich, einfach schrecklich«, stöhnte Alois.
»Jetzt mal den Teufel nicht an die Wand. Schnappt euch ganz einfach diese Frau, dann ist es später egal, wo ihr die aufgegriffen habt. Also viel Spaß«, sagte sie.
»Danke, den werden wir haben. Melanie, kann ich Gizmo so lange bei dir lassen?«
»Aber sicher doch. Gizmo darf heute bei Melanie übernachten, weil Herrchen sich unter nackte Frauen drängen muss, der Arme.«
Als Gizmo seinen und Melanies Namen hörte sprang er sofort von seiner Decke und tanzte um die Kommissarin herum. Melanie kraulte ihn hinter den Ohren und Gizmo genoss die Zärtlichkeiten.
»Na fein, da kann ich ja ohne Probleme verschwinden und euch allein lassen. Hast du noch etwas Spezielles zu tun?«, fragte Kreithmeier abschließend.
»Ich werde noch einmal den Mommsen, den Verleger befragen, es gibt doch noch einige Ungereimtheiten.«
»Welche denn?«
»Der Backhaus muss doch sicher einen Mail-Account gehabt haben und ein Handy. Mit diesen Infos könnte ich beim Provider seine letzten Mails und Telefonanrufe zurückverfolgen. Ihr habt doch kein Mobiltelefon gefunden, oder?«
»Nein«, antwortete Zeidler, »im Wagen und auch in der Wohnung nicht. Alles sehr mysteriös.«
»Na siehst du. Mit seinem Verleger hat er auf jeden Fall telefoniert und ihm per E-Mail Manuskriptseiten und Exposés geschickt.«
»Sicher ein Anhaltspunkt. Gut, häng dich dran. Wir stürzen uns in den Wellness-Tempel. Wünsch uns viel Erfolg.«
Melanie winkte ab: »Ihr beide seit wirklich zu bedauern.«
Sie ließ die beiden Männer allein und marschierte mit Gizmo zusammen Richtung Kaffeeautomat.
»Männer!« brummelte sie vor sich hin. »Vor allem in diesem Alter. Männer! Komm Gizmo.«
Gegen 18 Uhr trafen sich Kreithmeier und Zeidler mit Martin Wildgruber vor der Therme. Durch den Personaleingang schleuste er sie ins Innere zu einem Umkleideraum, in dem sie ihre Kleidung sicher verstauen konnten.
Rainer Zeidler war der Erste, der seine Straßenkleidung ausgezogen hatte und in einen Seidenkimono geschlüpft war. Kreithmeier ließ sich vom Saunameister einen kuscheligen Frotteebademantel geben. Als Rainer Zeidler sich auszog, konnte der Kommissar nicht um hin, ihn aus den Augenwinkeln zu betrachten, war er doch gespannt auf die geheimnisvollen Tattoos, die er sich in der Dragon Lady hatte stechen lassen. Obwohl Rainer ziemlich schnell seinen Kimono übergezogen hatte, konnte Alois einige von ihnen erspähen. Auf Rainers Schulterblatt entdeckte er das Zeichen von Yin und Yang, auf dem Rücken drei verzierte runde Kreise, die aussahen wie stilisierte Blumenkränze. Weitere konnte er zunächst nicht erkennen.
Martin Wildgruber öffnete eine Tür zum Wellness-Trakt, geleitete die beiden Polizisten hinein und schritt voraus Richtung Champagnerpool. Eine seiner Kolleginnen hatte für die Beiden zwei Liegen reserviert: direkt unter den Palmen in der Nähe des Schwimmbeckens. Von hier aus sollten sie einen guten Blick auf die badenden Gäste haben. Außerdem erlaubten sie ihnen den Zugang zum Paradise-Point, dem erhöhten Informationscounter für das Servicepersonal. Von hier konnte man fast den gesamten Bereich der Ruheliegen überblicken. Die richtige Ausgangsbasis, um nach den beiden Frauen Ausschau zu halten. Auf Wunsch der Geschäftsleitung und auch der beiden Kommissare, wurde die Anwesenheit der Polizisten dem übrigen Personal verschwiegen. Nur Martin Wildgruber und der Geschäftsführer der Anlage wussten Bescheid, warum sie heute zwei Kriminalbeamte als Gäste bei sich hatten.
Rainer breitete sein Badetuch über die Liege und ließ den Kimono fallen. Jetzt konnte Kreithmeier das erste Mal seinen Kollegen völlig nackt betrachten. Für seine über 50 Jahre hatte dieser eine gute Figur. Sicher halfen ihm auch seinen tibetanischen Übungen, die er jeden Morgen vor dem Frühstück ausführte.
»Du hast ja mehrere Tätowierungen«, staunte Kreithmeier und starrte auf seinen nackten Kollegen.
»Ja, ich habe früh damit angefangen. Auf der Schulter ist das Zeichen des Yin und Yang. Seine Kräfte sind es, die in ihrer Vernetzung die Lebensenergie ausmachen. Yin und Yang – das Leben in Balance, Gut und Böse, Hell und Dunkel – sind alles Begriffe aus der alten chinesischen Philosophie. Das Potenzial der beiden Urkräfte von Yin, den abwärts gerichteten Energiekräften, und Yang, den Aufwärtsstrebenden Energiekräften.«
»Und wegen diesem Yin und Yang machst du deine fünf Tibeter jeden Morgen?«
»Alois, ich bin wirklich stolz auf dich, du hast sie heute das erste Mal bei ihrem richtigen Namen genannt. Die fünf Tibeter. Richtig: der Kreisel, die Kerze, der Halbmond, die Brücke und der Berg.«
»Stopp Rainer, du musst sie mir jetzt nicht hier nackt vor machen, es reicht. Ich weiß es. Du kannst es.«
»Meine fünf Tibeter sind spezielle Übungen aus dem Yoga, die eine ganzheitliche Wirkung haben. Die Übungen sind sanft genug, dass sie in jeder Alters- und Leistungsstufe durchgeführt werden können. Selbst du könntest sie machen. Und das würde dir sicher nicht schaden: Aktivierung deines Körpers, Verbesserung der Durchblutung, Kräftigung deiner Rumpfmuskulatur, Dehnung bestimmter Muskelgruppen und vor allem auch die Verbesserung deiner Verdauung. Bei dem Mist, den du immer so isst.«
»Super. Klingt richtig toll.«
»Verarsch mich nicht. Es steckt eine sehr interessante Philosophie dahinter: Alles was sich schnell dreht ist stabil. Dreht es sich zu schnell, dann ist es nicht mehr zu kontrollieren bzw. zu steuern. Dreht es sich zu langsam, wird alles instabil. Dreht es sich nicht mehr, fällt es um.“
»Jetzt dreht es sich mir gleich. Zurück zu deinen Tattoos. Was bedeuten die Blumenkränze auf deiner Hüfte?«, fragte er.
Rainer drehte sich um die Achse. »Das sind indische Juwelen.«
»Und was bedeutet das? Etwas Religiöses?«
»Wohl Eher Glück und Wohlstand.«
»Und dieses Schriftzeichen auf deiner Wade?«
»Das heißt Om mani padme hum, das ist der Juwelen-Lotus. Ein Mantra.«
»Ich verstehe gar nichts. Bist du Buddhist oder Hindu, weil du dich so gut mit diesen Sachen auskennst.«
»Nein, das eher nicht. Mich interessieren die Kultur und vor allem die Weisheiten, die dahinterstecken. Om mani padme hum heißt wörtlich übersetzt letztendlich gar nichts, es ist nicht wichtig, was es bedeutet, sondern nur wie es klingt. Ein Mantra ist ein Lied, eine Hymne oder auch nur ein Vers, der beim Yoga gesummt oder gesungen wird. Die einzelnen Töne zwingen dich zu bestimmten Atemübungen, die dann deinen Körper schwingen lassen.«
»Puuh, was du alles so weißt. Und das Tattoo auf deinem Oberarm?«
»Im Yoga ist das Rezitieren von Mantren während der Meditation sowie im Gebet üblich«, klärte ihn Rainer auf. »Und die Tätowierung auf meinem Oberarm ist ein Elefant. Ganesha. Gemäß einer hinduistischen Legende hat Ganesha einen menschlichen Körper und einen Elefantenkopf. Jedes seiner Körperteile symbolisiert ein spirituelles Prinzip. Unter