»Nur etwas rumhorchen, das können Sie besser als ich.«
»Sie sind mir einer, Herr Kommissar. Ich mache es, ich finde das für dich raus, unter einer Bedingung ...«
»Und die wäre?«
»Du lässt dich von mir stechen, ein kleines Tattoo, ganz nach deinem Wunsch, einen Kriminalkommissar hatte ich noch nie unter der Nadel.«
»Niemals. Das tut ja weh. Und ich bin kein Knacki oder Asozialer.«
»Jetzt mal halb lang. Tattoos sind längst gesellschaftsfähig. Selbst die First Lady, Frau Wulff hat eins. Ein Schlüsselloch, aus dem Flammen auflodern, ziert ihren rechten Oberarm.«
»Sie war die First Lady.«
»Wie bitte?«
»Bundespräsident Christian Wulff ist zurück getreten.«
»Auch egal. Dann die Ex First Lady. Also abgemacht. Du darfst den Platz und das Symbol aussuchen. Das Tätowieren mache ich.«
Sven schaute ihn herausfordernd an und hielt ihm die offene Hand hin. Kreithmeier zierte sich noch etwas, doch dann schlug er ein und wiederholte den Deal noch einmal: »Platz und Symbol suche ich aus. Und Sie erkundigen sich nach der Lilie. Und sagen Sie bitte nicht, dass Sie für die Polizei Fragen stellen.«
»Sehe ich aus wie ein Volltrottel? Natürlich nicht. Ich nehme dich beim Wort, Herr Kommissar. Wo treffen wir uns?«
»Ich komme. Keine Angst, ich komme schon.«
»Wer soll denn Angst haben, ich vielleicht?«
Kreithmeier kehrte mit seinen vorläufigen Informationen zurück ins Revier. Auf dem Parkplatz vor dem Gebäude stand ein Audi A 5. Das musste der Wagen des toten Markus Backhaus sein. Und ganz in schwarz. Passend, dachte Kreithmeier. Eine andere Farbe wie schwarz gab es nicht mehr. Schwarze Lilie. Schwarze Haare. Schwarzer Wagen. Schwarzes Ledersofa. Schwarzer Bucheinband. Schwarze Lippen. Schwarze Augen. In der Welt von Black Beth, der schwarzen Elisabeth, regierte die Farbe SCHWARZ. Dabei war Weiß gerade eben erst zur neuen Trendfarbe kreiert geworden.
Melanie und Rainer erwarteten ihn bereits. Auf ihrem Schreibtisch lag eine Spiegelreflex Digitalkamera mit Objektiv, ein Fernglas und rechts daneben ein Notizbuch. Es mussten die Sachen aus dem Wagen sein, dachte Kreithmeier, der sie beim Reinkommen auf dem Tisch liegend entdeckt hatte
»Schön, dass du pünktlich bist«, begrüßte ihn Melanie überfreundlich. »Wir wollten gerade anfangen. Die Ausbeute aus dem Wagen von Backhaus ist eher mager: ein Fotoapparat mit Objektiv, ein Feldstecher und ein Notizbuch. Aber berichte lieber du, Rainer. Schließlich habt ihr die Sachen ja gefunden.«
»Das gibt es nicht viel zu erzählen. Die Fingerabdrücke sind nur vom Opfer. Der Wagen wurde nicht gewaltsam geöffnet. Es kann höchstens jemand mit dem Schlüssel des Toten gemacht haben und den Schlüssel wieder zu seinen Sachen gelegt haben.«
»Wo wurden die Autoschlüssel gefunden?«, fragte Kreithmeier.
»In seinem Spind.«
»Und der Schlüssel zum Spind?«
»Lag unter dem Handtuch auf der Liege.«
»Er hatte ihn also nicht am Handgelenk?«
»Nein! Auf der Liege.«
»Danke, Erzähl bitte weiter!«
»Im Fahrzeug fanden wir diese Nikon Digitalkamera mit einem sehr lichtstarken Objektiv. Das kostet ein paar Tausend Euro.«
»Ein paar Tausend?«, fragte Kreithmeier ungläubig.
»Ja. Ich schätze so 6 bis 7000 Euro. Das hat eine extrem hohe Lichtstärke von 1:2. Damit kannst du nachts Aufnahmen ohne Blitzlicht machen. Das ist erste Sahne. Ein 200 mm Objektiv mit Festbrennweite. Der Traum eines jeden Hobbyfotografen ...«
»Mit großem Geldbeutel.«
»Klar! So etwas hat seinen Preis. Dann ein Nachtfernglas, was normalerweise nur von Jägern benutzt wird. Auch nicht ganz billig. Marke Steiner. Und ein Notizbuch 2012. Keine Eintragungen. Es wurden Seiten herausgerissen.«
»Und sein Mobiltelefon, wo ist das?«
»Nichts!«
»Nichts, nichts, nichts! Ich kann das Wort bald nicht mehr hören«, fauchte Alois.
»Was ist auf den Bildern in der Kamera?«, fragte er.
Rainer Zeidler nahm die Nikon in die Hand. »Ni..«, er stockte, überlegte und fuhr fort, »Leider keine Speicherkarte.«
»Du wolltest schon wieder nichts sagen. Scheiße. Das heißt wirklich, wir wissen nichts. Wir wissen nicht, was der gute Mann fotografiert hat, was er mit seinem Feldstecher beobachtet hat und welche Termine er in der letzten Zeit hatte?«
Zeidler schaute betroffen auf den Boden und sagte nichts. In den Händen hielt er immer noch die schwere Kamera, die er verlegen hin und her schwenkte.
»Richtig? Wir haben nichts?«, wiederholte Kreithmeier seine Frage.
»Da bin ich doch nicht dran schuld.«
»Das sagt ja auch keiner, ich habe nur einmal zusammengefasst. Es wäre auch ein Wunder, wenn wir einen Tag nach einem Mord schon mehr wie NICHTS hätten. Ich habe es hier noch nicht erlebt. Eines ist mir auf jeden Fall klar: der Backhaus war hinter etwas her. Und zwar etwas, was sich am Abend oder in der Nacht abspielt. Was sagt sein Verleger, Melanie?«
Melanie räusperte sich und schritt an die Plantafel.
»Backhaus wollte eine neue Romanserie beginnen. Über Vampire.«
»Und warum?«
»Weil seine Bücher rückläufig waren. Er hatte zwar immer gut verkauft, laut dem Verlag erschienen immer wieder Neuauflagen von Black Beth und ihren Untoten Romanen, aber die Umsätze stagnierten. Seine eingeschworene Fangemeinde wurde ihm schließlich untreu. Seine Leser wechselten zu Stephenie Meyers oder zu Vampire Diaries, zu Chicagoland Vampires oder zum Haus der Vampire. Daraufhin hat der Verlag ihm vorgeschlagen auch auf dieses Genre zu springen, um seine Fans wieder zurück zu gewinnen.«
»Und hat er das getan?«
»Anfangs muss er sehr verletzt gewesen sein und sich strikt geweigert haben, von seiner Zombiewelt abzuschwenken, aber dann muss es einen Ruck bei ihm gegeben haben und er hat dem Verlag einen neuen Roman versprochen, der alles, was bis jetzt über die Blutsauger geschrieben worden sei, in den Schatten stellen würde.«
»Große Worte leicht gesprochen.«
»Der Verleger, ein gewisser Herr Mommsen, wusste noch gar nicht, dass Backhaus alias Black Beth tot ist. Und es liegt noch kein Manuskript vor, auch kein Exposé oder eine annähernd grobe Darstellung über das, was Backhaus veröffentlichen wollte. Sein neuer Roman sollte nicht fiktiv sein, es sollte eine Tatsachenerzählung werden. Und im Herbst auf der Buchmesse in Frankfurt vorgestellt werden.«
»Eine Tatsachenerzählung? Was soll denn das sein? Wollte er damit ausdrücken, dass es echte Vampire gibt, und er darüber schreiben wollte?«
Melanie schüttelte den Kopf. »Mommsen war selbst überrascht über diese Aussage seines Autors, ließ ihm aber jedweden Handlungsspielraum, inklusive Vorschuss.«
»Was hat denn der junge Mann mit seinen Schmökern so verdient?«
»200.000 bis 300.000 Euro.«
»Für alle 17 Romane?«
»Nein, mein Lieber, pro Jahr.«
»Huiii! Das gibt es doch nicht. Rainer, was sagst du dazu? Ist das Leben nicht ungerecht? Wie kann mit so einem literarischen Müll so viel Geld verdienen?«
»Es ist Mainstream, Alois«, antwortete Zeidler. »Die Masse will es. Und mit der Masse verdienst du Geld. Viel Geld. Den Nobelpreis für Literatur bekommst du zwar nicht, aber ein tolles Haus in Freising,