wie Hulle. Peter Baldinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Baldinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738040531
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Köln. Schnell waren alle gefährlich betrunken. Auf einem Autobahnparkplatz schliefen wir dann. Wir mussten alle drinnen schlafen, weil es arschkalt war. Das stank mächtig.

      Am nächsten Morgen in Köln, das Wetter war für Juni wirklich säuisch, kauften wir als erstes einen Kasten Bier, mit dem wir den Kölner Dom besichtigten. Gut angetörnt hatten wir unseren Spaß mit den Besuchern des Doms. Nach ein paar Warnungen hatten die Domheiligen die Schnauze voll von uns und warfen uns raus.

      Wir hatten vor, bei einem Open Air Konzert, bei dem ‚Genesis‘ als Hauptgruppe spielen sollte, umsonst reinzukommen. Es fand in einem Radrennstadion statt. ‚Manfred Manns Earth Band‘ spielte zuerst. Wir lungerten auf dem Parkplatz rum (es hatte endlich aufgehört zu schiffen) und hatten den dritten Kasten in Arbeit und ich war reichlich blau, wenn nicht sternhagelvoll. ‚Manfred Mann‘ war mäßig und ‚Gentle Gaint‘, für die ich vielleicht sogar bezahlt hätte, fielen aus.

      Mein Alter hatte mir aus seinem Amt Fraß aus Bundeswehrbeständen besorgt. Das Zeug würgte ich mir rein. Dann zechte ich mit den Jungs weiter. Aber schnell wurde mir kotzschlecht und ich verbrachte den Nachmittag in den Büschen.

      Als ‚Genesis‘ anfing, wurden die Tore aufgemacht. Das war natürlich superdufte. Besoffen wie ich war, verlor ich Meschan, Shorty und Kretsch im Getümmel. Ich setzte mich ganz oben in das Stadion. Die Musik war astrein - ein spirituelles Erlebnis. Die Sterne am Himmel, die Lightshow und das Lichtermeer aus Feuerzeugen und Wunderkerzen - echt toff.

      Im Morgengrauen erwachte ich wieder auf dem Autobahnparkplatz. Als wär‘ ich gar nicht in Köln gewesen. Null Erinnerung daran, wie ich die anderen wiedergefunden hatte und wie wir hierher gefahren waren. Die anderen ratzten. Es stank bestialisch. Meine Knie waren ganz weich, der Magen rebellierte und mein Herz jagte. Ich kletterte umständlich raus und schlug die Schiebetür zu.

      Hinter dem Parkplatz war ein kleiner, schwarzer See. Es fing gerade an zu dämmern und dicke Nebelschwaden krochen aus dem Wasser. Ich trabte los, um den Schüttelfrost loszuwerden, steigerte mich rein und rannte schließlich, bis mein Körper taub wurde.

      Als ich um den See rum war, wachten auch die anderen auf. Wir würgten uns ein Bier rein und düsten zurück.

      „Ihr müsst unbedingt mal kommen und den Eierlikör meiner Mutter probieren. Sie macht den besten Eierlikör der Welt“, hatte Astrid aus meiner Klasse versprochen und einen Schmollmund gezogen. Ihre Zottelhaare bis über die Ohren waren auch sehr knuffig.

      Da Sommerferien waren, holten Tobias und ich sie in einem Zentrum für geistig Behinderte ab, in dem sie jobbte. Die Behinderten, die sie betreute, mussten im Akkord Plastikdeckel von hinten in leere Füllerpatronen stöpseln, was irgendwie fies wirkte.

      Astrid führte uns in die Kantine und wir mampften schrottiges Schnitzel. Danach ging‘s mit der Bahn nach Döhren zu Astrid nach Hause.

      Wir quetschten uns auf eine harte Eckbank in der Küche. In den hellen Sonnenstrahlkegeln wehte nur ein ganz klein bisschen Staub. Martin, der ja auch in meiner Klasse war, kam auch. Er wohnte gleich um die Ecke, sonst hätte er es bestimmt nie geschafft zu kommen. Wie konnte er nur Hawaiihemd tragen - würg!

      Die quirlige Mutter setzte uns den Eierlikör vor. Sie hatte hunderte Liter von dem Zeug in der Badewanne gepanscht. Ein altes Rezept von der Oma und so weiter, mit echter Vanille und echten Eiern. Aber ganz lecker, knallte auch ganz dufte. Aber sie fragte uns blödes Zeug über die Schule und was wir mal werden wollten und so. Das nervte richtig, weil wir so nicht mit Astrid flirten konnten.

      Deshalb haute Tobias ganz plötzlich ab. Hätt‘ er mich ja mal mitnehmen können! So musste ich anstandshalber noch ne halbe Stunde länger bleiben. Dann fetzte ich aber auch los. Martin blieb noch, weil er nichts gegen Mütter hatte - der Arme.

      Nachts, ich hatte schon gepennt, klingelte es Sturm. Es war zwei Uhr. Muttern kam aus dem Schlafzimmer vor und fragte wütend: „Was ist das denn?“

      Woher sollte ich das denn wissen? Ich sah aus dem Fenster nach unten. Tobias - er schwankte im Stehen. Ich bediente den Summer und versuchte Muttern zu beruhigen.

      „Also, so was! Seid wenigstens leise“, stöhnte sie und ging wieder ins Bett.

      Tobias‘ Kleider waren triefend nass.

      „Ich war in den Kiesteichen baden“, rief er belustigt.

      „Schscht“, fauchte ich, „nicht so laut.“

      „Das war affengeil. Alleine und das viele schwarze Wasser um mich, richtig irre“, sagte er etwas leiser.

      „Eierlikör oder Bier?“ fragte ich ihn.

      „Bier“, sagte er und wir prusteten, weil uns der Eierlikör zu den Ohren heraushing.

      Ich legte von ‚Peter Hammill‘ ‚Over‘ auf, aber nur ganz leise.

      „Warst du bis jetzt unterwegs?“

      „Klar. Von Astrid bin ich zu Carmen. Ihre Freundin war auch da. Die ist auch ne prima Millie. Wir haben Wein und Bier getrunken. Dann sind Carmen und ich in die Eilenriede gezischt. Da haben wir einen wegen Reparaturen in Holz eingepackten Brunnen gefunden. Konnte man von oben reinklettern. Haben wir gemacht. Wir konnten uns nicht sehen - nur fühlen. Die Hände sind gewandert. Als Leute von draußen kamen, haben wir gerufen: ‚Verschwindet, hat man denn nirgends seine Ruhe!‘ War echt dufter Fun. Dann musste Carmen nach Hause. Seitdem besuche ich weiter Leute. Macht echt Spaß, alle aus dem Bett zu klingeln. Als nächstes sind Stine, Karin und Christiane dran.“

      Es waren Sommerferien und Tobias und ich fanden alles total öde. Alle waren verreist. Auch Tobias Eltern! Der einzige Lichtblick.

      Schon ab 11 brieten wir bei ihm auf dem Balkon in der Sonne. Zwischendurch zischten wir Cola.

      Nachmittags mampften wir Ravioli mit Tabasco und radelten zu ‚Boots‘ einem neuen Plattenladen. Ich kaufte mir eine Scheibe von ‚Birth Control‘ und eine von ‚Gentle Giant‘.

      Wir machten Halt im ‚Maulwurf‘, einer Drogenkneipe in der Lavesallee. Dröge Pinte, Musik von den ‚Doors‘, olle Holztische, Kerzen, hellgelbe Wände, wirklich das allerletzte. Shorty war da. Er zeigte uns einen LSD-Trip. Ein kleines putziges Ding. Der hatte es nötig.

      Weil er immer noch nicht kapierte, dass er uns nicht beeindrucken konnte, zeigte er uns seinen neuen Ohrring.

      „Wollt ihr euch nicht auch ein Loch stechen lassen. Das sieht gut aus“, sagte er.

      „Ich falle lieber mit meiner Intelligenz auf, als mit Äußerlichkeiten“, ballerte Tobias ihm vor den Bug. Beleidigt drehte er sich zur Seite und wir zogen weiter.

      Auf dem Schützenfest verdrückten wir ne Bratwurst und vernichteten ne Lüttje Lage. Der Schnaps, der eigentlich ins Bier darunter laufen sollte, landete voll in meiner Fresse. Tobias lachte dreckig.

      Wir wollten Lene besuchen. Pech. Es war nur Elke da und die wollte gerade gehen. Also zuckten wir wieder los.

      Unten vor meiner Haustür stand Meschan und fummelte an der Vespa rum. Zusammen gingen wir zu mir hoch, tranken Tee und hörten die neuen Platten. Beide recht dufte. Dabei muckelte jeder für sich alleine rum. Ich las von ‚Sartre‘ ‚der Ekel‘. Meschan blätterte den ‚Stern‘, was er immer bei uns machte und weshalb ich ihn in letzter Zeit nur noch selten einlud. So ein Langeweiler. Tobias schrieb Tagebuch.

      Abends hängten wir Meschan wieder ab und düsten zu meinem Alten. Der war zum Glück nicht da. Aber ich hatte die Erlaubnis, wann ich will, zu kommen und mich zu bedienen. Ich fischte Bier aus dem Kühlschrank und wir glotzten einen Jerry Lewis, der gerade in der prachtvoll großen, neuen Glotze lief. Der Wodka und Rum turnte auch ganz gut.

      Tobias wurde dann nölig. Es war ja auch ein echt klebriger Tag gewesen, aber er ließ es an mir aus.

      „Ich muss dir mal sagen, dass du einfach nicht genug Leute kennst. Du sitzt immer nur zu Hause rum und liest“, meckerte er.