Er atmet jetzt viel schwerer und tiefe Geräusche entweichen seiner Kehle. Adam ist über mir, auf mir. Sein Körper ist so nah. Ich spüre, wie seine Muskeln beben. Er ist mir ganz nah. So nah… So nah…
Zu nah?!
Viel zu nah für einen…?
Schlagartig, wie von einem Stromschlag getroffen, öffne ich meine Augen.
Da ist etwas. Eine Erinnerung? Eine Erinnerung ohne Namen? Eine intuitive Eingebung, dass das hier nicht richtig ist. Ich schaue am Ufer entlang. Zum Steg, zum Haus. War da etwas? Hat sich da jemand hinter dem Fenster in Adams Arbeitszimmer bewegt? Werden wir beobachtet? Ganz bestimmt, denke ich. Da versteckt sich jemand und schaut uns zu. Aber ich kann nichts sehen. Die Sonne ist schon fast untergegangen. Die Schatten spielen ein trügerisches Spiel. Irre ich mich?
Adam drückt seine Hüften auf meine und ich versinke noch tiefer im Schlamm. Er ist nah! Viel zu nah! Viel zu nah für einen…? Ich stemme mein Bein neben mir in den Schlamm. Benutze es, um mich weg zu schieben.
Ich kann es nicht sagen warum, aber es ist nicht richtig. In mir schrillen Alarmglocken.
Adams unablässige Berührungen fühlen sich mit einem Mal nicht mehr heiß an, sondern nur noch fremd. Ein Fremder presst sich auf mich und betatscht meinen Körper mit seinen gierigen, glitschigen Händen. Ich will das nicht!
Adam küsst wieder meine Kehle, intensiv, heiß, fordernd. Seine Lippen streichen tiefer an mir hinab. Seine Hände legen sich auf meine Brüste und drücken zu. Zu nah! Viel zu nah! Ich kann mich entscheiden. Ich habe immer die Wahl!
Es sind Kristens Worte, die mir jetzt in den Verstand kommen. Warum gerade ihre?
Ich verlasse mich auf meine Intuition. Ich will das nicht. Jetzt nicht. Vielleicht später? Vielleicht niemals? Ich brauche Zeit. Zeit zum Nachdenken. Zeit, um mich zu entscheiden.
Er will dir wehtun! Dass darfst du nicht zulassen!, höre ich Kristens Stimme in meinem Kopf.
Ich zucke nervös unter Adams Lippen, seinen Küssen, seinen Händen zusammen. Entziehe mich seiner Berührung, schiebe ihn mit einem Bein von mir weg.
»Bitte nicht. Mir geht das zu schnell. Ich will nicht!«, sage ich laut. Angespannt. Aufgeregt.
Adam ist kräftig, groß und meine innere Stimme, warnt mich, dass ich vorsichtig sein soll. Adam hört auf, mich zu küssen, hört sofort auf, meine Haut zu streicheln, aber er weicht nicht von mir. Langsam versuche ich, auf dem Rücken unter ihm wegzurobben. Er sieht verwirrt aus, seine Augen sehen desorientiert aus und ich schaffe es tatsächlich, etwas Distanz zwischen seinen und meinen Körper zu kriegen.
Ich bin extrem angespannt. Die Atmosphäre knistert, Gefahr liegt in der Luft. Er sieht unverändert aus. Immer noch wie der Adam, der vergangenen Wochen. Er ist hübsch und er ist durcheinander.
Ich spüre, wie die Angst mir die Kehle zuschnürt und habe keine Ahnung wieso. Die Angst vor ihm und dem, was jetzt alles passieren kann und mir wird bewusst, wie fremd er mir im Grunde ist. Und ich muss an die Stimme in meinem Kopf denken, an Kirstens Stimme, die sich nicht echt anhört und denke daran, was noch alles nicht echt ist?
Wer bin ich? Was ist die Wahrheit? Warum bin ich hier?
Adam schaut mich an, immer noch unschlüssig, wie er auf mich reagieren soll. Irgendwie schuldbewusst. Und ich habe wieder ein Stück Schlamm zwischen ihn und mich bekommen. Noch ein Stück und ich kann meine Beine unter seinem Körper herausziehen. Die Angst wird schlimmer, fängt an, meine Muskeln zu lähmen.
Er will dir wehtun!, höre ich Kristens Stimme in mir. Ich bekomme mehr und mehr Angst vor Adam. Es ist wie eine schlimme Erinnerung. Was ist das für eine Erinnerung, die mir solche Angst macht?
Du darfst keine Schwäche zeigen!
Angst ist nur ein Produkt meiner Gedanken. Ich habe die Wahl. Ich kann mich entscheiden. Für oder gegen die Angst.
Ich entscheide mich in diesem Moment dagegen!
Plötzlich packt Adam meine Hüften. Er tut mir weh. Er fasst so stark zu.
»Freija, was ist los? Habe ich etwas falsch gemacht?« Seine Stimme klingt so nett! Und er sieht so verflucht gut aus.
Die Gefahr ist real, die Angst ist nicht real. Ich bin ganz ruhig. Atme ein und aus. Ganz tief. Einmal, Zweimal, Dreimal.
»Bitte, lass mich los«, sage ich ruhig, aber meine Stimme bebt.
»Was hast du denn? Was machst du?«, fragt er und seine Augen sind so schön dunkel und überhaupt nicht gemein oder eisig kalt. Er schaut mich an, als wäre ich so etwas wie ein Kind, um das er sich Sorgen macht.
»Lass - mich - los - oder - ich - bringe - dich - um!«, sage ich plötzlich, aber das bin gar nicht ich. Es ist die andere Stimme. Kirstens Stimme in mir, die spricht und doch haben sich meine Lippen bewegt, sind es meine Worte, die ihn treffen wie vergiftete Pfeilspitzen.
Kapitel 2.13
Das war ein Riesenfehler! Ich bin so dumm. Adam hechtet sich auf mich, drückt mich mit seinem Gewicht in den Boden. Ich versinke im Matsch und strample mit Armen und Beinen. Es ist nutzlos.
Er hält mich fest mit seinen Händen, die wie Schraubzwingen sind. Seine Knie bohren sich in mich hinein.
»Du tust mir weh, lass mich los!«, brülle ich. Meine Stimme hört sich verzweifelt an. Wo ist meine Drohung, ihn zu töten, geblieben? Ich bin verzweifelt. Ich hoffe inständig, dass ich hier irgendwie aus der Klemme komme.
»Freija, jetzt beruhige dich doch. Was ist denn nur los mit dir?«, fragt er.
»Kristen? Nein! Adam! Geh runter von mir!«, weine ich.
Er schlägt mir mit der flachen Hand ins Gesicht, dass mir der Atem wegbleibt. Meine linke Gesichtshälfte wird taub und ich spüre, wie mir sofort rote Suppe aus der Nase läuft. Blut!
Ich habe solche Angst, will hier weg, aber die Panik lähmt mich, saugt alle Energie aus mir heraus.
»Freija, hör zu. HÖR - MIR - ZU! Es ist wichtig, dass du mir zuhörst! Ist da eine Stimme in deinem Kopf? Ist da die Stimme von…«, er beendet den Satz nicht, oder ich höre es nicht. Er hat eine ekelhafte Stimme und seinen Duft, den ich immer so mochte, dringt jetzt wie fürchterlicher Gestank in meine blutende Nase. Ich schließe meine Augen, wünsche mir ohnmächtig zu werden. Kraftlos ergebe ich mich.
»Freija, schau mich bitte an! Ich will dir nicht wehtun. Es kann sein, dass sie etwas mit dir gemacht haben. Ich muss das jetzt wissen. Sag es mir! Ich will dir helfen«, befiehlt er mir. Ich schüttle den Kopf. Er schlägt mich wieder. Mit der Hand auf die Wange, aber ich spüre den Schmerz kaum noch. Bin wie betäubt.
»Schau mich bitte an!«, schreit er wie ein Verrückter und ich gehorche ihm, um am Leben zu bleiben.
Er ist nicht normal! Seine Augen sind nicht normal! Er beugt sich über mich, gierig wie ein wildes Tier. Ich will meine Augen wieder schließen, habe aufgegeben, fühle mich so leer, ohne jegliche Lebensenergie in mir. Ich zittere am ganzen Körper vor Angst? Schreckliche Erinnerungen steigen in mir auf. Adam macht mir Angst. Er will mir etwas antun.
Kristens Stimme warnt mich vor ihm. Meine Gedanken spielen verrückt. Was für ein Alptraum! Ich wünsche mir, dass er tot wäre. Ist das mein Wunsch oder ist das ihr Wunsch? Gibt es da einen Unterschied? Ich will ihn töten. Ich fröstle, friere nicht nur vor Angst, auch vor Kälte. Frostige Kälte breitet sich auf meiner Haut aus.
Plötzlich wird es so kalt, dass der Boden unter mir zu gefrieren scheint.
Was ist das?
Was?
Dann schaue