Violet - Die 7. Prophezeiung - Buch 1-7. Sophie Lang. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sophie Lang
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189734
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Beine angezogen. Ich muss wirklich kläglich aussehen. Nach einer halben Ewigkeit - ich glaube, ich habe sogar etwas geschlafen - höre ich Stimmen. Kristen und ein Mann.

      Sie sind nah, entfernen sich aber schon wieder. Ich stehe auf. Uff, meine Beine sind wie betäubt. Die beiden müssen hier in dem Wirrwarr der Gänge sein.

      »Sie kann sich an nichts erinnern«, sagt Kristen.

      »Du hast ihre Erinnerungen gelöscht? Das war so nicht abgemacht«, sagt er zornig.

      »Sie ist am Leben, so wie du es wolltest. Du kannst sie mitnehmen. Die Amnesie war nicht rückgängig zu machen. Tut mir leid, Adam. Ich habe alles Erdenkliche versucht, aber es war definitiv zu spät.« Die Stimmen werden leiser. Ich kann sie kaum noch hören. Seine Stimme ist tief, männlich. Ist mir sympathisch, trotz des Zorns, den sie versprüht. Kristen ist sachlich und kalt und sie sprechen von einem Patienten, von mir, da bin ich mir sicher. Soll ich nach ihnen rufen und mich zu erkennen geben? Nein, ich versuche, ihnen zu folgen und will mehr hören.

      Wieder stellt sich mir eine Gabelung in den Weg. Verflucht, dieses irre Schneckenhaus treibt mich noch in den Wahnsinn. Kein Weg führt in die Richtung, in der das Gespräch langsam verstummt.

      Ich gehe nach rechts, intuitiv und mache, so schnell ich kann. Aber jeder Schritt quält meine Oberschenkel und mein Herz pocht vor Anstrengung. Jetzt stehe ich vor einer Tür, die nicht eine gerade Linie hat. Kristen und den Mann kann ich nicht mehr hören. Ich lausche nicht, klopfe nicht, mache die Tür ohne zu zögern auf. Sie geht auf?! Ein Wunder?

      Eisige Kälte schlägt mir gegen die Brust. Ein Labor, wie in einem Buch, an das ich mich nicht erinnern kann, aber dessen Bilder mir vor das innere Auge kommen. Frankensteins Labor. Reagenzgläser so breit wie tragende Säulen in einer Kathedrale. Schläuche, Apparate so fremdartig und chaotisch, ja fast schon kitschig. Lampen, Lichter, Generatoren. Ich kann fast alles beim Namen nennen, nur das nicht, was in der Reagenzsäule, keine fünfzehn Meter von mir entfernt, schwebt. Es ist die Quelle der eisigen Kälte. Ganz sicher, ich kann es spüren.

      Es ist ein Lebewesen hundertprozentig, aber so eines habe ich noch nie gesehen. Nein, STOP! Stimmt nicht. Es sieht aus wie meine Tattoos. Aber mein Gehirn liefert keine Wörter für dieses Etwas, das Sinn machen würde.

      Es sieht mich an mit seinen abnormalen Augen, die voller Hass sind und dann spuckt mein Gehirn doch noch ein Wort aus.

      Eine Bestie?

      Ein Schmerz durchzuckt meine Schulter. Ich mach mir vor Schreck fast in die Hose und werde herumgerissen und die Tür hinter mir fällt zurück ins Schloss. Ein Riese hält mich an der Schulter fest. Der größte Teil seines Gesichtes besteht aus Kinn. Der Körper aus Fleisch und aus Muskeln, die deutlich unter der roten Lederuniform hervortreten. Der erste Mann, dem ich begegne, ist ein Muskelfreak in rotem Superheldenaufzug Größe XXXL. Irgendwie steht ihm das Monsterkinn sogar ganz gut, wenn er nur nicht so böse schauen würde.

      »Du tust mir weh!«, sage ich mickrig. Er mustert mich, schätzt wohl ab, ob ich eine Gefahr für ihn darstelle. Was für ein Witz. Ich müsste hüpfen, um ihm eine aufs Kinn zu hauen, das zugegebenermaßen, wenn ich es erreiche, nur schwer zu verfehlen wäre.

      »Ich muss das melden!«, sagt er und so wie er das ausspricht, hört es sich für mich echt bedrohlich an. Melden in der Form, ob ich hingerichtet werde oder so ähnlich. Mir läuft ein eisiger Schauer über den Rücken. Was für wirre Gedanken! Wo kommen die nur her? Hinrichten, weil ich eine verbotene Tür aufgemacht habe, die lieber geschlossen bleiben soll. Das Bild der Bestie erscheint vor meinem inneren Auge. Was ist das für eine Welt, in der es Bestien gibt, die wie Tattoos aussehen?

      »Musst du das wirklich? Ich muss doch nur mal für kleine Mädchen und habe mich verlaufen«, sage ich und es klingt nicht halb so überzeugend, wie ich es wollte. Er legt den Kopf schief, schaut an mir hinab und ich nehme Notiz davon, wo seine Blicke haften bleiben. Jetzt wünsche ich mir, dass mein Top sich nicht so eng um meine Kurven spannen würde.

      »Ok, ich hab geschwindelt. Ich muss gar nicht aufs Klo. Ich suche Kristen und habe mich einfach verlaufen. Das ist jetzt aber wirklich die Wahrheit.« Hört sich schon glaubwürdiger an, finde ich. Er schaut mir in die Augen.

      »Mitkommen!«, befiehlt er und dann schiebt er mich grob vor sich her. Besonders gesprächig ist der Junge ja nicht gerade, aber offensichtlich kennt er den Weg durch das Schneckenlabyrinth.

      Kapitel 2.8

      Er stupst mich wie ein kleines Kind vor sich her, kommuniziert nicht.

      Er führt mich in einen Raum, in dem noch zwei Superheldentypen in scharlachroten, üppigen Mänteln stehen und lässt mich alleine zurück. Sie sind nicht so attraktiv wie der, der mich hergebracht hat. Aber vielleicht tue ich ihnen auch Unrecht. Denn ihre massiven Gesichter sind halb verborgen hinter ledernen Kapuzenkrempen. Ihre ganze Erscheinung wirkt dramatisch, kitschig. Die beiden mustern mich streng und ich fühle mich in ihrer Nähe nicht allzu sehr wohl, wäre doch noch lieber durch die Gänge geschubst worden, als hier zu sein.

      Ich will mich von ihnen ablenken, die Zeit nutzen, um mich genauer umzusehen, vielleicht etwas nachzudenken, aber da öffnet sich wieder die Tür und Kristen tritt herein, gefolgt von dem hübschesten männlichen Gesicht, dass ich je gesehen habe. Was nicht allzu schwer ist, denn die zwei Kleiderschränke, die wie angewurzelt auf ihren Positionen verharren, können auf keinen Fall mithalten.

      So viele Männer, in so kurzer Zeit? Das wird jetzt echt anstrengend!

      Ich warte darauf, dass uns Kristen bekannt macht, aber sie bleibt einfach stehen und macht keinen Mucks. Aber er. Er bewegt sich auf mich zu, selbstbewusst und mit interessanten, oder viel besser gesagt interessierten, dunklen Augen. Ich beobachte, wie sich mein Körper auch einen Schritt auf ihn zubewegt. Als wäre er ein Magnet und ich ein kleiner Eisensplitter. Er ist maximal ein paar Jahre älter als ich, aber seine Körperhaltung, seine Augen wirken auf mich viel reifer, erfahrener. Er kommt mir sehr nahe, fast ein bisschen zu nahe. Er duftet. Er riecht unwahrscheinlich gut, irgendwie nach frischem Schnee und knackendem Eis. Schnee? Eis? Seltsam.

      »Du siehst umwerfend aus!«, sagt er mit ruhiger, männlicher Stimme. Er ist es! Der Typ, der mit Kristen in den Gängen unterwegs war. Fast hätte ich du auch gesagt, beiße mir stattdessen aber auf die Unterlippe und strecke ihm meine Hand entgegen.

      »Ich heiße Adam«, sagt er.

      »Ich bin«, höre ich meine Stimme flüstern und mir wird bewusst, dass ich nicht weiß, wer ich bin.

      »Freija«, hilft er mir. »Dein Name ist Freija und ich bin überglücklich, dich endlich wieder auf den Beinen zu sehen«, flüstert er und dann umschließt er meine Hand und nimmt mich mit.

      Kapitel 2.9

      Auf der Straße außerhalb des Geländes, unter gewaltigen Bäumen wartet Adams Auto. Ein schwarzer Sportwagen. Halbwüchsige haben sich versammelt und beten den Flitzer an. »Verschwindet!«, verscheucht sie Adam und ich werfe einen Blick zurück durch das schmiedeeiserne Tor auf Kristens Haus. Es ist ein Quader, der in einer Grünanlage steht und keine Schnecke. Es ist gar nicht so riesig. Vermutlich liegt ein Großteil des Inneren unter der Erde. Adam hält mir die Beifahrertür auf und ich klettere auf den Sitz, strecke meine Beine aus und schaue ihn an.

      »Das ist also dein Auto?«

      »Sieht so aus«, sagt Adam, grinst und prescht los. Der Motor röhrt auf wie ein wütender Dämon und Kristens Haus verschwindet in einer Wolke aus Staub im Rückspiegel.

      Adam spricht während der Fahrt nicht allzu viel. Das braucht er auch nicht. Ich bin erschlagen von dem Anblick der Stadt, die schemenhaft durch die getönten Scheiben an mir vorbeirauscht. Die Berge, die ich vom Pool aus gesehen habe, waren nicht echt, das wird mir jetzt bewusst. Es muss so etwas wie eine Projektion gewesen sein, denn hier gibt es keine Berge. Hier gibt es nur Stadt.

      Sie ist überall, hat jeden Kubikzentimeter unter ihre Kontrolle gebracht, einbetoniert, zugemauert.