Dich habe ich mir nicht gewünscht. Tara McKay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tara McKay
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189543
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du lernst, dass man mit dreckigen Schuhen nicht ins Haus kommt“, schimpfe ich, stehe auf und schiebe sie und Nathan zurück in den Hausgang. „Außerdem sitze ich gerade noch mit Grandpa beim Frühstück.“

      „Grandpa hat mit uns schon vor Stunden gefrühstückt. Wir können ja nichts dafür, dass du so lange schläfst. Ist wohl spät geworden gestern“, meint Emma spitz.

      „Ein wenig.“

      Ich weiche Emmas vorwurfsvollem Blick aus, indem ich mich bücke, um Nathan die Schuhe auszuziehen. Die Spitzhacke pocht etwas sanfter als vorhin gegen meine Schläfen.

      Dads schwere Standuhr aus dem Wohnzimmer schlägt fast genau in diesem Moment elf Uhr. Ich winde mich innerlich. Habe ich wirklich so lange geschlafen? Da ich mit meinen Kopfschmerzen beschäftigt war, habe ich gar nicht auf die Uhr gesehen.

      „Und? Wann gibt es denn jetzt Mittagessen? Und kocht Grandpa wieder?“, insistiert Emma weiter, dabei tappt sie ungeduldig mit ihrem Fuß.

      „Zieh‘ deine Schuhe jetzt endlich aus“, fahre ich sie an, weil das Fußtappen mich ganz nervös macht und meine Kopfschmerzen schlagartig wieder stärker werden. „Ich fange jetzt gleich zu kochen an, du kannst so lange mit Nathan ein wenig Fernsehen. Grandpa müsste noch meine alten Kinderfilme irgendwo haben. Bambi, Cinderella, diese ganzen Disneysachen eben. Ich werde ihn bitten die Filme rauszusuchen.“

      Während Dad sich damit beschäftigt, seine Videokassetten heraus zu kramen und den Kindern eine Palette alter Filme anzubieten, die es längst in besserer Qualität auf DVD gibt, was Nathan jedoch überhaupt nicht stört und Emma darüber lästern lässt, dass sie wohl im finsteren Mittelalter gelandet ist, beginne ich in der Küche nach Lebensmitteln zu stöbern.

      Dad mag kein begnadeter Koch sein, aber er hat zumindest ein paar Basissachen im Haus und ich mache mich ans Werk. Zwischendrin schenke ich mir immer wieder von Dads Kaffee ein, der wirklich Tote senkrecht stehen lassen könnte und der erfolgreich Kopfschmerzen und Übelkeit bekämpft. Ich schalte das altersschwache Radio ein, das auf einem Bord steht seit ich denken kann. Es rauscht ein wenig, wie es das schon immer getan hat, weil man hier einfach keinen guten Empfang hat, aber das stört mich überhaupt nicht.

      „Dad?“, rufe ich ins Wohnzimmer hinüber, aber da keine Antwort kommt, mache ich mich durch die Vordertür selbst auf den Weg in den Garten, um nach Mums Kräuterschnecke zu sehen, die Dad ihr vor vielen Jahren angelegt hat, damit sie sich Thymian, Basilikum, Rosmarin und noch viele andere Sachen ziehen kann, mit denen sie immer gerne gekocht hat.

      Mums Garten ist ein wenig verwildert und Unkraut sprießt zwischen den Kräutern und Blumen hervor, aber dennoch finde ich, was ich suche. Der Geruch von Basilikum verursacht bei mir ein angenehmes Kribbeln im Bauch, weil er mich an Mum erinnert, die damit alles Mögliche gekocht oder garniert hat. Als Schulbrot bekam ich meistens ein Sandwich mit Anster, einem Käse aus der Region, und Basilikum - eine Mischung, die außer mir niemand hatte. Aber so besonders und fast exotisch Mum in einem Fischerort in Schottland gewirkt haben mag, sie war bei allen beliebt und ihre Wärme und ihr italienischer Charme machten das Da Paola zu einem beliebten Ziel bei den Bewohnern der Stadt.

      Nachdenklich trolle ich mich mit meiner Beute aus Kräutern in die Küche und koche vor mich hin. Ich bin mir plötzlich nicht mehr so sicher, ob meine Idee mit dem Da Paola so gut ist. Mum war einfach ein besonderer Mensch und ich bin das nicht. Das sagt einem doch schon die Tatsache, dass ich es in vierzehn Jahren in Italien nicht geschafft habe, richtige Freunde zu finden. Meine Kochkünste sind leidlich gut, schließlich habe ich meine Familie damit bisher immer zufrieden stellen können und meine Dinnerpartys, die ich aus geschäftlichen Gründen mit Matteo geben musste, waren aus kulinarischer Sicht immer der Renner - und weil Matteo ein toller Gastgeber war, das muss ich ihm immerhin lassen.

      „Ist das Essen fertig? Es riecht schon so gut.“

      Emma steht halb in der Küchentür und lugt um die Ecke. Ihre wilden dunklen Locken stehen in alle Richtungen, was mich eher wundert, denn normalerweise ist ihr die Haarpflege sehr wichtig und sie arbeitet sogar mit einem Glätteisen, um ihre Krause in den Griff zu kriegen. Manchmal fand ich das sogar schon übertrieben für ihr Alter. Doch so völlig ungestylt sieht sie sehr jung und verletzlich aus und ich strecke unwillkürlich einen Arm nach ihr aus. Wie selbstverständlich schmiegt sie sich in meine Umarmung. Die kleine Geste lässt mich aufatmen. Emma und ich kommen derzeit so schlecht miteinander klar, dass es mir viel bedeutet, wenn sie meine Nähe sucht. Sie stellt sich auf die Zehenspitzen, um auch in den hintersten Topf gucken zu können.

      „Gnocchi?“

      „Dein Großvater mag ja nicht viele Zutaten zuhause haben, aber Mehl, Kartoffeln und Eier waren immerhin da.“

      In einer Pfanne köcheln kleine Cocktailtomaten und Knoblauch in Olivenöl und Kräutern vor sich hin, bis die Gnocchi soweit sind, dass ich sie darin schwenken kann.

      „Papa liebt deine Gnocchi. Er sagt sogar, dass sie besser schmecken als bei Nonna“, lässt Emma wie nebenbei fallen.

      „Mhm…“, antworte ich vage, obwohl meine Ohren ganz heiß werden. Für Matteos Verhältnisse ist das ein riesiges Kompliment, schließlich geht nichts über seine Mamma.

      „Ich freue mich, wenn wir nach Bologna zurückfahren. Papa wird uns auch sehr vermissen.“

      „Emma…“ Ich schlucke. Und hasse mich, weil ich diesen schönen Moment zwischen ihr und mir kaputt machen muss.

      „Ich weiß, dass ihr gestritten habt, Mamma. Die ganze Zeit bevor wir hierher gefahren sind. Aber du weißt doch, wie Papa ist. Er macht manchmal Dummheiten und am Ende vertragt ihr euch wieder.“

      Ich muss nochmal kräftig schlucken, denn plötzlich habe ich einen Kloß im Hals von den Ausmaßen eines Tennisballs.

      Bravo, Anna! Und du dachtest immer, dass deine Streitereien mit Matteo vor deinen Kindern verborgen geblieben wären. So viel dazu. Und wie soll ich ihr sagen, dass ihr Papa dieses Mal eine Dummheit gemacht hat, die man nicht so einfach ausbügeln kann? Eine, die uns unsere ganze Existenz kosten kann. Nein, nicht nur kann, sondern wird!

      „Es gibt einen Punkt im Leben, da kann man über die Dinge nicht mehr hinwegsehen, die jemand macht. Das ist so wie bei dir und deiner ehemaligen Freundin Carlotta. Weißt du noch? Ihr wart die besten Freunde, aber Carlotta hat dauernd etwas hinter deinem Rücken gemacht, was dich geärgert hat, bis du nicht mehr mit ihr befreundet sein wolltest.“

      Ich fische ein Gnocchi aus dem Wasser, puste es an und stecke es Emma in den Mund, die mir signalisiert, dass meine kleinen Kartoffelnocken perfekt sind. Während ich sie abschütte und anschließend in der Pfanne schwenke, fühle ich, wie mich Emma intensiv beobachtet. Unser Gespräch ist nicht zu Ende, dennoch wagt sie nicht zu fragen, was nun die logische Konsequenz ist. Nämlich, dass ich ihren Vater endgültig verlassen habe und wir nicht mehr nach Bologna zurückgehen.

      Bei Tisch möchte ich aus Rücksichtnahme auf Emma das Thema ‚Da Paola‘ nicht mehr ansprechen. Ich entscheide, Dad in einer ruhigen Minute danach zu fragen, als Nathan seinerseits beschließt, unsere Unterhaltung vom Vortag wieder aufzunehmen.

      „Grandpa?“

      „Ja, Nattie?“

      „Mamma soll kochen.“

      „Aber das hat sie doch heute. Viel besser, als ich die letzten Tage, nicht wahr?“

      „Mamma soll für alle kochen“, meint Nathan und blickt zufrieden in die Runde, da er nun die Aufmerksamkeit aller hat. Sogar Emma sieht von ihrem Handy auf, mit dem sie die ganze Zeit während des Essens rumspielt.

      Dad wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu, als hätte ich Nathan aufgestachelt, aber ich hebe nur die Hände, um zu zeigen, dass ich sie absolut in Unschuld wasche.

      „Was meinst du denn damit, Nattie?“, fragt Dad und kratzt nachdenklich seine hellen Bartstoppeln. Es ist eine sehr typische Geste für ihn – wenn er nachdenkt, verlegen oder zerstreut ist… Würde mich jemand bitten eine typische Handbewegung zu machen, um meinen Dad zu beschreiben,