Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim R. Steudel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738074062
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nach kön­nen Sie es nicht schlim­mer ma­chen.‹

      Ich dach­te ge­nau­so und sah Wang Lee fra­gend an.

      ›Wenn du meinst, dann ver­su­chen wir’s, ob­wohl ich Zwei­fel habe!‹

      ›So wird’s aber nichts, Wang Lee. Wenn du Zwei­fel hast, kannst du nicht dei­ne gan­ze Kraft bei­steu­ern, und wir sind von vorn­he­r­ein zum Schei­tern ver­ur­teilt. Du musst an die Mög­lich­keit glau­ben und die gan­ze Kraft dei­nes Chi nut­zen!‹

      ›Ich weiß! Lass mich einen Au­gen­blick me­di­tie­ren, um mich auf die­se Auf­ga­be ein­zu­stim­men.‹

      Ich nick­te ihm zu und ge­dach­te, das Glei­che zu tun. Bei­de lie­ßen wir uns nie­der und kon­zen­trier­ten uns auf die be­vor­ste­hen­de Auf­ga­be, doch zu­vor bat ich den Sa­mu­rai, da­für zu sor­gen, dass wir nicht ge­stört wur­den. Er nick­te und po­si­tio­nier­te sich so, dass er so­wohl uns als auch alle an­de­ren im Blick hat­te.

      In­zwi­schen wa­ren wir in tiefer Me­di­ta­ti­on ver­sun­ken. Nach ei­ni­ger Zeit öff­ne­te ich die Au­gen, denn ich hat­te das Ge­fühl, dass Wang Lee so weit war, und rich­tig, er schau­te mich mit ei­nem ent­spann­ten und kon­zen­trier­ten Blick an.

      Da wir gleich ne­ben dem Mann mit der Hals­wun­de sa­ßen, nah­men wir uns die­sen als Ers­ten vor. Wie ich es da­mals bei Han Li­ang Tian ge­se­hen hat­te, leg­te ich mei­ne Hän­de auf Stirn und Brust des Ver­letz­ten, und Wang Lee leg­te die sei­nen auf mei­ne. Nun kon­zen­trier­ten wir un­se­re gan­ze Kraft in den Wunsch, dem Schwa­chen Ener­gie von uns zu ge­ben. Ich ver­such­te es auf die glei­che Art, wie ich es da­mals an Hu Kangs Kran­ken­la­ger wahr­ge­nom­men hat­te, und dach­te im Gleich­klang mit Wang Lee:

      ›Nimm die­se Kraft von uns, nut­ze sie zu dei­ner Hei­lung! Nimm so viel, wie du brauchst, um wie­der ge­sund zu wer­den! Wir ge­ben dir ger­ne, was wir ge­ben kön­nen! Nimm von uns, um dei­nen Kör­per zu hei­len und die Kraft zu fin­den, dass dein Herz wei­ter­schlägt. Dass dei­ne Lun­ge wei­ter­ar­bei­tet und dein Kör­per das ver­lo­re­ne Blut wie­der er­setzt.‹

      Bei die­sen Ge­dan­ken ver­such­te ich mich in den Kör­per des Ver­letz­ten hi­n­ein­zu­ver­set­zen und da­bei zu er­ken­nen, wo die Hil­fe am not­wen­digs­ten war. Nach ei­ni­ger Zeit ge­lang es mir fast so gut wie in mei­nem ei­ge­nen Kör­per, und ich er­kun­de­te die be­trof­fe­nen Stel­len. Die Wun­de am Hals wür­de wie­der hei­len, auch wenn Seh­nen und Mus­keln ver­letzt wa­ren und der Hals viel­leicht bis zu ei­nem ge­wis­sen Grad steif blei­ben wür­de. Ich er­kann­te auch die Ur­sa­che für sei­nen rö­cheln­den Atem. Er hat­te Blut ver­schluckt und ei­ni­ges da­von in sei­ne Atem­we­ge be­kom­men. Aber sein Kör­per war zu schwach, um das Blut wie­der hi­n­aus­zu­be­för­dern.

      Ohne mei­ne bis­he­ri­gen Ge­dan­ken zu un­ter­bre­chen, füg­te ich ih­nen noch den Be­fehl hin­zu, die Atem­we­ge wie­der frei zu ma­chen. Das kos­te­te mich und Wang Lee sehr viel Kraft, und ich ver­such­te wie da­mals Han Li­ang Tian, Ener­gie aus mei­ner ge­sam­ten Um­welt auf­zu­neh­men.

      Ka­ta­ku­ra Shi­ge­na­ga, der Sa­mu­rai, der als Dol­met­scher fun­gier­te und nun da­für sor­gen soll­te, dass wir nicht ge­stört wur­den, be­ob­ach­te­te er­staunt, was vor­ging. Mu­te­te ihn die Hand­lungs­wei­se auch selt­sam an, so spür­te er doch die Kraft und Ener­gie, die uns wie eine Aura um­gab. Er be­merk­te, wie sich un­ser gan­zer Kör­per straff­te und sich alle Mus­keln und Seh­nen bis zum Zer­rei­ßen spann­ten, doch bis auf das leich­te Zit­tern der Hän­de und Zu­cken im Ge­sicht war nichts Äu­ßer­li­ches sicht­bar. Ge­bannt be­ob­ach­te­te er uns, und Date Ma­sa­mu­ne sah er erst, als die­ser uns fast er­reicht hat­te. Schnell sprang er auf und ver­neig­te sich vor ihm.

      Im­mer noch ver­stimmt we­gen des Auf­ent­halts an die­sem un­güns­ti­gen Ort, frag­te der Dai­myo ge­reizt:

      ›Was geht hier vor?‹

      ›Mein Fürst, bit­te stö­ren Sie die­se bei­den nicht, sie wol­len ver­su­chen, dem Ver­let­zen bei der Hei­lung zu hel­fen.‹

      ›So? Wie soll das ge­hen?‹

      ›Ich weiß es nicht ge­nau, doch se­hen Sie, es scheint sich et­was zu tun.‹

      Der Ver­letz­te hus­te­te und würg­te, und sein Ge­sicht wur­de pu­ter­rot vor An­stren­gung. Den bei­den Be­ob­ach­tern wur­de angst, denn sie fürch­te­ten um das Le­ben des Man­nes. Date Ma­sa­mu­ne war drauf und dran, un­se­re Ak­ti­on ab­zu­bre­chen, als der Ver­letz­te spu­ckend das Blut aus den Atem­we­gen würg­te. Der Fürst stock­te mit­ten in der Be­we­gung und war­te­te ab, was wei­ter ge­sche­hen wür­de.

      Der Ver­wun­de­te schi­en schon frei­er zu at­men. Nach­dem sich die­ser Vor­gang mehr­fach wie­der­holt hat­te, sank der Mann gleich­mä­ßig at­mend zu­rück. Sei­ne Haut nahm eine ge­sün­de­re Far­be an, und als wäre er in einen hei­len­den Schlaf ge­fal­len, at­me­te er ru­hig ein und aus.

      Ka­ta­ku­ra Shi­ge­na­ga be­ob­ach­te­te uns ge­bannt und er­war­te­te je­den Au­gen­blick, dass wir uns er­he­ben wür­den, als das nicht ge­schah, wand­te er sich wie­der dem Fürs­ten zu:

      ›An­schei­nend ha­ben sie Er­folg ge­habt. Warum und wie lan­ge sie jetzt noch fort­fah­ren, kann ich aber nicht sa­gen.‹

      ›Wir wer­den se­hen, doch ihr Wort­füh­rer scheint kein Chi­ne­se zu sein. Ich habe das da­mals im Klos­ter schon ge­dacht, weil er da aber im­mer mit den Mön­chen zu­sam­men war, mich nicht wei­ter dar­um ge­küm­mert. Ir­gend­ein Ge­heim­nis um­gibt ihn, und sei­ne Aus­strah­lung ist sehr groß. Ich möch­te, dass du ihn dar­auf an­sprichst, wenn sie das hier be­en­det ha­ben.‹

      ›Ja mein Fürst!‹, sag­te der Sa­mu­rai und schau­te dem Dai­myo hin­ter­her, der sich wie­der zu den an­de­ren be­gab.

      Von all­dem hat­ten wir nichts mit­be­kom­men, und erst spä­ter hat mir Ka­ta­ku­ra Shi­ge­na­ga da­von er­zählt. Uns war aber nicht ent­gan­gen, dass wir eine Wir­kung er­zielt hat­ten. Nun woll­ten wir dem Mann noch Ener­gie für die wei­te­re Hei­lung mit­ge­ben und kon­zen­trier­ten uns auf die an­fäng­li­chen Ge­dan­ken.

      Erst ge­rau­me Zeit spä­ter ver­stän­dig­te ich mich in Ge­dan­ken mit Wang Lee, und wir öff­ne­ten die Au­gen. Wir sa­hen nicht nur, dass es dem Ver­wun­de­ten bes­ser­ging, wir hat­ten es auch ge­spürt. Er­freut über den Er­folg, stan­den wir auf.

      In die­sem Au­gen­blick merk­ten wir, wie viel Kraft uns die­se Ak­ti­on ge­kos­tet hat­te. Wang Lee tau­mel­te ei­ni­ge Schrit­te zur Sei­te, und ich muss­te die Au­gen schlie­ßen, da sich al­les zu dre­hen be­gann. Erst nach ei­ner Wei­le konn­te ich sie wie­der öff­nen, und auch Wang Lee kam, ein we­nig blass, wie­der zur Ruhe. Ka­ta­ku­ra Shi­ge­na­ga war in der Zwi­schen­zeit zu uns he­r­an­ge­kom­men und frag­te nun:

      ›Ist es so er­folg­reich ver­lau­fen, wie Sie ge­hofft hat­ten?‹

      ›Al­lem An­schein nach, ja. Für den Au­gen­blick ist die Ge­fahr ge­bannt, wie sich sein Zu­stand wei­ter­ent­wi­ckelt, kann ich aber nicht sa­gen.‹

      ›Ver­su­chen Sie es jetzt auch bei dem an­de­ren?‹

      ›Ich den­ke, so schnell geht das nicht! Wir müs­sen selbst erst ein­mal wie­der Kraft schöp­fen. Es hat uns mehr an­ge­strengt, als ich dach­te. Bit­te gön­nen Sie