Kein Himmel ohne dich. Kerstin Teschnigg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin Teschnigg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752913699
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ich Tylers Schlüssel in die Schale fallen, was mir einen schmerzhaften Stich versetzt. Wir haben in den letzten Tagen nicht miteinander gesprochen, nur hin und wieder eine kurze Nachricht, sonst nichts. Ich trete aus dem Badezimmer, wo ich gerade noch ein paar Dinge zusammen packe und stehe ihm mit einigen Metern Abstand gegenüber. Wieder ein schmerzhafter Stich. Er sieht mich an ohne eine Miene zu verziehen und kommt dann näher.

      „Hi“, sagt er leise.

      „Hi“, erwidere ich.

      „Packst du schon? Ziehst du jetzt endgültig aus?“, fragt er immer noch leise.

      Ich atme vorsichtig durch. „Ich fahre für ein paar Tage nach Schottland zu meiner Tante.“

      Er zieht die Augenbrauen hoch. „Nach Schottland?“

      Ich nicke.

      „Was willst du denn dort in der Pampa? Soviel ich weiß gibt es dort doch nichts als Gegend und Whisky. Meinst du das ist gut für dich?“

      „Das weiß ich nicht, aber ich denke die frische Luft wird mir guttun. Ich brauche Abstand und Zeit mich zu sammeln. Alles was passiert ist die letzten Monate macht mir zu schaffen.“

      „Können wir nicht noch einmal über alles reden, ich meine es kann doch jetzt nicht vorbei sein, oder?“

      „Ich will nicht mehr reden, es läuft immer auf das Gleiche hinaus. Vermutlich bin ich nicht die Richtige für dich“, entgegne ich.

      Er sieht zu Boden und sagt nichts darauf, sieht aus, als hätte er auch schon nachgedacht.

      „Triffst du sie weiterhin? Bitte sag mir die Wahrheit. Ich will es einfach wissen.“

      Er atmet hörbar ein und aus. „Ich mag Carolin, aber ich möchte dich nicht verlieren.“

      „Du magst sie, oder du liebst sie?“, frage ich ernst nach.

      „Das weiß ich nicht Holly, ich weiß aber, dass ich dich liebe, auch wenn im Moment alles schwierig ist.“

      „Jetzt hast du ja Zeit herauszufinden wie es weiter gehen soll. Ich für meinen Teil brauche Zeit um das alles zu verarbeiten. Ich möchte so nicht weiterleben. Wenn du mit mir allein nicht glücklich bist, wird sie nicht die Letzte sein mit der du mich betrügst. Das ist nicht die Art von Ehe die ich mir vorstelle. Ich will dich nicht teilen.“

      Ich sehe in seine Augen die plötzlich traurig aussehen. Eine Stimme in mir befiehlt mir ihn jetzt zu umarmen, aber ich will mich nicht darauf einlassen. Ich muss jetzt an mich denken. Darum drehe ich mich um und packe fertig zusammen. Er verschwindet in seinem Arbeitszimmer. Gerade als ich die letzten Reiseutensilien in meine Handtasche stecke kommt er wieder heraus und lehnt sich an die Wand.

      „Ich ruf dich an wenn ich dort bin“, sage ich und versuche dabei zu lächeln.

      „Geh nicht Holly“, sagt er fast tonlos, als ich zu ihm sehe, rollt ihm eine Träne über die Wange. Noch nie habe ich ihn so verletzlich gesehen. In mir baut sich ein fürchterliches Gefühl auf.

      „Ich muss gehen. Bitte mach es mir nicht so schwer.“

      Er kommt auf mich zu und diesmal weiche ich nicht zurück. Kurz lächelt er mich an, dann streicht er mir eine Haarsträhne zurück.

      „Ich habe dir wehgetan, dass weiß ich, auch wenn es vermutlich nichts bringt, es tut mir leid.“

      Da ich mit keiner Entschuldigung seinerseits gerechnet habe, bin ich jetzt völlig überfordert.

      „Hast du mich vor Carolin auch schon betrogen?“

      Diese Frage sprudelt unangekündigt aus mir heraus, auch wenn ich jetzt Angst vor der Antwort habe, doch er schüttelt den Kopf. Er nimmt mich ohne Vorwarnung fest in den Arm.

      „Nein habe ich nicht. Pass auf dich auf Holly.“ Dann drückt er mir einen Kuss auf die Wange. „Pass auf dich auf…“, murmelt er noch einmal.

      Jetzt kann ich die Tränen nicht mehr zurückhalten, denn auch wenn er mich noch umarmt spüre ich, dass es nicht nur ein Abschied für ein paar Tage ist. Ich spüre auch, dass Carolin nicht nur ein Seitensprung ist. Sie ist mehr für ihn, selbst wenn er mir das nicht ins Gesicht sagen kann. Tief im Inneren weiß ich, dass es aus ist. Ich löse mich von ihm und nehme meine Tasche. Kurz sehe ich noch einmal in seine Augen. Acht Jahre und jetzt? Jetzt stehe ich vor den Trümmern dieser Liebe. Es war so eine große Liebe. Ich versuche noch einmal zu lächeln, dann gehe ich.

      Kapitel 10

      Ich stehe an Deck der Fähre und lasse mir mit geschlossenen Augen den Wind durch die Haare wehen. Wir werden in Kürze die Insel erreichen. Die salzige Luft ist der Wahnsinn, auch wenn mir schon jetzt kalt ist. Ich bin im Moment einfach nur froh bald dort zu sein. Die Anreise war anstrengend und ich bin müde. Wäre schön, wenn ich hier endlich Schlaf finden würde. Die satte Luft sollte mir dabei helfen schlafen zu können. Ich habe mir vorgenommen viel spazieren zu gehen, Möglichkeiten gibt es auf der Insel ja zahlreiche. Und das Schönste dabei, hier begegnet man nicht so leicht anderen Menschen. Meine Panikattacken sollten sich also im Zaum halten. Ich denke an meinen letzten Sommer hier. Ich war knapp vierzehn. Meine Mutter war außerordentlich froh mich für ein paar Wochen los zu sein, so kommt es mir zumindest im Nachhinein vor. Ich war eigentlich auch froh, das Anwesen der Stewarts ist beachtlich. Ich durfte ausreiten, natürlich liebte ich wie alle Mädchen Pferde, und mit Vollblutpferden aus bester Zucht ist das wahrlich unglaublich. Keine Ahnung ob ich überhaupt noch reiten kann, früher beherrschte ich das ganz gut. Mein Vater hat es mir beigebracht. Er war ein Naturbursche und totaler Landmensch. Ich schätze er ist nur aufgrund der Liebe zu meiner Mutter in die Stadt gezogen. Doch die ließ sich von ihm scheiden, als ich noch in den Kindergarten ging. Heute weiß ich, dass Dad daran zerbrach. Vielleicht wurde er deshalb sterbenskrank. Ich atme tief durch. Auch wenn ich noch klein war werde ich nie seine warmen Augen vergessen. Er war ein wunderbarer Mensch. Er hat sich auch nach der Scheidung immer um mich gekümmert und sich Zeit für mich genommen, obwohl er einen sehr anstrengenden Job hatte. Während die Fähre anlegt, bin ich irgendwie nervös. Ich gehe voll bepackt von Deck und sehe Onkel James auch gleich. Seine Haare sind ziemlich grau geworden und seine Haut faltiger, doch sonst ist er noch ganz der Alte. Es ist so ein schöner Moment, dass mir fast die Tränen kommen. Jetzt erinnere ich mich wieder wie ähnlich er und Dad sich doch sind. Er umarmt mich fest zur Begrüßung.

      „Meine Güte Mädchen, wo ist denn die Zeit hin? Du bist ja erwachsen geworden.“ Er schüttelt mich musternd den Kopf. „Und noch hübscher als bei deinem letzten Besuch, du liebe Zeit…“

      Meine Wangen röten sich. „Du bist immer noch ein Schmeichler Onkel Jamie…“

      Ja, auch ich habe mich verändert. Vor allem habe ich ordentlich zugelegt, aber das scheint ihn nicht zu stören, auch wenn ich mich unwohl fühle. Auf der Fahrt zum Anwesen der Stewarts sehe ich die ganze Zeit aus dem Fenster. Ich habe komplett vergessen wie schön es hier ist. Das felsige grau gepaart mit den Weiten der grünen Felder ist unglaublich. Doch am unglaublichsten ist die Farbe des Himmels. Ich erinnere mich daran, dass mich der schon als Mädchen fasziniert hat. Am Meer ist die Farbe des Horizontes türkisblau anmutend und die Schaumkronen des rauschenden Meeres spiegeln sich in den Wolkenschwaden wieder. Alles hier wirkt wie eine verzauberte Welt.

      „Und? Wo ist dein Ehemann? Warum hast du ihn nicht mitgebracht?“, reißt mich Onkel Jamie aus meiner gedanklichen Schwärmerei.

      Ich wusste dass diese Frage kommen wird, aber so schnell, naja, dann habe ich es zumindest hinter mir. Zögerlich antworte ich ihm.

      „Das läuft im Moment nicht so gut…“

      Er lächelt mich an und klopft mir fast väterlich auf den Oberschenkel. „Also eine Auszeit.“

      Ich nicke. „Vielleicht auch mehr als nur eine Auszeit, ich weiß es nicht.“

      „Dein Vater ist auch immer gerne hier her gekommen um nachzudenken. Die Ruhe