Kein Himmel ohne dich. Kerstin Teschnigg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin Teschnigg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752913699
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Wahrheit.“

      „Und dann? Was dann? Haust du dann ab?“, fragt er zögerlich.

      Ich sehe ihn wieder an und gebe keine Antwort auf seine Frage.

      „Scheiße! Ja! Verdammt nochmal!“, schreit er lauter als nötig. „Und wenn schon, es ist nur Sex.“

      Auch wenn ich es schon gewusst habe, tut es schrecklich weh, mir reißt es den Boden unter den Füßen weg. Er kommt auf mich zu, aber ich stoppe ihn ab.

      „Nein…Nein Tyler. Ich kann das nicht mehr.“

      „Wir können das schaffen Holly…“, jammert er, was mich absolut kalt lässt, worüber ich selbst verwundert bin.

      Dann drehe ich mich um und verlasse das Wohnzimmer. Als hätte ich es geplant, was nicht der Fall ist, hole ich meine Tasche und fange an ein paar Sachen einzupacken. Tyler rennt mir wie ein kleiner jammernder Hund hinterher, doch ich lasse mich nicht umstimmen.

      „Wo willst du denn hin?“, fragt er mich während ich in meine Schuhe schlüpfe.

      „Vorerst zu Amy. Ich kann das nicht mehr Tyler. Ich kann das nicht.“ Ich habe Mühe nicht zu weinen, doch ich will nicht mehr vor ihm weinen.

      „Er reibt sich die Stirn. „Können wir nicht darüber reden? Ich will nicht, dass du jetzt gehst.“

      Ich schüttle den Kopf und senke meinen Blick. „Wir haben geredet. Schon vor Wochen. Es gibt jetzt nichts mehr zu sagen. Ich muss nachdenken und ich will keine Tabletten mehr nehmen. So schaffe ich das nicht.“

      „Und dann? Was ist, wenn du nachgedacht hast?“

      Ich zucke mit den Schultern, denn das weiß ich selbst nicht.

      „Denk du mal nach was du willst, vielleicht wäre das ein Anfang.“

      Dann nehme ich ohne ein weiteres Wort meine Tasche und verlasse das Haus. Auf dem Weg zu Amy versuche ich mich zusammen zu reißen und bleibe recht überlegt und ruhig. Doch als sie die Türe öffnet und mich mit meiner Tasche in der Hand ansieht kann ich nicht mehr. Alles in mir und um mich herum scheint rücksichtlos einzustürzen. Es ist zu viel. Einfach zu viel. Fast hätte ich heute einen Rückfall bekommen. Ich will das alles nicht mehr. Ich will einfach nicht mehr so leben. Tyler war immer alles für mich, er ist es vermutlich trotz allem immer noch, aber er scheint das anders zu sehen. Ich wünsche mir einfach nur, dass alles gut wird.

      Kapitel 9

      Amy sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ja – es geht mir schlecht. Sehr schlecht sogar. Ich weiß nicht wie es weitergehen soll und das Nachdenken der vergangenen Tage hat mich auch nicht weitergebracht. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl auf der Stelle zu traben. Es tut weh. Unglaublich weh. Es ist nur Sex hat er gesagt. Nur Sex. Mir wird täglich bewusster, dass ich ihm scheinbar nicht geben kann was er will und braucht. Ich bin zwar die Frau die er geheiratet hat, aber nicht die Frau die auch seine Geliebte sein kann. Immerzu denke ich darüber nach. Dieses zermürbende Nachdenken macht mich wahnsinnig. Momentan halte ich auch keine anderen Menschen in meiner Nähe aus. Ich wollte gestern einkaufen gehen, habe aber noch vor dem Laden wieder umgedreht, weil ich komplett panisch wurde. Erst jetzt wird mir klar wie sehr mir die Medikamente fehlen. Ich weiß, dass es mir mit ein einigen bestimmten Tabletten sofort wieder besser ginge. Zumindest für ein paar Stunden. Doch das ist der Punkt. Ein paar Stunden, das ist mir zu wenig. Ich muss endlich raus aus diesem Sog. Heute hat mich zu allem Übel noch meine Mutter angerufen. Sie meint ich solle schleunigst wieder zu Tyler zurück. Männer sind so und ich soll mich nicht so anstellen, hat sie mir erklärt. Manchmal müsse man eben Dinge über sich ergehen lassen und vergeben können. Ich habe nichts anderes erwartet. Sie ist immer auf Tylers Seite, egal was er tut.

      „Du solltest dich erholen, mal woanders hin. Vielleicht ans Meer oder so. Hier schnappst du noch komplett über“, meint Amy und stellt mir eine Tasse Tee vor die Nase.

      „Allein? Das schaffe ich nicht. Gehe ich dir schon auf die Nerven?“

      Sie schüttelt schnell den Kopf. „Natürlich nicht, aber du brauchst einen Tapetenwechsel. Du kannst dich nicht ewig hier einsperren. Willst du nicht doch deine Mutter besuchen, sie hat so ein schönes Haus am Land.“

      „Nein Amy, wirklich nicht.“ Ich verdrehe schnaufend die Augen.

      Ja, das Haus ist traumhaft. Mit einem herrlichen Garten, nicht weit vom Meer. Sie hat es ihrem vierten Ehemann Steven zu verdanken in solch einer noblen Umgebung zu wohnen. Es ist fast skurril, dass sie mir Beziehungsratschläge geben will, wo sie doch selbst die Männer nach Belieben wechselt, wobei ich glaube, dass sie bei Steven angekommen ist. Nach dem Tod meines Vaters als ich acht Jahre alt war, habe ich zahlreiche Ersatzväter erlebt. Sie hat sich immer genommen was sie wollte und brauchte und zumeist auch alles bekommen. Steven ist ein einflussreicher Stadtpolitiker mit beachtlichem Stammbaum. Meine Mutter liebt es im Rampenlicht zu stehen und bewundert zu werden. Ich habe das Gefühl ich war ihr dabei immer im Weg. Doch genau darum ist Steven der richtige Ehemann für sie, sie kann sich in seinem Schein aalen und er trägt sie auf Händen.

      Amy reibt sich überlegend die Stirn. „Du hast doch eine Tante in Schottland, oder?“

      Überrascht sehe ich sie an, dass sie sich daran erinnert, ich habe ewig nicht mehr daran gedacht, geschweige denn davon gesprochen.

      „Ja, Tante Eliza und Onkel James.“

      „Kannst du da nicht hin um ein bisschen Ruhe zu finden? Es ist doch bestimmt schön dort.“

      Ich lehne mich nachdenklich zurück. Als Mädchen war ich öfter in den Ferien zu Besuch, James ist der Bruder meines verstorbenen Vaters. Er ist Verwalter auf dem riesigen Gut der Stewarts auf der Isle of Arran. Sie wohnen dort in einem dem Anwesen angeschlossenen Haus. Tante Eliza kocht für die Familie Stewart. Alles Lords. Ich muss für mich selbst schmunzeln, weil ich mich an Lord Peter, den Sohn erinnere. Er ist in etwas älter als ich und ein komplett irrer Draufgänger. Gar nicht so adelig anmutend. Das Gut ist riesig und wenn ich mich recht erinnere produzieren die Stewarts einen der besten Whiskys Schottlands.

      „Das ist eigentlich eine wunderbare Idee“, lächle ich Amy an. „Ich rufe Tante Eliza gleich an.“

      Das mache ich auch wirklich sofort, sie ist ziemlich überrascht dass ich mich wieder einmal melde. Ich war fast zwanzig Jahre nicht mehr dort und habe auch sonst nicht viel von mir hören lassen. Sie ist aber gleich total aus dem Häuschen, dass ich kommen will. Bevor ich auflege erklärt sie mir noch einmal wie ich genau vom Festland auf die Insel komme. Ich soll mich unbedingt melden wenn ich von der Fähre steige, damit mich Onkel James abholen kommt.

      Nachdem ich noch einmal eine Nacht über mein Vorhaben geschlafen habe, bin ich sicher, dass mir ein bisschen frische schottische Luft und Abwechslung gut tun wird. Ich habe Tyler Bescheid gegeben, dass ich in die Wohnung komme. Er weiß noch nicht, dass ich nach Schottland will. Ich bin mir aber sicher, dass er es nicht gut finden wird. Es fühlt sich komisch an die Treppe zu unserer Wohnung hochzugehen. Ich schließe die Tür mit zittrigen Händen auf. Tyler ist noch gar nicht hier. Vielleicht ist er wieder mit Carolin im Bett. Womöglich treibt er es demnächst in unserem Bett mit ihr. Ich schließe kurz meine Augen und atme tief durch. Ich muss aufhören darüber nachzudenken, es macht mich irre. Immer noch habe ich die Bilder von den beiden vor Augen, als ich sie bei der Präsentation in flagranti erwischt habe. Ich bleibe im Flur stehen. Es tut weh. Weh hier zu sein. Es ist auch mein zuhause und jetzt weiß ich nicht, ob ich jemals wieder hier wohnen werde. Ich denke inzwischen intensiv über eine Trennung nach. Alles hier bin auch ich. Ich habe die Möbel ausgesucht und der Wohnung Leben eingehaucht. Es ist unsere Wohnung. Ich erinnere mich wie glücklich wir waren den Zuschlag für das Objekt zu bekommen. Wir wollten immer in Canterbury wohnen. Die Stadt ist traumhaft und die Nähe zu meiner und Tylers Arbeit hat uns die Entscheidung ganz leicht gemacht. Diese Wohnung war noch das Sahnehäubchen auf unserem frisch verheirateten Glück vor drei Jahren. Sie ist traumhaft geschnitten mit großzügigen Räumen und außerdem hell