Mit toten Wangen raten sie Entweichen
Dem Todesnetz, das alle muß erreichen.
PERIKLES.
Antiochus, viel Dank, daß du mich lehrst,
Wie meine schwache Menschheit sich erkennt,
Daß ich bei diesen Schrecknissen bereite
Mich selbst zu dem, was mich, wie sie, betrifft;
An Tod gedenken, heißt im Spiegel schau'n,
Wie Leben Hauch und Irrtum ihm vertrau'n;
Drum an mein Testament; wie Krank' in When
Die Welt erkennen, Himmel vor sich seh'n,
Und nicht, wie sonst, nach Erdenfreuden haschen;
Dir, allen Edlen sei des Friedens Gut,
Den sollte wünschen jedes Fürsten Mut,
Mein Reichtum sei der Erde, die ihn gab,
Doch dir die reine Flamme meiner Liebe.
Bereitet so zu Leben oder Tod,
Erwart' ich nun den Schlag, Antiochus,
Vorsicht verschmähend; laß das Blatt mich lesen.
ANTIOCHUS.
Gelesen, nicht erklärt, ist es beschlossen,
Du hast, wie diese hier, dein Blut vergossen.
DIE TOCHTER.
Was du gesagt, sei dir zum Glück beschert,
Was du gesagt, das wünsch' ich dir zum Heil.
PERIKLES.
Ein kühner Ritter tret' ich in die Schranken,
Von keinem Sinnen sonst mehr Rat erforschend,
Als nur von Mut und Treue.
Liest das Rätsel.
Ich nähre mich, nicht Viper zwar,
Vom Mutterfleisch, die mich gebar;
Den Mann sucht' ich, in dem Bemüh'n
Des Vaters Liebe mir erschien,
Er Vater, Sohn ist und Gemahl,
Ich Mutter, Weib und Kind zumal;
Wie das geschieht, da zwei wir sind,
Wollt Ihr nicht sterben, sagt geschwind.
Das letzt' ist bitt'rer Trank. – Gabt ihr, ihr Mächte!
Des Menschen Tun zu sehn, dem Himmel tausend Augen,
Wie wölken sie nicht immerdar die Blicke?
Ist wahr, was mich im Lesen hier erbleicht? –
Dich liebt' ich, schön Kristall! Nun stirbt der Wille,
Der reiche Schrein ist nur der Gräuel Hülle;
Ja, jetzt empört dagegen sich mein Herz.
Kein Mann von Tugend folgt so schwachem Rat,
Daß, weiß er Sünde drin, dem Tod er naht;
Schön bist du, Laute, und dein Sinn die Saiten,
Du würdest, recht gerührt, Musik ertönen,
Daß Himmelsgötter kämen, dir zu lauschen;
Doch nun, da du gespielt vor deiner Zeit,
Tanzt Hölle nach dem Ton der Heiserkeit.
Fahr' hin, du kümmerst mich nicht mehr.
ANTIOCHUS.
Nicht angerührt, mein Fürst, bei deinem Leben!
Denn das ist ein Artikel unsrer Satzung,
Wie jenes, tödlich. Deine Zeit ist um,
Nun lös' es, oder laß dein Urteil sprechen.
PERIKLES.
Monarch! Ungern hört man die Sünde, gern getan,
Ich schölte Euch zu arg, wenn ich es sagte:
Wer in ein Buch verfaßt, was Kön'ge tun,
Verschließt es sichrer wohl, als er es zeigt;
Erzähltes Laster fährt wie Wind dahin,
Bläst Staub in andrer Augen, sich verbreitend;
Doch ist es endlich nur erkauft zu teuer,
Der Hauch verweht, das kranke Aug' sieht freier,
Und scheut die Luft; der blinde Maulwurf hügelt
Gen Himmel, klagt, die Erde sei bedrückt
Von Menschen, dafür stirbt der arme Wurm.
Ein Fürst ist Erdengott, Gesetz wird sein Verbrechen:
Schweift Zeus auch aus, wer wird von ihm als Sünder sprechen?
Genug schon, daß du's weißt, es will sich schicken,
Das, was bekannt verschlimmert, zu ersticken.
Den Leib liebt jeder, der uns Nahrung gibt,
Vergönnt, daß so ihr Haupt die Zunge liebt.
ANTIOCHUS.
O Himmel! Hätt' ich doch dein Haupt! Er fand den Sinn;
Doch will ich mit ihm heucheln. – Junger Fürst,
Obgleich nach unsrer strengen Satzung Kraft,
Da deine Deutung fälschlich ausgefallen,
Wir deine letzte Stunde könnten messen;
Doch Hoffnung, die so schönem Baum entsprießt,
So edlem Stamm, hat anders uns gestimmt;
Wir gönnen Euch noch vierzig Tage Frist,
Entschleiert das Geheimnis in der Zeit,
Die Güte zeigt, daß Ihr als Sohn uns freut;
Bis dahin wird man Euch hier unterhalten,
Wie's Eurer Her' und Eurer Würde ziemt.
Sie gehn ab.
PERIKLES allein.
Wie Höflichkeit die Sünde gern bedeckte
Dann gleicht dem Heuchler die gescheh'ne Tat,
Der Gutes nichts, als nur den Anschein hat;
Denn wär' es wahr, daß ich hier falsch erklärt,
So hättet Ihr so schändlich nicht befleckt
Die Seelen mit blutschänderischem Greuel;
Wo du nun beides, Vater bist und Sohn,
Dein eigen Kind gottlos in Armen hältst,
(Die Freude, die dem Mann, nicht Vater ziemt)
Und sie sich nährt von ihrer Mutter Fleisch,
Da sie das elterliche Bett entehrt,
Und beide Schlangen gleich, die schöne Blüten
Genießen, und doch tödlich Gift nur brüten.
Fahr' wohl, du Stadt, denn Weisheit lehrt, daß wer
Nicht Taten, dunkler als die Nacht, vermied,
Nichts scheuen wird, daß sie das Licht nicht sieht;
Denn eine Sünde weckt die andre auch,
Mord ist Nachbar der Lust, wie Flamm' und Rauch.
Gift