Renaissance 2.0. Christian Jesch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Jesch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754127643
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Gebäudes." Tandra und Jikav begriffen umgehen die Befürchtungen des Kommandanten. Die Proteqtoren waren ein unkalkulierbares Risiko.

      "Dann müssen wir uns bis ins kleinste Detail vorbereiten."

      "Von Ihnen ist aber keiner Pumar. Kurze Zeit, nachdem wir die Pläne des Schlosses übergeben haben…", den Rest des Satzes ließ der Kommandant offen.

      "Ich gehe mal davon aus, Pumar verschwand gleich nach dem Schlossbesuch."

      "Genauso ist es", bestätigte Vecal.

      "Kannst du dich an irgendetwas in diesem Zusammenhang erinnern, Tandra?", fragte ihr Freund vorsichtig.

      "Ich bin mir nicht sicher." Sie machte eine Pause und legte die Stirn in Falten. "Ich muss in Ruhe darüber nachdenken. Es gibt da so einige Geistesblitze, die ich jedoch noch nicht richtig zuordnen kann."

      "Was bedeutet das?", fragte Kommandant Vecal neugierig und auch ein wenig verständnislos. Jikav beschloss, den Kommandanten in Tandras Geheimnis einzuweihen.

      "Tandra ist ein menschlicher eProm. Sie kann jederzeit auf eine neue Person programmiert werden. Leider behält sie dabei nicht immer alle Erinnerungen. Vor einiger Zeit wurde sie zu ihrem eigenen Schutz in eine einfache Wohnheimleiterin umprogrammiert."

      "Schutz vor was?", unterbrach Vecal den jungen Renegaten.

      "Das weiß ich nicht und Tandra kann sich auch noch nicht daran erinnern. Jedenfalls wurde dieses Programm dann in der vorletzten Woche wieder gegen ihr Renegatenausbildung ausgetauscht, weswegen sie noch nicht wieder alle Informationen hat." Vecal stand mit offenen Mund da. Sekundenlang regte er sich nicht. Dann kam erneut Leben in ihn.

      "Aber, als Sie hier waren, als die rechte Hand von Pumar, da waren Sie doch eine Renegatin. Richtig?"

      "Davon können Sie ausgehen."

      "Dann könnte Ihr Schutz doch etwas mit dem Verschwinden von Pumar zu tun haben?"

      "Ich bin jetzt mal ganz ehrlich zu Ihnen, Kommandant", sagte Tandra verzweifelt und holte tief Luft. "Ich habe keine Ahnung, ob ich Pumar jemals begegnet bin. Ich habe das nur gesagt, weil es zeitlich alles zusammenpasste und damit wir endlich weiterkamen. Sonst hätten sie mir wahrscheinlich nie die Unterlagen und den Bauplan, beziehungsweise die Platine gezeigt." Ein weiteres Mal öffnete sich der Mund von Vecal, als wollte er etwas sagen. Blieb dann allerdings stumm. Da hatte diese junge Frau ihn doch glatt so leicht überrumpeln können. Wie konnte er nur so dumm sein?

      "Aber irgendetwas muss ich ja wohl damit zu tun gehabt haben", fuhr sie fort. "Sonst wäre ich nicht bei Ihnen gewesen." Plötzlich zeichnete sich in ihrem Gesicht eine Eingebung ab. "Möglicherweise hatte ich aber auch meinen eigenen Auftrag", wendete sie sich jetzt an Jikav. Diese Erkenntnis überfiel sie so plötzlich, dass sie Bestätigung brauchte. Was wäre, wenn sie nur zufällig zur gleichen Zeit in Akeḿ gewesen wäre?

      "Du meinst, es wurde zweimal der gleiche Auftrag vergeben? An dich und an einen Spezialagenten? Das ist doch sinnlos", sagte Jikav verwirrt.

      "Sehe ich auch so. Was könnte ich besser, als Pumar? Dann hätten sie doch besser Panthero schicken sollen. Du wärst doch für solche Aufgaben weitaus besser ausgebildet gewesen, als ich."

      "Vielleicht war das der Grund, warum ich nach Akeḿ fliegen sollte, um Pumar zu finden und zu unterstützen. Und nur, weil ich nicht rechtzeitig hier eingetroffen bin, wurde die Mission abgebrochen oder gar zu einem Fehlschlag. Das erklärt so einiges", beendete Jikav seinen Gedankengang. Kommandant Vecal verstand kein Wort von dem, was er hörte.

      Kapitel 17

      "Wie lange glauben Sie, benötigen wir zu der Anlage?", fragte Neyton vorsichtig bei Ysana an. Zu Recht hatte er immer noch das Gefühl, die Anführerin der Liga würde ihm nicht trauen. Oder seinen Leuten, die wirklich nicht alle hinter seiner Entscheidung standen. Einige von ihnen hielten das Handeln von Neyton für zu eigenmächtig und überhastet. Er hatte in seinem Überschwang noch nicht einmal ansatzweise die übrigen Mitglieder der Gruppe nach ihrer Meinung befragt. Eine gewisse Unruhe war seit dem eingekehrt.

      "Das hängt davon ab, ob einige Ihrer Gruppe Schwierigkeiten machen oder nicht", bestätigte Ysana seine Befürchtungen. "Und Sie müssen sich auch noch bewähren." Neyton schaute sie überrascht an. "Ich kann sehr überzeugend sein. Das heißt aber nicht, dass alle bei dieser Überzeugung bleiben, wenn es darauf ankommt."

      Neyton schwieg zu dieser offenen Anmerkung. Unrecht hatte Ysana nicht. Ihre Rede hatte ihn gefangen genommen und dazu gebracht für den Moment über die Situation nachzudenken. Doch erst später wurde ihm klar, dass er in keinster Weise sagen konnte, wie dieses Mädchen seine Ansprüche durchsetzen wollte und ob ihm das gefallen würde. Sie war von sich überzeugt und, zumindest traute er ihr das zu, sie ging über Leichen, wenn es sein musste. Und das war etwas, das ihm Bauchschmerzen bereitete. Was würde Ysana mit ihm und seinen Leuten machen, wenn es darauf ankam und sie nicht mitzogen? Er hatte mit seiner Gruppe einfach zu lange im Wald gelebt, hatte zu sehr den Kontakt zur Realität verloren, hatte sich zu sehr an die Ruhe und den Frieden gewöhnt. Was jetzt auf ihn wartete, wurde beim Verlassen des Waldes nicht von ihm bedacht.

      "Zweifel?", fragte Ysana ihn unerwartet, während sie den Mann schräg von der Seite betrachtete.

      "Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt habe ich ein wenig Angst. Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, was uns hier, in dieser Welt, erwartet."

      "Das werden Sie noch früh genug erkennen. Dann werden Sie und ihre Leute entweder wegrennen, wie die Hasen, oder für das kämpfen, was Ihnen zusteht. Wenn Sie oder jemand anderes aus ihrer Gruppe keins von beidem tut, ist diese Person tot. So ist das wahre Leben eines Mutanten unter der Herrschaft von Mår-quell."

      "Jetzt mache ich mir richtige Sorgen um meine Gefolgschaft", stöhnte Neyton auf.

      "Wir werden uns heute Abend zusammensetzen. Ihre Leute und meine. Und ich werde den Ihren genau erklären, wie diese Realität abläuft. Wer dann noch bei mir bleiben will, sollte wissen, worauf er oder sie sich einlässt. Alle anderen sollen zurück in den Wald gehen und sich weiterhin verstecken."

      "Ich denke, es wird schwierig werden, die jungen Menschen zu überzeugen, in den Kampf zu ziehen, wie Sie sich das vorstellen."

      "Das ist mir klar. Doch das müssen sie nun mal. Andernfalls werden sie ihre Daseinsberechtigung auf diesem Planeten im Laufe der Zeit vollkommen verlieren. Und das liegt nicht allein an mir."

      "Ich verstehe."

      "Bislang ist noch alles friedlich. Aber warten sie erst einmal, bis die entsprechenden Organisationen auf uns aufmerksam geworden sind und herausfinden, was wir vorhaben. Dann wird die Jagdsaison auf uns eröffnet und der Kampf beginnt."

      "Und jeder, der dann nicht bereit ist, sich zu wehren…"

      "...der wird entweder getötet oder gefangen genommen", unterbrach Ysana Neyton. "Wobei tot besser ist, als gefangen."

      Erneut verfiel Neyton in ein langes, nachdenkliches Schweigen. Wie sollte er nur seine ahnungslosen Mitstreiter auf diese Brutalität vorbereiten? Wie sollte er sie davon überzeugen, dass es besser ist zu töten, als umgebracht oder gefangen genommen zu werden? Einige von ihnen konnten noch nicht einmal ein Tier töten, um es zu schlachten, damit die Gemeinschaft etwas zu essen hatte. Diese wenigen würden wahrscheinlich die ersten Opfer des Krieges sein, an dessen Schwelle er jetzt mit Ysana zusammen stand. Und, war er überhaupt bereit dazu? Diese Frage überfiel ihn so plötzlich, dass er fast stolperte. Ysana bemerkte dies. Sie konnte nur erahnen, was Neyton gerade durch den Kopf ging, aber sie war sich sicher, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag.

      "Wir hätten uns in Akeḿ mit Proviant versorgen sollen", unterbrach Neyton überraschend die Stille. "Wir habe nicht genug mitgenommen, um alle über einen längeren Zeitraum zu versorgen."

      "Ich hatte meine Gründe, warum wir nicht nach Akeḿ gegangen sind. Diese Stadt ist eine Hochburg der Sturmredner und ich habe weder die Lust noch die Zeit sie ebenfalls in Schutt und Asche zu legen."

      "Wie darf ich das verstehen?", fragte der Mann nachdenklich.