Böse Obhut. Patricia Weiss. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patricia Weiss
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738090147
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mich an."

      Kurz darauf kam sie mit einer Tasse zurück und stellte sich zu den Freundinnen. „Was gibt es Neues? Verfolgt ihr eine geheimnisvolle Spur?"

      Die beiden Detektivinnen schüttelten den Kopf.

      „Nicht wirklich", sagte Gilda. „Wir suchen die Adressen ehemaliger Mitschüler eines Politikers aus Düsseldorf. Er möchte ein Schultreffen organisieren."

      „Ihr hattet schon spektakulärere Fälle", stimmte Barbara zu. „Aber Düsseldorf ist relativ weit weg. Wie seid ihr an den Auftrag gekommen?"

      Laura trat gegen die Kälte von einem Bein auf das andere. „Unser Klient möchte nicht, dass in seinen Kreisen bekannt wird, auf welche Schule er gegangen ist. Deshalb wollte er den Auftrag in eine andere Stadt geben. Er kennt Anwalt Herckenrath, der uns empfohlen hat." Dass Schlüter sie unbedingt hatte engagieren wollen, weil sie auf 'Bagatellfälle' spezialisiert waren, ließ sie weg.

      „Was ist das für eine Schule?"

      „Sie heißt Waldheim und liegt in Waldheim im Sauerland. Ein Internat für Schwererziehbare." Gilda stellte die Tasse ab und malte mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft.

      „Verstehe. Für einen Politiker natürlich keine gute Empfehlung. Waldheim ..." Barbara tippte mit dem Zeigefinger nachdenklich auf die Unterlippe. „Das habe ich schon mal gehört. Allerdings in keinem schönen Zusammenhang. Kann es sein, dass die früher nicht gut mit den Schülern umgegangen sind?"

      „Ja, das kann sein. Unser Klient hat erzählt, dass einige Ehemalige Ansprüche an den Fonds für Heimkinder stellen möchten. Irgendetwas könnte also vorgefallen sein." Laura nippte an ihrem Glühwein.

      „Genau, jetzt weiß ich es: Bei dem Empfang nach meinem Konzert in Köln hat einer der Gäste über Waldheim gesprochen." Eine zarte Röte stahl sich in ihr Gesicht, sie schaute zu Boden.

      „Weißt du, wer?" Laura sah Barbara neugierig an.

      „Ich kenne ihn nicht. Ein hagerer Mann, ein bisschen älter als wir. Er sah irgendwie schlecht aus, als wäre er krank, und war mit einem Pfarrer da." Barbara schaute immer noch zu Boden, die Röte auf ihren Wangen hatte sich verstärkt.

      „Schade. Was für eine Veranstaltung war das?"

      „Eine Wohltätigkeitsgeschichte, aber vom Feinsten. Professor Martin von der Suchtklinik in Marienburg hat sie organisiert. Nach meinem Konzert gab es einen schicken Empfang mit einer Wahnsinns-Tombola. Du glaubst gar nicht, was für Preise da gestiftet worden sind. Eine Reise in die USA, ein Kleinwagen und ein Einkaufsgutschein von Dior. Die müssen unheimlich viel Geld eingenommen haben. Ich hätte gern ein Los gekauft, aber dann wäre meine Gage gleich wieder weg gewesen. Und die ganze Nacht wurde getanzt." Barbara sah weiter hartnäckig zu Boden.

      „Wofür wurde gesammelt?", fragte Gilda mit glänzenden Augen.

      „Es ging um ein Projekt, das Jugendliche beim Drogenausstieg unterstützt."

      „Das könnte der Schulfreund von unserem Klienten gewesen sein, den du da getroffen hast." Laura schaute Gilda nachdenklich an. „Der arbeitet bei einer Drogenberatungsstelle. Wir müssen ihn noch befragen. Am Telefon wird das kaum möglich sein, also steht uns noch eine Reise bevor."

      Gilda lachte. „Laura, Köln ist um die Ecke. Ich fahre da abends hin, wenn ich ausgehen möchte. Das ist keine Weltreise."

      „Welche Reise habt ihr denn noch vor?", schaltete sich Barbara ein.

      Laura seufzte. „Wir müssen ins Sauerland fahren, um Einblick in die Akten der ehemaligen Schüler zu nehmen. Das ist ein ganzes Stück zu fahren, man muss wenigstens einmal übernachten. Ich kann mir im Moment wirklich Besseres vorstellen."

      „Das ist doch toll! Solche Örtchen können sehr malerisch sein. Vielleicht liegt dort sogar Schnee? Das ist total romantisch."

      Barbaras Begeisterung steckte Laura nicht an. „Dann solltest du fahren."

      „Weißt du was? Das mache ich. Ich begleite dich. Zusammen ist es viel lustiger und helfen kann ich dir auch, dann geht es schneller."

      Lauras Gesicht hellte sich auf. „Würdest du tatsächlich mitkommen? Das wäre super. Aber ich möchte morgen starten. Kannst du dir so kurzfristig Zeit nehmen?"

      Barbara nickte. „Klar, zwei, drei Tage sind kein Problem, das kriege ich hin. Es wird mir gut tun, mal rauszukommen und den Kopf freizukriegen."

      „Wunderbar!" Laura freute sich. „Dann starten wir morgen in aller Frühe. Gilda, meldest du uns bei der Internatsleitung an? Und kannst du uns zwei Hotelzimmer buchen? Hoffentlich gibt es in dem Kaff überhaupt eine Übernachtungsmöglichkeit."

      Gilda sammelte die mit Weihnachtssternen verzierten Steingut-Becher ein. „Ja, das erledige ich gleich als Erstes, wenn wir im Büro sind. Und dann fahre ich nach Köln und spreche mit dem Mann von der Drogenberatung, sonst ist die Agentur morgen verwaist. Wir können ja schlecht Justin an den Empfang setzten."

       5

      Gilda trat aus dem Kölner Hauptbahnhof auf den zugigen Vorplatz und zog fröstelnd ihren Schal enger um den Hals. Über ihr ragte der mächtige Dom in den bedeckten Himmel, auf dem Taxiplatz herrschte ein Chaos aus Menschen, Autos und Lärm. Sie tippte die Ziel-Adresse in ihr Handy ein, ließ sich die Route anzeigen und erklomm die Stufen zur Domplatte. Die Handtasche eng an den Körper gepresst musste sie sich fast gewaltsam durch den Strom von japanischen Touristen und einkaufsfreudigen Passanten schieben.

      Auf dem Alter Markt wurde das Gedränge sogar noch größer und obwohl es erst Nachmittag war, grölten Betrunkene vor den Kneipen. Gilda zog den Kopf ein, drückte sich rücksichtslos durch die Menge und war erleichtert, als sie die Gasse gefunden hatte, die zur Kirche und zur DROBERA führte.

      Erst auf den zweiten Blick entdeckte sie das baufällige Häuschen, das mehr einer Bretterbude glich, in dem die Beratungsstelle untergebracht war. Zu ihrer Überraschung waren Teile des Kirchenvorplatzes mit rot-weißem Plastikband abgesperrt. Auf den Kirchenstufen sah sie mit Kreide gezogene Umrisse eines schmalen, menschlichen Körpers. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.

      War hier ein Mord passiert?

      Sie schüttelte sich und ging entschlossen zum Eingang. Noch bevor sie klopfen konnte, öffnete sich die Tür. Vor ihr stand eine Frau, etwa im gleichen Alter, mit langen, schwarzen Haaren und einem viel zu großen Wollpulli.

      „Bist du einer von den Pressefutzies?"

      Gilda schüttelte den Kopf. „Nein. Was ist denn vor der Kirche passiert?"

      Die Schwarzhaarige ignorierte die Frage. „Was willst du? Schieb lieber ganz schnell wieder ab."

      Gilda räusperte sich. „Ich möchte zu Michael Ehrling. Darf ich hereinkommen?"

      Das Mädchen warf einen Blick hinter sich in den Raum und gab widerstrebend den Weg frei. Gilda trat ein und sah sich einem hageren, großen Mann mit hängenden Schultern gegenüber, der sie gleichmütig ansah.

      „Sind Sie Herr Ehrling?"

      „Ja. Worum geht es?" Seine Stimme klang müde, aber angenehm. Gilda ging einen Schritt auf ihn zu, blieb aber ruckartig stehen, als sie den stechenden Geruch von Alkohol wahrnahm. Er hatte getrunken.

      „Komme ich ungelegen?"

      Michael Ehrling zuckte die Achseln, dann wies er fahrig auf einen Stuhl. Gilda interpretierte das als Einladung, legte die Umhängetasche auf den Tisch und setzte sich.

      „Mein Name ist Gilda Lambi von der Detektei Peters in Bonn. Ihr Freund Bernd Schlüter hat uns beauftragt, mit Ihnen zu sprechen. Er sagte, dass Sie ein Schultreffen organisieren möchten, dafür hat er uns um Unterstützung gebeten."

      „Soso. Bernd schickt dich und hat gesagt, ich wolle ein Schultreffen organisieren. Na ja, er hatte schon immer seine eigene