Die Seelen der Indianer. Nina Hutzfeldt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Hutzfeldt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738086799
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ist das?« Ich runzelte die Stirn, als ich auf dem Foto ein kleines, in Eigelb gestrichenes Haus erkannte.

      »Vor ein paar Wochen wurden wir von einer Erbermittlungsagentur angeschrieben, die uns mitteilten, dass dein leiblicher Großvater gestorben sei.« Papa holte aus dem Briefumschlag einen weiteren kleineren Umschlag, den er mir gab. »Erst dachten wir, es sei ein geschmackloser Scherz, denn wir hatten dich damals anonym adoptiert.«

      »Doch nachdem wir mit der Agentur telefoniert hatten, versprach eine Mitarbeiterin uns, weitere Angaben über das Erbe zu schicken.« Mama nahm das zweite Anschreiben.

      »Hier, durch die Recherchen der Agentur wurde auch ein Stammbaum erstellt, der dich vielleicht interessiert.«

      Brian Jameson --------Mary-Ann Jameson

      (1932--2012) (1932--2000)

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      I-------------------------------I

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      Sue-Ann Jameson -----------?

      (19570--1996) I

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      Jordan Vogel (Jameson)

      (25.11.1995-- )

      »Meine leibliche Mutter ist tot.« Ich spürte, wie ein Kloß in meinem Hals anschwoll und ich kaum noch Luft bekam. Obwohl ich wusste, dass ich adoptiert war, konnte ich meine jetzigen Gefühle kaum beschreiben. Ich fühlte mich, als stünde ich vor einem übergroßen Staubsauger, der anfing jegliches Leben aus mir zu saugen.

      »Darf ich das Bild mal haben?«, fragte Lena.

      Ich war wie erstarrt, so dass ich es einfach auf den Tisch fallen ließ. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Bitte schaut mich doch nicht so an, wollte ich sagen, doch der Kloß in meinem Hals hinderte mich daran.

      »Dein Vater ist unbekannt.«

      Das weiß ich auch, schrie meine innere Stimme.

      Meine Mama stand auf und nahm mich in den Arm. »Es tut mir leid. Ich wollte, ich hätte bessere Neuigkeiten für dich.«

      Ich schluchzte wegen Menschen, die ich nicht kannte.

      »Wir wussten nicht, ob wir es dir überhaupt erzählen sollten, doch hast du ein Recht darauf, es zu erfahren.« Papa schenkte sich Tee nach, stand danach auf und brühte in der Küche neuen Tee auf. Danach kam er mit einer vollen Kanne und einem Paket Taschentücher zurück.

      Kevin und Lukas hatten es sich bereits auf ihren Stühlen bequem gemacht. Sie sahen besorgt aus, wussten nichts zu sagen. Vielleicht war es auch besser so, denn was konnte man in so einer Situation schon entsprechendes sagen?

      »Hier ist deine Geburtsurkunde. Die Agentur arbeitet mit Anwälten vor Ort zusammen. Dort können wir einen Termin abmachen, die uns dann alles genau erklären.«

      Ich nahm ein Taschentuch und tupfte mir die Wangen ab. Danach warf ich einen Blick auf die Urkunde.

      »Ich bin Amerikanerin«, murmelte ich. Anhand meines dunklen Teints wusste ich mit Sicherheit, dass ich aus dem Ausland nach Deutschland kam, doch dass ich in Amerika, besser gesagt in Oklahoma geboren wurde, hatte ich nicht erwartet.

      »Ja.«

      »Also besitze ich ein Haus in Amerika?« Ich räusperte mich einige Male, damit der Kloß in meinem Hals verschwand. Trotzdem zitterten meine Knie und die Angst–oder war es Neugierde? , hing mir im Nacken.

      2

       Kansas, Juli 1868

      »Sadie, warte auf mich!«, rief Rachel und sprang von ihrem Pferd ab.

      »Komm schon, es ist herrlich.« Sadie sprang in ihrem Unterhemd ins Wasser. Rachel dagegen streifte sich vorsichtig den Rock ab und watete wie ein langbeiniger Vogel in den glasklaren Fluss.

      »Warte! Ich bin noch nicht so weit.«

      »Ist es nicht traumhaft?« Sadie schlug ein paar Wellen und spritzte Rachel nass.

      »Ah, Hilfe.« Rachel hob die Arme, als ob sie das vor dem Wasser schützen könnte. Sadie lächelte.

      »Warum hast du nicht auf mich gewartet? Du weißt doch, dass Peggy nicht so schnell laufen kann.«

      »Ich konnte einfach nicht widerstehen.«

      »Denkst du, jemand ist uns gefolgt?«

      »Ich denke nicht. Sonst hätten wir es sicher bemerkt. Hab keine Angst, es wird alles gut gehen. Wir schwimmen doch nur.«

      »Weiß dein Vater, dass wir hier sind?« Rachel blickte sich ängstlich um.

      »Nein, er ist nicht daheim. Ich habe meiner Mutter eine Notiz hinterlassen, dass wir einen längeren Ausritt unternehmen.« Sadie schwamm auf Rachel zu. »Wovor hast du solche Angst?«

      Der morgendliche Dunst legte sich entlang des Arkansas River und umhüllte die Freundinnen wie eine unsichtbare Hand.

      Der reißende Fluss entsprang in den Bergen, hinab in die Great Plains, wo er sich zu einem ruhigen Strom entwickelte.

      »Um diese Zeit kommt hier niemand vorbei.«

      »Na ja, aber es könnte doch sein.«

      »Rachel, nun mach dir keinen Kopf. Es wird schon alles gut gehen. Wir wollen doch nur ein bisschen Spaß haben. Oder hast du Lust, schon wieder im Tümpel zu baden? Dort, wo uns die Jungen immer beobachten? Außerdem brauchst du keine Angst zu haben, die Sträucher am Ufer schützen uns vor den Blicken anderer.«

      Rachel schlug Sadie eine Ladung Wasser ins Gesicht, die erschrocken untertauchte. Sadie liebte das Wasser und wünschte sich in einem anderen Leben ein Fisch zu sein, obwohl das absurd war. Schließlich würde sie als Fisch nicht lange überleben.

      Ein Rascheln ließ Rachel zusammenzucken. »Sadie, ich glaube, da ist jemand.«, flüsterte sie und rüttelte an der Schulter ihrer Freundin.

      Sadie tauchte auf und blickte ihre Freundin an.

      »Ich glaube, da ist jemand«, wiederholte Rachel und legte sich die Hände vor die Brust.

      »Ich sehe niemanden.« Sadie blickte sich suchend um.

      »Dort drüben, im Gebüsch.« Rachel deutete mit dem Kopf in die andere Richtung.

      Sadie drehte sich um. »Ich sehe niemanden, Rachel. Bestimmt war es nur der Wind«, beruhigte sie sie.

      »Und wenn es einer von ihnen ist? Ich habe Angst.« Rachel wollte schon wieder aus dem Wasser, doch Sadie ergriff ihre Hand.

      »Rachel, meine Liebe. Du bist doch meine beste Freundin, oder?«

      Rachel nickte.

      »Denkst du, ich würde mit dir irgendwo hingehen, wenn ich wüsste, dass es gefährlich ist?«

      »Nein.« Rachel senkte den Blick.

      »Also, ich habe dich lieb.« Sadie küsste Rachel auf die Stirn. »Und nun lass uns schwimmen. Der Tag ist viel zu kurz, um sich Sorgen zu machen.« Sie ließ sich ins Wasser fallen und schwamm auf dem Rücken weiter hinaus. Die ersten Sonnenstrahlen tanzten auf ihren Wangen. Sie atmete seelenruhig ein und aus.

      »Rachel, du weißt doch, dass du hier nicht schwimmen darfst«, rief jemand vom Ufer aus.

      Erschrocken drehten sich die Mädchen um und konnten Matthew sehen.

      »Und warum bist du dann hier?« Rachel blickte ihn wütend an. Sie liebte ihren kleinen Bruder abgöttisch, doch mochte sie nicht von ihm beobachtet werden.

      »Mama sagt, ich soll auf dich aufpassen.« Seine goldenen Locken klebten auf seiner Stirn.

      »Geh