Die Seelen der Indianer. Nina Hutzfeldt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Hutzfeldt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738086799
Скачать книгу
war und ich sie mir ganz genau ansah. Vielleicht würden die beiden für immer zusammenbleiben, so dass sie ein Teil von meinem restlichen Leben sein würde.

      »Wie recht du hast«, schmunzelte ich. »Hast du Geschwister?«

      »Nein, meine Eltern wollten keine Kinder haben.« Lena setzte sich zurück auf den Schreibtischstuhl. »Ich war sozusagen ein Unfall, was sie mich auch ab und zu gerne spüren lassen. Und du, kennst du deine leiblichen Eltern?«

      »Nein«, sagte ich kopfschüttelnd.

      »Würdest du sie gerne kennenlernen?«

      »Ich weiß nicht. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.« Achselzuckend stand ich da und hoffte, dass Kevin bald auftauchte, damit die Fragestunde ein Ende fand.

      »Und wie lange bist du schon hier in der Familie?«

      »So fast sieben Jahre.« Ich blickte zur Wohnzimmertür. Sie war zwar verschlossen, doch durch den Milchglasausschnitt konnte man die Umrisse der Personen sehen, die sich in der Nähe der Tür befanden. Kevin hatte seine Hand auf der Klinke.

      »Okay, ich hole sie, alle«, sagte er, während die Tür sich öffnete.

      Mit einem erfreuten Gesichtsausdruck kam er in mein Zimmer. Er küsste Lena auf die Stirn und half ihr hoch. Ganz der Gentleman, mein lieber Bruder.

      »Kannst du Lukas holen?«, fragte Kevin mich bittend. »Er spricht ja nicht mehr mit mir und wird sicher auch nicht aus dem Zimmer kommen, wenn ich ihn darum bitte.«

      »Natürlich.« Ich stand auf, drehte mein Haar und band es zu einem Dutt zusammen. Dabei fielen mir zwei Strähnen links und rechts aus dem Gummi. Es wirkte nicht so streng.

      Ich folgte dem Flur am Bad und der Küche vorbei zum Zimmer meiner Brüder.

      Ich klopfte einmal, dann zweimal. »Lukas, bist da?«

      »Was willst du?«

      »Kannst du bitte ins Wohnzimmer kommen? Mama und Papa haben eine Familienrunde einberufen.« Ich legte mein Ohr an die Tür.

      »Und dann? Ich muss mir nicht anhören, was Kevin zu sagen hat.«

      »Oh, Mensch, Lukas.« Ich seufzte. »Wie alt sind wir, drei?« Ich klopfte noch einmal an. »Nun komm schon, du bist doch sonst nicht auf den Mund gefallen.«

      Damit drehte ich mich um und ging ins Wohnzimmer. Als ich hinter mir einen Schlüssel im Schloss hörte, war ich stolz auf mich, schließlich war ich diejenige, die meinen Bruder überzeugt hatte.

      Das Wohnzimmer war klein. Das Zimmer war als Schlafzimmer vorgesehen, doch meine Eltern hatten die Wohn- und Schlafzimmer getauscht, so dass meine Brüder zumindest den größten Raum in der Wohnung bekamen.

      Eine große Eckcouch stand, wie der Name schon verriet, in der Ecke vor einem Fernseher, der doppelt so groß war wie mein Röhrenfernseher. Der Esstisch wurde durch einen Raumteiler von der Couch getrennt, so dass man das kleine Zimmer noch in ein Ess- und Wohnzimmer teilte.

      Meine Eltern, Kevin und Lena saßen schon am Tisch und warteten. Mama wirkte sichtlich nervös. Erst hatte sie die Hände vor der Brust verschränkt, dann legte sie diese auf den Tisch, ordnete ihre Teetasse und fuhr sich danach durchs dünne Haar.

      »Was macht die denn hier?«, fragte Lukas in einem abschätzigen Ton.

      »Die, heißt Lena und ist Kevins Freundin, so dass sie zur Familie gehört.« Papa zog einen Stuhl hervor und ordnete Lukas an, sich zu setzen.

      Ich nahm den Platz neben Lena und Mama ein.

      »Okay, schön, dass wir es doch alle geschafft haben.« Unser Vater schenkte sich Tee ein. »Möchte jemand etwas?«

      »Ich, danke.« Ich hielt ihm meine Tasse hin.

      »Zucker?«

      »Gerne.« Da wir nur fünf Esszimmerstühle hatten, saß ich auf einem Klappstuhl, den wir für Gäste hinter der Tür stehen hatten. Jetzt musste ich auf dem unbequemen Stuhl sitzen, was mir gar nicht gefiel.

      »So, eure Mutter sagte mir, dass es Probleme gibt.«

      »Ja.« Lukas lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. »Wieso zum Teufel können wir nicht einzelne Zimmer haben?«

      »Weil die Wohnung das nicht hergibt.«

      »Und eine andere Wohnung mit einem Zimmer mehr können wir uns nicht leisten«, fügte meine Mutter hinzu, die sich fleißig Tee nachschenkte.

      »Na, wunderbar. Damals hatten wir doch auch eigene Zimmer.«

      »Ja, aber da waren wir auch nur zu viert.« Mein Vater blickte mich an.

      »Oh, wunderbar.« Lukas schäumte vor Wut. »Und was schlägt der Familienrat vor? Zieht Kevin aus?«

      »Nein, wir haben einen Vorschlag für euch beide.« Papa trank einen Schluck Tee.

      »Ja, da es nun mal nicht anders geht, haben wir uns überlegt, dass wir feste Besuchertage abmachen. Das bedeutet, dass Kevin zweimal in der Woche, also von Montag bis Sonntag, Schlafbesuch haben darf. In der Zeit schläfst du hier im Wohnzimmer, Lukas.« Mama faltete die Hände ineinander.

      »An den zwei Tagen werden wir es uns nach dem Abendessen im Schlafzimmer gemütlich machen.« Papa nahm sich ein Taschentuch, drehte sich um und nieste. »Entschuldigung, es kribbelte schon die ganze Zeit.

      »Gesundheit«, sagten wir einheitlich.

      »Danke. So, also, was haltet ihr davon?«

      »Klingt gerecht.« Kevin und Lena tauschten einen Blick aus. »Hey, Luke, irgendwann wirst auch ein Mädchen finden und dann werde ich auch auf dich Rücksicht nehmen.« Kevin griff nach Lenas Hand.

      Lukas überlegte. »Na, gut. Aber ich bestimme die Tage. Mittwoch und freitags.«

      »Okay.«

      »Super, einverstanden.« Meinem Vater stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, während Angela noch wie auf Kohlen saß.

      »Ist noch etwas?«, fragte ich. Irgendetwas lag in der Luft. Ich spürte es in jeder Pore meines Körpers.

      »Ja, Thomas, möchtest du?« Mama stand auf und holte aus der kleinen Kommode, die man noch neben den Fernsehertisch und der Fensterbank gequetscht hatte, einen großen Umschlag heraus.

      »In Ordnung.« Er nahm den Umschlag entgegen und öffnete ihn. »Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll, denn wir haben uns darüber vorher nie Gedanken gemacht.« Er tauschte einen Blick mit seiner Frau, die ihm ermutigend zunickte.

      »Es geht um dich, Jordan.«

      Ich erstarrte. Ein Schauer überfiel mich. Wenn er so anfing, konnte es nichts Gutes sein.

      »Damals, als wir dich adoptiert hatten, wussten wir nichts über dein altes Leben.«

      »Wir wussten nichts über deine leiblichen Eltern, nur dass du in verschiedenen Heimen warst, bevor wir dich zu uns genommen hatten«, verbesserte Angela ihren Mann und fasste ihn am Unterarm.

      »Ja, genau. Wir dachten, dass deine Vergangenheit nie ein Thema in unserer Familie sein würde, denn wir lieben dich, du bist unsere Tochter.«

      »Und das wirst du auch immer sein.« Mama seufzte.

      Mein Herz setzte einen Schlag aus. Was redeten sie da? Ich verstand nur Bahnhof. Damit ich nicht vom Stuhl kippte, hielt ich mich krampfhaft am Sitz fest, so dass meine Handknöchel weiß hervortraten.

      »Kommt doch mal zum Punkt. Jordan ist schon ganz weiß um die Nasenspitze«, bemerkte Kevin und deutete auf mich.

      »Okay, entschuldige. Wir wussten zuerst nicht, ob wir dir das erzählen sollten, doch dann wurde uns bewusst, dass du vielleicht irgendwann mal etwas über deine leibliche Familie erfahren möchtest.«

      »Papa, Mama, was ist denn nun?« Lukas nahm unserem Vater den Umschlag aus der Hand und öffnete ihn. Einige Formulare eingepackt in Klarsichtfolien