Dann hatte er gleich noch eine Drohung hinzugefügt:
"Da mir mein Hausarzt eine gute Gesundheit bescheinigt und ich mich selbst noch ausgesprochen fit fühle kann ich wohl davon ausgehen, euch noch viele Jahre in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu können."
Er feixte vor sich hin.
Diesen Erbschleichern würden die Gesichter einschlafen, und seine verdeckte Ankündigung, auch noch die 100 zu schaffen, wohl etlichen die letzte Hoffnung auf einen Anteil an seinem Vermögen rauben. Sie würden vor Gram noch vor ihm in die Grube fahren, weil ihr jahrelanges Wegducken und ihre Arschkriecherei kein Ergebnis haben würden. Außerdem war er so schlau gewesen, schon vor Jahren auf seinen Steuerberater zu hören, und zu "diversifizieren". Er hatte es auf seine Art als "Geld streuen und das Risiko verteilen" genannt. So gehörte ihm beispielsweise das von seinem Grundstück keine 300 Meter entfernte Hotel, welches aufgrund seines guten Rufes und der schönen Umgebung ganzjährig ausgebucht war. Das war nicht das einzige Engagement Bockelmüllers neben seiner Baufirma gewesen. Er war Inhaber einer Bäckereikette, zweier Metzgereien, betrieb zwei Fitnessstudios, drei kleine Supermärkte und noch ein paar landwirtschaftliche Lohnarbeitsfirmen. Nur sein Steuerberater, der Anwalt, der Notar, und er selbst, waren im Bilde über dieses Firmenimperium.
Das mit dem beschiedenen Heim hatte er absichtlich so formuliert. Auf einem Grundstück von etwa 800 Quadratmetern Fläche hatte er von seiner eigenen Firma einen Gebäudekomplex errichten lassen, der sich hinter denen amerikanischer Millionäre nicht verstecken musste. Allerdings waren die Gebäudeteile im traditionellen Stil der Gegend errichtet worden und wirkten zwar ausgesprochen hochwertig, aber nicht protzig. Innen waren dann aber keine Mittel gescheut worden, den Reichtum seines Besitzers zu zeigen. Erlesene Fliesen und edle Hölzer, sowie feinste Stofftapeten kündeten von Geschmack. Auf der anderen Seite verfügten die Räume über modernste Technik, womit Bockelmüller bei der jüngeren Generation immer mächtig Eindruck schinden konnte. Für die älteren Semester war ein Weinkeller aufwendig in den Untergrund gegraben worden. Das Tonnengewölbe lag 8 Meter unter dem Erdgeschoss, und war über eine Treppe sowie einen gläsernen Lift erreichbar.
"Wie üblich habe ich euch im Hotel "Zum Mohren" Zimmer auf eure eigene Rechnung reserviert. Wir hier in der Gemeinde sind sehr heimatverbunden und wissen ganz genau, dass "Mohr" Ausdruck für das hohe Wissen der Mauren über Arzneien und Kräuterkunst gewesen ist. Da es diesen Begriff schon seit vielen Jahrhunderten bei uns hier gibt hat auch niemand ein Interesse daran, sich von ein paar durchgeknallten arbeitsscheuen und noch nichts geleistet habenden Wohlstandsflegeln eine Tradition kaputt machen zu lassen. Übrigens gibt es in dem Hotel keine Toiletten für das dritte oder das vierundzwanzigste Geschlecht. Und dort wird ausschließlich Deutsch gesprochen. Wer damit ein Problem hat, muss sich anderweitig kümmern."
Bockelmüller hatte sich diesen Seitenhieb nicht ersparen können. Er wurde bald 90, und all die Jahre hatte sich niemand über einen "Mohren" echauffiert. Auch nicht über "Zigeunersoße". Erst seit ein paar Jahren waren alle wie vom wilden Affen gebissen und witterten überall Herabwürdigungen, Rassismus und sonst welche Hirngespinste. Für ihn stand fest, dass es den Leuten eindeutig zu gut ging und sie mittlerweile total verblödet waren, sonst würden sie sich nicht in solche Nichtigkeiten verbeißen. Er war selbst heute fast noch rund um die Uhr beschäftigt und hatte gar keine Zeit, sich mit solchem Schwachsinn zu befassen.
"Die Veranstaltung beginnt am Samstag 15 Uhr mit dem Kaffeetrinken. Wir werden schön über die Vergangenheit plaudern, und einen Blick in die Zukunft wagen. Was wird uns in den nächsten Jahren als Familienverbund erwarten? Welche Ziele sollten wir uns stellen? Was wollen wir noch erreichen?"
Das wird ihnen den Rest geben, dachte er hämisch. Nun musste auch dem letzten Trottel klarwerden, dass er leer ausgehen würde. Aber er hatte noch ein Ass im Ärmel.
"Wie ihr alle wisst, bin ich nicht ganz unvermögend. Alles habe ich mir über viele Jahre mit viel Einsatz selbst erarbeitet. Und ich möchte der Nachwelt, der Gesellschaft, etwas hinterlassen. Und das möchte ich mit euch diskutieren, so wie es in einer guten Familie üblich ist. Ich habe erste vage Ideen, vielleicht sollte ich eine Stiftung gründen. Oder etwas Ähnliches. Aber wie gesagt, darüber möchte ich in aller Offenheit mit euch reden, so wie wir es die ganzen Jahre schon handhaben."
Jetzt werden sie explodieren freute er sich.
Und den "Heimatflüchtlern" wollte er auch noch einmal seine Meinung geigen.
"Heimat ist ein wertvolles Gut, da weiß man, wo man hingehört. Leider haben es einige aus der Familie vorgezogen, nur wegen ein paar Mark mehr Verdienst, schon vor etlichen Jahren ihre Heimat zu verlassen. Nun werden sie deswegen eine längere Anreise haben. Und ich will es auch nicht verschweigen, obwohl es ja keine Anzeichen dafür gibt, im Falle einer Pflegebedürftigkeit werde ich mich keineswegs in die Hände von skrupellosen sogenannten "Pflegekräften" aus dem Ostblock begeben. Die Pflege der Altvorderen ist immer eine Aufgabe der Kinder gewesen, und so wird es in unserer Familie auch bleiben. Vielleicht belegen meine Töchter und meine Schwiegersöhne schon einmal vorsorglich einen Pflegekurs."
Die ganz Abtrünnigen mussten auch noch ihr Fett wegbekommen.
"Ich bin nie dafür gewesen, die Ostzone wieder bei uns einzugemeinden. Man sieht ja heute, wo das hingeführt hat. Diese Jammerlappen dort haben neue Autobahnen, Straßen Brücken, Schulen, alles Mögliche bekommen, und hier bei uns, die wir den ganzen Wahnsinn bezahlt haben, ist alles marode. Und dafür zahle ich seit Jahrzehnten diesen "Soli". Besonders schlimm finde ich, dass einige der Jüngeren sogar in die Zone übergesiedelt sind. Ihnen bleibt mein gastfreundliches Haus für immer verschlossen. Ich möchte nicht, dass hier ein kommunistischer Virus eingeschleppt wird!"
Nun noch ein kleines Trostpflaster, und das war es dann.
"19 Uhr beginnt unser gemeinsames Abendessen, danach folgt der gesellige Teil. Jeder von euch zahlt bei der Anreise 50 Euro Tagungspauschale ein, aber dafür könnt ihr dann nach Herzenslust schlemmen und trinken. Der Weinkeller steht euch offen, die Bar ebenfalls, das Hallenbad, das kleine Kino. Ihr werdet alle auf eure Kosten kommen, das verspreche ich euch. Am Sonntag treffen wir uns 11 Uhr noch auf einen Kaffee und für das Abschiedsfoto. Danach ist Abreise.
Ich freue mich auf euch, euer Anton."
Seiner Meinung war der Brief einerseits recht eindeutig, aber er ließ auch Raum für verschiedenste Interpretationen offen. Bei den Gästen würden nach Erhalt der Einladung die Räder in den Gehirnen anfangen zu rattern, und er wusste genau, dass niemand darauf kommen würde, was er wirklich bezweckte. Er freute sich schon jetzt auf die verdatterten Visagen, wenn er dann die Bombe platzen ließ.
Erster Anlauf zum E-Auto-Kauf
Frank Krause strich als bekannter Schauspieler recht üppige Gagen ein und ging davon aus, dass ein Großteil der Bevölkerung ihn kennen würde. Dem war allerdings nicht so, denn ein Blick in verschiedenste Statistiken zum rapiden sinkenden Bildungsgrad, zur abnehmenden Beschäftigung, der steigenden Zahl der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger und der Zuschauerreichweite verschiedener Fernsehsender hätte ihm klarmachen können, dass Deutschland nicht mehr das Land der Dichter und Denker, sondern das Land der nicht mehr ganz Dichten und der Stänkerer geworden war. Jeder regte sich wechselweise über diese oder jene Kleinigkeit auf, und Haltung und Parolen ersetzten Fakten und Wissen. Für Kunst und Kultur interessierten sich nur noch ganz hartgesottene Personen, vor allem alte weiße Männer, und die hatten es seit einiger Zeit ja schon schwer genug. Er ging aber davon aus ein Mann zu sein, der in der Öffentlichkeit aufgrund seiner Bekanntheit unter verschärfter Beobachtung stand. Das hatte auch zu seinem Entschluss geführt, selbst mit aktiv zur Rettung des Planeten beitragen zu wollen. Er fuhr aus Statusgründen bislang einen Porsche 911. Das konnte er dem Klima nicht mehr länger antun. Für den Sportwagen hatte er damals so um die 120.000 Euro hinlegen müssen. Er hatte es schon als sinnlichen Genuss betrachtet, den Wagen so brachial beschleunigen zu lassen und