Der 90. Geburtstag - Eine rabenschwarze Kriminalkomödie. Jörn Kolder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jörn Kolder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754905012
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kracht mörderisch, das Ding bleibt stehen, fängt an zu qualmen, die Luken gehen auf, und zwei Kerle kommen aus dem Panzer raus. Die brennen und schreien wie am Spieß. Mein Kumpel will sich das Theater genauer ansehen und kuckt aus dem Schützengraben raus. Wutsch, er kriegt ne Kugel in die Rübe, und mir spritzen sein Blut und Gehirn ins Gesicht. Ich schaue mir meinen Kumpel an und dem seine Birne is zur Hälfte weg. Das Zeug in seinem Schädel sah so n bisschen aus wie der Schweinebraten dort, so von der Farbe her. Dann kuck ich mir die toten Russen an. Die sind so verschmort, wie die Kruste hier auf den Hühnerbeinen. Na ja, dann bin ich abgehauen."

      "Klaus-Rüdiger, bitte. Ja, es war schlimm. Seitdem esse ich keine Hühnerbeine mehr."

      "Ich will dir eins sagen, Henriette, dein Vater ist nicht traumatisiert, er ist ein Perverser. Da kommt auch seine Lust her, andere vor allen anderen Gästen zur Sau zu machen. Der sollte mal von einem Gehirnklempner untersucht werden."

      Klaus-Rüdiger von Schwarzbach war eigentlich schon immer chronisch pleite. Vermutlich lag das auch an seiner Herkunft, denn er war elternlos aufgewachsen. Man hatte ihn als frischgeborenes Baby vor einem Krankenhaus einfach in einem Körbchen abgestellt und seinem Schicksal überlassen. Zu seinem Namen war er gekommen, weil er in dem katholischen Waisenhaus "Am Schwarzbach" aufgewachsen war. Die herzensguten Nonnen hatte den Jungen ins Herz geschlossen, und ihm seinen dem damaligen Zeitgeist entsprechenden Namen gegeben. Im Heim hatte man ihm eine gute Bildung angedeihen lassen. Er hatte sich nach dem Abitur für ein Studium der Germanistik mit der Spezialisierung auf die altdeutsche Sprache entschieden. Schwarzbach liebte es, über die so zwischen den Jahren 750 und 1050 gepflegte Sprachform zu sinnieren. Er war dann in einem Institut untergekommen, in welchem weiter daran geforscht wurde, ob man dieses oder jenes Wort mit "ae" oder "ä" oder statt "ss" mit "sz" schreiben sollte. Die Diskussionen darüber hielt er für hochstehenden wissenschaftlichen Meinungsaustausch. Leider wurde seine Tätigkeit ziemlich mies vergütet, was eigentlich nicht zu seinen Ansprüchen an eine angemessene Lebensführung als Akademiker passte. Schwarzbach kannte einen vermutlich sehr wahren Spruch: Wer nichts erheiratet oder ererbt, bleibt arm, bis er sterbt. Erben konnte er von seinen Eltern nichts, weil er keine hatte. Jedenfalls war nicht bekannt, wer seine Eltern waren. Also musste er sich auf dem Heiratsmarkt umsehen. Er hatte durch seine Ausbildung einen sehr umfassenden Wortschatz erworben, besaß angenehme Umgangsformen, und sah gut aus. Obwohl er kein Logiker war, verfügte er doch über eine gewisse Bauernschläue, und legte sich einen Plan zurecht. Er musste ein Elternhaus finden, welches gut situiert war, so dass er mit finanzieller Unterstützung rechnen konnte. Die Firma "Anton Bockelmüller Bau GmbH" schien ein geeigneter Kandidat zu sein, denn deren Fahrzeuge und Arbeiter sowie die Firmentafeln sah er sehr oft in der Gegend. Er fand auch heraus, dass der Inhaber vier Töchter hatte, die damals allesamt noch unverheiratet waren. Da er immer knapp bei Kasse war, verfügte Schwarzbach nur über ein Fahrrad, aber das hinderte ihn nicht, damit den Umkreis des Wassergrundstück dieses Bockelmüller zu erkunden. Die gesamte Familie schien im Sommer ab Samstag bis Sonntagabend dort zu wohnen. Zum Grundstück gehörte ein Bootssteg, und dort lag ein motorgetriebenes Kajütboot. Daneben war von der Firma Bockelmüller selbst ein etwa drei Meter breites Stück Sandstrand von gut 10 Meter Länge vor der Uferböschung angelegt worden. Wie das hatte genehmigt werden können war Schwarzbach ein Rätsel, aber offensichtlich verfügte dieser Bockelmüller über beste Kontakte zur Politik und den Behörden.

      Schwarzbach drückte sich unauffällig im angrenzenden Gelände herum, und konnte so einige Blicke auf die vier Töchter erhaschen. Eine hob sich von den anderen drei ab, denn sie war nicht so groß und schlank wie die anderen jungen Frauen, sondern, er suchte nach einem passenden Begriff, denn er war ja Sprachwissenschaftler. So wie er es auch drehte oder wendete, ein Wort beschrieb die Gestalt der Frau gut: ein Kasten. Schwarzbach empfand das nicht als abwertend, denn das Mädchen war etwa ein Meter und fünfundfünfzig groß, und in der Breite zwar nicht so ausladend, aber doch schon ordentlich bestückt. Soweit wie er es erkennen konnte, hatte sie eine ordentliche Oberweite und ein hübsches Gesicht. Äußerlichkeiten spielten für ihn als Schöngeist eine untergeordnete Rolle, es kam ihm auf den geistigen Austausch an. Er konnte natürlich noch nicht einschätzen was die junge Frau zu bieten hatte, aber er beschloss fürs Erste, sich diese eventuell in vieler Hinsicht sprichwörtlich fette Beute zu angeln. Von Schwarzbach war zu dieser Zeit, 1976, 24 Jahre alt, Henriette Bockelmüller 20. Die junge Frau war offensichtlich nicht mit allzu vielen intellektuellen Gaben gesegnet, weswegen sie wohl als Verkäuferin in einem Modeladen arbeitete.

      Er kreuzte dort auf und gab vor, ein neues Hemd zu suchen. An diesem Tag hatte er noch 12 Mark im Portemonnaie und wartete auf sein Gehalt, es waren aber noch vier Tage bis dahin. Henriette Bockelmüller beriet ihn, und er konnte sie näher beäugen. Sie war tatsächlich recht hübsch und sehr angenehm im Auftreten. Außerdem roch sie sehr gut. Schwarzbach nahm Witterung wie ein scharfer Jagdhund auf und war sich sicher, dass er nun auf der richtigen Fährte war. Er salbaderte die junge Frau schwindlig und lud sie für die kommende Woche (da würde sein Konto wieder etwas gefüllt sein) in ein Kaffee ein. Sie fanden sich ganz sympathisch. Obwohl Schwarzbach feststellte, dass ihr Horizont nur vom Kuchenbacken bis zu Damenunterwäsche reichte war er entschlossen, jetzt Nägel mit Köpfen zu machen. Was sollte er mit einer bildhübschen und hochgebildeten Frau anfangen, da bestünde immer die Gefahr, dass er ihr zu wenig bieten könnte. Hier hätte er ein Objekt, welches er nach seinem Willen formen könnte. Er ließ sich nach einer Weile zum Vorstellungsgespräch bei Henriettes Eltern und Schwestern einladen. Voller Spannung trat er dort an und brillierte mit seiner Redekunst und seinem Charme. Die Frauen hatte er sofort auf seine Seite gezogen, nur der ihn verächtlich ansehende Anton Bockelmüller schien nicht beeindruckt gewesen zu sein. Dieser grimmige Patron war aber offensichtlich von der Damenriege so bearbeitet worden, dass Schwarzbach dann gnädig aufgenommen wurde. Er ließ noch eine Schamfrist von zwei Wochen vergehen, dann bat er um die Hand von Henriette. Bald darauf fand die Hochzeit statt, und Schwarzbach rechnete mit einer üppigen Mitgift. Er hatte sich total verkalkuliert. Eigentlich hätte der ständig missgelaunte Bauunternehmer doch mehr als froh sein müssen, dass er ihm seine schwervermittelbare Tochter abgenommen hatte. Sie bekamen ein Kaffeeservice im Wert von 128,83 Mark, denn der Kassenzettel lag noch bei.

      Schwarzbachs Plan einer recht sorgenfreien Zukunft war vollkommen in die Hose gegangen. Jetzt konnte er nur das Beste daraus machen. Henriette war tatsächlich sehr liebevoll und fürsorglich und gerade einmal neun Monate nach der Hochzeit kam schon Hans zur Welt, und zwei Jahre später Claudia. Henriettes Mutter steckte ihnen ab und zu mal einen Hunderter zu, aber finanziell kam die neue Familie nie auf einen grünen Zweig. Es sah so aus, als ob es immer dabei bleiben sollte.

      "Und ob ich darauf freue, mit dem alten Schwerenöter wieder mal einen zu trinken" erklärte Frank Krause seiner Frau "bei so einer Feier kann man doch schöne Studien treiben. Alle haben Schiss vor dem Alten und scheißen sich fast ein, dass er sie wieder mal Maß nehmen könnte. Dann haben aber alle aber wenig später mächtig einen in der Krone und werden plötzlich ganz mutig. Das ist dann der Augenblick, wo sich alle irgendwie gegenseitig angehen und vorwerfen, was sie doch für fiese Schweine sind. Und der Pascha beobachtet das alles und schießt dann noch zusätzlich seine Giftpfeile ab. Mal ist der dran, dann jener. Ob eigenes Kind, Schwiegersohn, Enkel oder Urenkel, alle kriegen ihr Fett weg, quer durch die verschiedenen Familien. Zum Schluss weiß dann keiner mehr was so alles an Anschuldigungen ausgesprochen worden ist, was stimmt, und was nur Gerüchte sind. Dann hat der Alte wieder genau das erreicht was er wollte: alle sind total verunsichert und sich spinnefeind. So kann man doch gut einen geschlossenen Widerstand verhindern."

      "Warum sollte es einen geschlossenen Widerstand gegen meinen Vater geben müssen" fragte Gisela Krause "nun gut, er ist nicht der Feinste in seinen Umgangsformen, er ist manchmal jähzornig, aber er hat auch schon öfter geholfen. Allerdings hat er ein Herz aus Stein, und wenn er hilft tut er das nur zum eigenen Vorteil und holt sich alles dreifach wieder zurück. Aber keiner hat die Traute gegen ihn aufzubegehren."

      "Ja, zum Beispiel diesem arroganten Schnösel von Schwarzbach, diesem Möchtegern-Adligen, diesem arbeitsscheuen Subjekt, dem hat er geholfen. Der hat mir beim letzten Mal erzählt, dass dein Vater ihm einen Kredit mit 8 Prozent Zinsen gegeben hat. Du kriegst