Kishou IV. Michael Kornas-Danisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kornas-Danisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754909676
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schoss es sofort aus ihr heraus. „Es war viel zu tun. Und das Wetter …!“

      „Ja, kam ganz schön was runter vorgestern Abend. Uns hat es auch kalt erwischt!“, übernahm er sofort. „Eine neue Verordnung kam vorgestern raus!“, sprach er weiter. „Jeder muss bei Fahrten über Land ein neues Formular ausfüllen, woher er kommt und wohin er geht – ich noch dazu, dass ich dich mitgenommen habe von hier nach Trital. Dafür brauch ich nachher deinen Namen … Gleich oben auf das erste Formular!“

      Nun kam Kishou doch wieder ins Schwitzen. Sie fand das Papier an besagter Stelle – aber was sollte sie dort hinein schreiben? Sie hatte ja überhaupt keine Ahnung wo sie war und wo sie absteigen würde … Sie nahm den Stift, der auf den Papieren lag und überlegte Fieberhaft, was sie dort eintragen könnte, ohne sich zu verraten. Es fiel ihr beim besten Willen nichts ein. Sie sah nach oben in den Himmel. Eine Menge Vögel zogen dort ihre Bahnen. Ob Lui unter ihnen war, konnte sie auf die Entfernung nicht erkennen, aber er war in diesem Augenblick ja auch keine Hilfe.

      Es gab nur eine Möglichkeit. Mit etwas Glück … Mit einer kurzen Bewegung warf sie den Stift hinter sich seitlich in das Unterholz. „Alles klar!“, meinte sie nun. „Hast du mal eben einen Stift?“

      „Liegt oben auf!“, kam die prompte Antwort.

      „In der Kiste, bei den Formularen?“, fragte sie scheinheilig.

      „Ja!“

      „Nein, da ist keiner!“, reagierte sie, und kramte geschäftig in der hölzernen Lade.

      Das erste Mal drehte sich nun der Breene zu ihr um, während er seine Kapuze vom Kopf zog, um besser sehen zu können. Er hatte nur noch wenig Haare und einen angegrauten kurzen Bart unter seinem Kinn. „Der muss doch da liegen!“, wunderte er sich.

      „Tut mir leid – vielleicht ist er ja an die Seite … aber da find' ich auch nichts!“, meinte Kishou und kramte geschäftig weiter.

      Der Breene warf die Zügel über die Lehne seines Sitzes und kam nach hinten. Nachdem auch er kurz in der Kiste gewühlt hatte, gab er auf. „Das gibt Ärger – das gibt Ärger! ... muss irgendwie rausgefallen sein“, knirschte er, und begab sich wieder auf seinem Platz zurück. „Das muss unter uns bleiben. Du bist mit keinen Wagen in die Stadt gekommen, und ich habe niemanden mitgenommen!“

      „Alles klar!“, bestätigte Kishou, und hoffte, das ihre tiefe Erleichterung in den Worten nicht zu hören war.

      „Dann weißt du womöglich nicht einmal, warum die neue Verordnung erlassen ist!“, sagte der Breene, nachdem er die Zügel wieder an sich genommen hatte.

      „Äh – nein!“, konnte sie hier ohne Verstellung reagieren. Sie wusste ja bislang nicht einmal, was ein Formular ist – geschweige denn, wozu so etwas gut sein sollte.

      „Es soll tatsächlich passiert sein!“, verkündete der Kutscher. „Die Fremden aus der sterbenden Welt sollen ins Drom gekommen sein!“

      „Wirklich?“, spielte Kishou erstaunt. Immerhin erfuhr sie nun schon, das sich ihre Ankunft im Drom bereits herumgesprochen hatte. …

      „Na ja – eigentlich bislang noch eher ein Gerücht. Weiter draußen – irgendwo am Kornbaat wollen einige sie gesehen haben!“

      „Echt?“, tat Kishou erstaunt. „Deshalb wohl auch die vielen Teller da oben!“, setzte sie, wie vertraut in solcherlei Dingen, hinzu.

      „Ja!“, nickte er. „Aber es klingt doch alles etwas übertrieben. Es sollen riesige Kreaturen sein – bis an die Zähne bewaffnet und vollkommen ohne jede Regel. Einen Teller, der als Aufklärer da war, sollen sie einfach direkt vom Himmel geholt haben!“

      „Ach du Schreck!“, spielte Kishou erschrocken.

      „Aber viele können es noch nicht gewesen sein, nach den Berichten – wohl eine Vorhut. Die Gleim werden sich darum kümmern. Die Eilanträge sind seit gestern schon in der zweiten Lesung durch. Sie werden wohl spätestens Morgen aufbrechen!“

      „Morgen schon!“, fiel es ehrlich erschrocken aus Kishou heraus.

      „Ja! Ungewöhnlich!“, bestätigte der Breene. „Ohne weitere Prüfung! Die Anweisung kam wohl direkt von ganz oben – womöglich von den OHIB selbst. … muss also schon was dran sein, an der Geschichte!“

      Kishou hörte kaum noch was er sagte. Diese Nachricht war mehr als beunruhigend. Wie sollte sie noch rechtzeitig zurück sein, um die anderen zu warnen – und wie dann noch rechtzeitig genug, um gemeinsam unerkannt zu entkommen?

      Erst jetzt bemerkte sie, dass sich der Weg verbreitert hatte. Fuhrwerke und Wagen kamen ihnen entgegen und erste Häuser tauchten zu beiden Seiten auf. „Weiß man schon genau, wo sie sind?“, fragte sie.

      „Na ja – irgendwo in der Gegend um das Kornbaat herum wird es wohl sein. Bei ihren Erscheinungen werden sie nicht groß herumspazieren können, ohne entdeckt zu werden – zumindest, wenn die Gerüchte nicht ganz falsch sind. Sie müssen sich also versteckt haben. Es gibt noch keine Nachrichten, dass man sie gefunden hat!“

      Kishou atmete tief durch. Wenigstens suchten sie noch an einem falschen Ort. Sie waren ja inzwischen ein gutes Stück weiter gekommen. Der richtige lag aber nichts desto Trotz auf dem Weg dorthin …

      „Na ja – den Ärger werden auf jeden Fall erstmal wir hier haben“, meinte nun der Breene. „Die Saison ist ja zu Ende. Du wirst sicherlich die nächsten Tage zurückkehren! – Wo kommst Du denn her?“

      „Kishou erschrak. Genau solche Fragen durften nicht kommen. „Wie?“, reagierte sie, als hätte sie die Frage nicht verstanden, während ihr Kopf verzweifelt nach einer geeigneten Antwort suchte.

      „Wo kommst du her?“, fragte der noch einmal. „Aus Machnok?“

      „Ja – ja!“, nahm Kishou den Vorschlag sofort dankbar auf. „Zumindest aus der näheren Umgebung da!“, setzte sie noch schnell hinzu, um es nicht zu einfach klingen zu lassen.

      „Hab ich mir gedacht!“, nickte der Breene. „Hier in der Gegend sind die meisten Saathelferinnen von da!“

      „Ja – ist angenehmer wenn man sich kennt, und zum selben Ort fährt!“, meinte Kishou, und wunderte sich über sich selbst – was ihr spontan so alles in den Sinn kam.

      Die Häuser waren zahlreicher und höher geworden, und die Straßen belebten sich immer mehr mit allerlei Fuhrwerken und Bewohnern dieses Ortes. Sie fuhren offensichtlich gerade in die Stadt ein. Sie hatte noch niemals so etwas gesehen, und wusste nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte.

      „Schon klar. Wann geht's denn zurück?“. Der Breene wurde offenbar langsam richtig gesprächig.

      „Eigentlich übermorgen. … war heute mein letzter Arbeitstag. Aber unter den gegebenen Umständen lieber schon morgen!“, erklärte sie mit einer Vertrautheit, das sie fast selbst daran glauben könnte, während ihre Augen mit Faszination über die Fassaden der Häuser irrte.

      Der Breene lachte vorn auf seinem Sitz. „Hast du dich schon abgemeldet?“

      „Äh Nein!“ … Keine Ahnung, was er damit meinte.

      „Wir kommen ja gleich direkt an der Meldestelle vorbei. Wenn Du willst, kann du da abspringen!“ Er zog etwas aus der Tasche, das an einer Kette befestigt war, warf einen kurzen Blick darauf, und verstaute es samt Kette wieder. „Es ist noch rechtzeitig – da bekommst du auch gleich die neuen Formulare!“

      „Ja – gut. Mach ich!“, antwortete Kishou, ohne die geringste Ahnung, wovon er sprach. Aber die Redseligkeit des Breenen wurde langsam gefährlich, und was auch immer er meinte, es war zumindest eine gute Gelegenheit zu verschwinden.

      Der Wagen bog in eine breite Straße ein, und hielt plötzlich. „Die letzten Schritte machst du besser zu Fuß. Wenn die Gaunen zufällig aus dem Fenster schauen, müssen die ja nicht unbedingt sehen, das du gerade von meinem Wagen steigst!“