Auf getrennten Wegen. Christian Linberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Linberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131602
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sich die Erleichterung ins Gedächtnis zu rufen, als sie endlich wieder ein winziges Stück Himmel über sich entdeckt hatte.

      „Ziemlich riskant, einen Fluchttunnel so schmal zu bauen“, entgegnete Droin.

      „Ich glaube, dafür war er ursprünglich nicht gemacht. Vermutlich war das früher nur ein Weg für Kuriere, damit sie nicht einmal um das ganze Gebirgsmassiv herum laufen mussten.“

      Droin nickte: „Scheint fast so. Wie ging es weiter?“

      Er wollte unbedingt so viel wie möglich erfahren. Außerdem war es ein guter Zeitvertreib in der öden Sumpflandschaft.

      „Die Klamm war ein kleines Seitental eines Größeren, durch das wir schneller vorankamen. Hier haben wir uns aufgeteilt.

      Eine Gruppe marschierte geradewegs nach Norden zur Küste, eine nach Westen zu den Zwillingsstädten und der Rest, zu dem auch ich gehörte, nach Nordosten.“

      „Was aus den anderen Gruppen geworden ist, weiß ich nicht.“

      „Welche Aufgaben hatten sie denn?“, fragte Droin, um zu verhindern, dass die Verzweiflung, die er aus ihrer Stimme heraushören konnte, weitere Nahrung fand und so ihre Geschichte vorzeitig beendete.

      Zum Glück hielt der Zustand nur einen Augenblick an, dann hatte sie sich wieder gefangen.

      „Hauptsächlich sollten sie die Bevölkerung vor den Dämonen und ihren Verbündeten warnen. Wir taten dasselbe.

      An jeden Schäfer, Bauern, Holzfäller, in jedes Dorf oder Gehöft, auf das wir unterwegs trafen, überbrachten wir die Warnung. Hätten wir nicht so viele Verwundete bei uns gehabt, niemand hätte uns geglaubt. So verbreitete sich die Nachricht ziemlich schnell. An einem kleinen Vulkan mit Lavahütern teilten wir uns dann ebenfalls in kleinere Gruppen. Der größte Teil marschierte in Richtung Medare, meine Gruppe setzte dagegen ihren Weg in östlicher Richtung fort.“

      „Zum Wolfswald?“

      „Genau. Warum habe ich auch erst nicht verstanden, aber eine Insel kann man nun mal nur mit dem Schiff verlassen und die Maganer fahren nicht zur See. In diesem Punkt sind sie wie die Naurim.“

      „Nicht ganz wie wir“, protestierte Droin: „Es ist nicht so, dass wir nicht zur See fahren, vielmehr ist es so, dass Steine nicht so gut schwimmen.“

      Er spielte damit auf die Steinschiffe an, auf denen die wenigen Naurim die Meere bereisten, die keine Abneigung gegen Wasser hatten.

      „Wenn Du das sagst. Jedenfalls ist es uns gelungen, durch den Wolfswald hindurch Askaris zu erreichen. Von dort haben wir gleich mehrere Schiffe genommen, jede Gruppe zu einem anderen Ziel.“

      „Den Siegeln.“

      Phyria nickte: „Genau. Der Hüter der Flammen hat einen direkten Kurs nach Orenoc gewählt. Wir wollten zu den Wolkeninseln, nach Tirnadin, zur Stadt der Söldner und von dort ein Luftschiff nach Gi’tay nehmen.“

      „Die richtige Strecke. Direkt und schnell, aber vorhersehbar. Außerdem sehr riskant, weil sie so dicht an Morak vorbei führt.“

      „Da wussten wir noch nicht, woher unsere Feinde kommen. Wir hielten sie für Lakaien der Dämonen, nicht für Verbündete.“

      „Wann hat sich das geändert?“

      „Auf See.“

      Sie schluckte: „Einen Tag nach unserer Abreise trafen wir auf einen Leviathan.“

      „Was? Die gibt es nicht. Das sind nur Märchen. Seemannsgarn.“

      „Wie? Ach so, Du meinst ein Tier. Nein, ich meine ein Schiff. Ein riesiges, eisernes Monstrum mit vier Masten und einem langen Rammsporn.

      Die Seiten waren mit Eisenplatten beschlagen, in die Fratzen von Ungeheuern graviert waren. In den Maulöffnungen lauerten Speerspitzen. Das Schiff wirkte langsam, doch es war schneller als wir dachten. Die Flagge, die es zeigte, kannte keiner, auch der Kapitän nicht. Da es zu groß für ein Piratenschiff war, ließen wir es zu dich an uns heran.“

      „Morak?“

      „Genau.“

      „Wie sah die Flagge aus? Das könnte wichtig werden.“

      „Ein blutiger Helm auf grünem Grund in rotem Feld. Das grüne Tuch hatte die Form von Moraks Grenzen. Jetzt wo ich darüber nachdenke, bin ich sogar sicher. Mit goldenem Faden waren die Umrisse abgegrenzt.“

      „Gut beobachtet. Das könnte irgendwann wichtig werden.“

      Droin wechselte von ziehen zu schieben: „Sie haben euch angegriffen?“

      „Zuerst nicht. Sie wollten vom Kapitän nur wissen, woher er kam und wohin er wollte. Was er geladen hatte und ob er Passagiere mit an Bord hätte.“

      Und bei eurer Erwähnung ging es los?“

      Phyria wurde Rot: „Nein, ich fürchte, der Hüter hat angefangen. Wir hatten uns versteckt, um nicht gleich bemerkt zu werden, der Unterhaltung hatten wir jedoch gelauscht. Als die Besatzung des seltsamen Schiffes untereinander auf Imperyal zu reden begann, sprang der Hüter plötzlich wütend auf und hat ein Dutzend Männer des Leviathans mit einer einzigen Geste eingeäschert.

      Er beschimpfte sie als Mörder und Verräter und verbrannte ihre Segel und Masten. Da kamen plötzlich Soldaten aus dem Bauch des Schiffes, gefolgt von Hexenmeistern und Dämonen.

      Wir warfen Feuerkugeln auf sie und beschossen sie mit glühenden Pfeilen, Flammenstrahlen und brennenden Steinen. Trotzdem war es unser Kapitän, der uns rettete. Als er bemerkte, was vor sich ging, hatte er das Ruder herumgeworfen und so Abstand von dem Schiff gewonnen. Die Soldaten schossen mit Speerschleudern, Arbalesten und Bögen zurück, aber die meisten Geschosse konnten unsere Feuervorhänge nicht durchdringen.“

      „Klingt so, als hättet ihr Glück gehabt.“

      „Ja, bis auf den Hüter“, entgegnete sie niedergeschlagen: „Wir dachten schon, wir wären entkommen, da tauchte plötzlich ein Klauenbewehrter Dämon mitten unter uns auf, ein Gazakra, ein Hundert-Klauen-Dämon, der den Hüter zerfetzte, während dieser ihn mit Drachenfeuer verzehrte.“

      „Es scheint, er ist ehrenvoll gestorben. Wie muss ich mir den Gazakra vorstellen? Hundert Klauen hat er doch hoffentlich nicht wirklich?“

      „Nein. Er ist so groß wie Drakkan, hat sechs Arme mit sieben Krallen an jeder Hand. Außerdem hat er überall Dornen, die ihm aus der Haut wachsen. Sie können sich durch die Schatten bewegen, ebenso wie Drakkan.“

      „Hässlich.“

      „War es auch. Wir waren alle so geschockt, dass wir dem Kapitän unvorsichtigerweise erzählt haben, was los war. Er ist ein edler Mann und stand zu seinem Wort. Zuerst ging auch alles gut, doch als wir uns der Küste näherten, tauchten kleinere Schiffe auf, Cousins des schwarzen Monsters, die uns bedrängten. Der Hafen, den wir eigentlich anlaufen wollten, war blockiert, also mussten wir ein anderes Ziel wählen.“

      Sie machte eine kurze Pause. Die Erzählung strengte sie hörbar an. Es kostete sie viel Überwindung.

      Schließlich seufzte sie und fuhr fort: „Egal wohin wir uns wandten, überall waren die Schiffe aus Morak bereits eingelaufen oder tauchten in der Ferne auf. Hätte der Kapitän nicht einen alten Schmugglerhafen gekannt, hätten sie uns wohl auch erwischt. So legten wir dort nachts an und schlichen uns von Bord.“

      „An der Küste zwischen den Wolkeninseln und Rellinn gibt es viele Möglichkeiten an Land zu gehen. Die haben wir auch schon häufiger genutzt. Hat euch das lange Schutz geboten?“

      Phyria überlegte eine Weile, bevor sie antwortete: „Ich denke schon“, sagte sie schließlich: „Da wir selbst nicht so genau wussten, wo wir gelandet waren, waren unsere Bewegungen wohl nicht vorhersehbar. Wir haben die Städte gemieden und sind über Land und nachts gereist. Irgendwann haben wir uns dann in einem kleinen Nest in Orenoc getrennt. Meine Gruppe sollte zum Schattenwald reisen, und die andere hierher.“

      Droin