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      „Und ein Gehirn“, flüstert Opa hinter uns zwischen seinen Zähnen hindurch.

      Ich schaue Cathy ins Gesicht, um zu sehen, ob sie ihn gehört hat. Sie scheint für negative Inhalte nicht empfänglich zu sein.

      „Ich nehme aber lieber einen Kakao anstatt einem Kaffee, Frau Jule.“

      „Kindchen, bist du ein wenig behindert?“, fragt Jule unverfroren ehrlich und wischt sich die Hände an ihrer Schürze ab.

      „Nein. Ich bin nicht behindert. Ich bin Cathy.“

      „Wir hätten sie auf der Straße stehen lassen sollen“, murmelt Opa.

      Ich gebe ihm einen Stups in die Rippen.

      „Schon gut, schon gut“, sagt er, hebt die Hände und geht zurück vor die Tür zu unserem Kaffee und Kuchen, den wir haben stehen lassen.

      Ich setze Cathy an den Tisch mit der Steckdose und stöpsele ihr Ladegerät ein. Weil ich ein netter Kerl bin, hole ich ihr sogar noch den Kakao vom Tresen und stelle ihr ihn hin. „Lass es dir schmecken.“

      „Danke“, sagt sie. „Geld habe ich aber keines“, kommt es aus ihrem Mund mit pink-rotem Lippenstift. Ihre Lippen sehen aus, als würden sie glitzern.

      „Ach, das macht doch nichts“, sage ich und zücke meinen Geldbeutel. Ich will gerade bezahlen, da meldet sie sich wieder: „Könnte ich auch eine Butterbrezel haben?“

      Ich gebe keine Antwort, sondern bestelle, indem ich Jule zunicke. Die schüttelt den Kopf. „So jung war ich auch mal“, kommentiert sie und gibt mir die Butterbrezel. Ich stelle den Teller vor Cathy hin.

      „Danke“, sagt die und ist wieder in ihr frisch gestartetes Smartphone vertieft.

      Ich stehe einen Augenblick vor ihr und starre sie an. Jung, hübsch und so unschuldig. Unschuldig doof. Ob sie überhaupt weiß, wo sie wohnt oder wie sie dorthin zurückkommt? Vielleicht sollte ich ihr Geld für ein Taxi geben.

      „Ist noch was?“, fragt Cathy. Sie hat mich beim Starren ertappt.

      „Oh nein, alles in Ordnung“, sage ich. „Lass es dir schmecken.“

      „Mach ich“, sagt sie und wischt, ohne aufzusehen, auf ihrem Smartphone herum.

      Ich gehe nach draußen und setze mich zu Opa.

      „Sie ist gut versorgt.“

      „Hmmhmm“, macht Opa.

      „Hatte gar kein Geld dabei das arme Ding. Etwas simpel im Kopf.“

      Opa nimmt einen Schluck Kaffee, lässt mich dabei aber nicht aus den Augen. „Flori, solche Weiber hatten schon zu meiner Jugend nie Geld dabei. Die brauchen kein Geld“, sagt er und zieht die Augenbrauen hoch.

      Dann klickt es in meinem Kopf und ich verstehe, was er meint.

      Sofort trauere ich meinen 6,80 € hinterher.

      „Die hat mich über den Tisch gezogen!“, sage ich.

      „Dich und wahrscheinlich hundert andere“, sagt Opa und grinst. „Naivität war schon immer die größte männliche Schwäche. Viele verwechseln Hilflosig- oder Freundlichkeit bei Frauen mit Zuneigung.“

      Ich drehe mich um und schaue zu Cathy. Sie schaut tatsächlich auf und winkt mir zu. Dann wirft sie mir mit der Hand einen Kuss zu und bläst ihn in meine Richtung.

      „Manch einer bemerkt ein Leben lang nicht, wie er sich selbst zum Narren macht“, sagt Opa.

      Ich drehe mich um. Opa schaut auch zu Cathy, dann verengt er die Augen zu Schlitzen. Ich will sehen, ob sie ihm auch einen Kuss zuwirft. Doch sie starrt ihn nur mit ebenfalls zu Schlitzen verengten Augen an.

      „Oh ja, man kennt sich untereinander“, sagt er. „Mich wirst du nicht an der Nase herumführen. Ich gebe dir keinen aus, du dämonische Höllenfotze“, sagt er und zeigt dem jungen Ding den alten Mittelfinger.

      Wie man Schlüssel mit Mondlicht und Magie wiederfindet

      Wie panisch suche ich meine Hausschlüssel.

      Nirgends wollen die Dinger sein. Nicht am Schlüsselbrett, wo sie verdammt noch mal zu sein haben, nicht in der Hose, die ich zuletzt anhatte, und dreimal nicht auf dem Beistelltisch im Flur. Was ist hier nur los? Sogar im Kühlschrank, bei der Tupperware und am unwahrscheinlichsten Ort von allen habe ich nachgeschaut: in der Schublade mit dem Tesafilm. Nichts.

      Opa kommt in die Küche, als ich unter der Spüle alles ausräume. Ich bin verzweifelt.

      „Könntest du mir eine Gemüsezwiebel geben, wenn du gerade da unten bist?“

      Ich reiche die Zwiebel heraus.

      „Danke.“

      Ich höre, wie er die ausdauernd krautige Pflanze klein schneidet. Unerhört. Er hat nicht mal gefragt, was ich hier mache.

      „Interessiert dich mein Leid denn gar nicht?“, protestiere ich und strecke den Kopf unter der Spüle hervor.

      „Nein“, sagt Opa und streut die Zwiebel auf sein Mettbrötchen.

      „Ich habe meine Hausschlüssel verlegt.“

      „Hmmhmm“, macht er kauend.

      „Na danke schön“, sage ich und richte mich auf. Ich klopfe mir den Dreck von der Hose. Wir staubsaugen leider viel zu selten. „Wenn du mal etwas suchst wie deine Blutverdünner oder deine Autoschlüssel, dann kannst du aber vergessen, dass ich dir helfe.“

      „Die Tabletten …“, sagt Opa kauend, „sind im Medizinschränkchen im Bad. Und der Schlüssel“, sagt er und beißt noch mal ab, „hängt im Schlüsselkästchen.“

      „Schön für dich. Aber was ist mit mir? Nicht jeder weiß immer so genau, was er wann wo tut.“

      „Was machst du dir denn für einen Stress? Du bist im Haus. Wenn du dich ausgesperrt hast, könnte ich dich ja verstehen.“

      „Ich brauche die Schlüssel, klar? Ich wollte zum Penny und kurz Milch kaufen. Davon hättest du gar nichts mitbekommen sollen. Und jetzt stehe ich hier.“

      „Hast du schon wieder die letzte Milch aufgebraucht?“

      „Grrrr …“, mache ich und balle die Hände zu Fäusten. Ich laufe aus der Küche.

      Opa kommt mir hinterher.

      „Himmel, Söhnchen. Die Welt wird nicht untergehen, nur weil uns das Eutersekret ausgegangen ist. Ich hätte dich auch reingelassen, wenn du geklingelt hättest.“

      „Wirklich?“

      „Sicher doch.“

      „Weil du … mich lieb hast?“

      „Nein, weil der Klingelton sehr penetrant in den Ohren liegt und du schon immer Sturm geklingelt hast.“

      Ich setzte mich auf das Sofa und lasse den Kopf in den Nacken fallen.

      „Hoffentlich habe ich das Ding nicht verloren.“

      „Ach, der taucht wieder auf. Das Haus verliert nichts.“

      „HA!“, sage ich und springe auf. Schnell ist das Rathaus abtelefoniert, welches bei uns in Plüderhausen als Fundbüro fungiert. Nichts. Niemand hat einen Schlüssel mit einem Plüschkrokodil abgegeben.

      „Jetzt kann ich nie wieder das Haus verlassen, ohne auf dich angewiesen zu sein.“

      „Bist mir ausgeliefert, was?“

      Ich spüre Opas Blick, der sich in mich bohrt. Ich weiß, was in ihm vorgeht. Er überlegt sich, ob er mit mir Mitleid haben soll oder direkt das zweite Mettbrötchen aus der Küche holt und wieder in seinen Schuppen im Garten verschwindet.

      „Ich weiß, wie wir deinen Schlüssel finden.“

      „Echt?“