Das erste Buch Opa. Bastian Litsek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bastian Litsek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754174975
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sagt Frank leise.

      „Falten?“, frage ich.

      „In der Wäsche?“, fragt Opa.

      Wir schauen uns an, können es nicht fassen und schauen wieder rüber ins andere Haus.

      „Er hat den Fernseher eingeschaltet“, bemerkt Frank.

      „Na wenigstens etwas“, merkt Opa an.

      „Ich finde es schön, dass er den Haushalt schmeißt, bis seine Saskia wieder zu Hause ist“, sagt Frank.

      „Schon“, bestätigt Opa, „aber die Frage ist: warum? Was hat er verbrochen, dass er an einem Tag die Fenster putzt, bügelt und wie hast du es vorher noch genannt, Flori?“

      „Den Kühlschrank abtauen und reinigen.“

      „Ja, genau das. Wie viele Jahrestage hat der Kerl vergessen, damit er derart viel gutzumachen hat?“

      „Och, ich finde das gar nicht so ungewöhnlich“, sagt Frank und senkt das Fernglas. „Ich mache meiner Frau auch ab und an Abendessen. Sie findet es toll, wenn ich koche.“

      Saskias Auto fährt vor dem Haus vor, sie parkt und steigt aus. Sie trägt einen Blazer, ihre Haare sind leicht zerzaust. In ihrer Hand zwei Tüten.

      „Was da wohl drin ist?“, fragt Frank.

      Ich erkenne den Aufdruck an der Seite. „Das ist Essen. Da ist das Shanghai-Symbol auf der Seite aufgedruckt. Wahrscheinliche das Abendessen.“

      „Meinst du, sie kann nicht kochen?“, fragt Opa.

      „Bestimmt. Aber sie war den ganzen Tag arbeiten“, merke ich an.

      „Und jetzt hat sie noch das Essen mitgebracht“, merkt Frank an.

      „Und Ulf der Knulf hat den ganzen Tag geputzt und aufgeräumt“, sagt Opa und schüttelt fassungslos den Kopf.

      „Moderne Zeiten“, sage ich und schaue die zwei ergrauten Kerle neben mir an.

      „Was wurde nur aus den Jägern und Sammlern?“, protestiert Opa. „Den echten Männern, die mittags, wenn sie frei hatten, schon Bier getrunken haben, sich nichts haben sagen lassen, egal wie falsch sie lagen, und ihren Willen durchgesetzt haben. Komme, was wolle.“

      „Dodo“, sage ich kommentarlos.

      „Was?“, äfft Frank wie ein Vorschulkind.

      Opa gibt ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. „Es heißt wie bitte.“

      „Dodo“, wiederhole ich. „Die Jäger und Sammler sind den Weg des Dodo gegangen.“

      „Ah“, macht Frank.

      „Du willst das jetzt verstanden haben?“, sagt Opa.

      „Er meint, die Primaten sterben mit der Zeit aus.“

      „Richtig, Männer. Und wenn wir uns nicht anpassen, sind wir bald so aus dem Trend wie die Prilblume und die Schlaghose. Dann nimmt uns keine mehr.“

      „Ob es das wert ist?“, fragt Opa. „Putzen? Kochen? Aufräumen? Wofür das alles?“

      Wir schauen in die Runde. Drei alleinstehende Männer, zwei davon wohnen zusammen und zum Abendessen gab es Spaghetti aus der Dose. Ein Horror, den ich nie wieder durchleben möchte. Schnell findet jeder von uns Umherschauenden mindestens zwei Gründe, die Gewohnheiten zu ändern.

      „Vielleicht würde Ulf uns einen Crashkurs geben?“, sage ich.

      „Ich weiß nicht“, sagt Opa und schaut durch das Fernglas. „Ich fasse es ja nicht …“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Sie hat ihn gerade geküsst. Sie hat gerade die Fenster begutachtet und die gebügelte Wäsche gesehen.“

      „Und jetzt?“

      Ich sehe, wie Opas Augen sich unter dem Fernglas weiten. „Sagen wir es mal so. Ulfs harte Arbeit wird belohnt.“

      „Sind sie am Essen?“, fragt Frank.

      „Hat er ein Lob bekommen?“, frage ich.

      „Nein Männer, viel besser.“

      „Ich will mal sehen“, sage ich und grapsche nach dem Fernglas.

      Opa reicht es mir. „Es gibt nichts mehr zu sehen.“

      „Wieso das?“, fragt Frank.

      „Im Schlafzimmer haben die beiden doch tatsächlich Vorhänge aufgehängt.“

      Wir glotzen uns wieder dämlich an.

      „Warme Mahlzeiten frei Haus“, murmele ich kaum hörbar.

      „SEX“, kreischen die beiden alten Männer.

      Keine halbe Stunde später stehen wir im Drogeriemarkt und schauen, was es an schicken Putzutensilien zu kaufen gibt. Vileda und Frosch, Mikrofasertücher und Allzweckreiniger. Wir fahren sogar noch zum Baumarkt und jeder besorgt sich ein Bügelbrett mit passendem Glätteisen.

      Selten waren wir drei alle so voller Hoffnung.

      Diese eine Art von Frau

      Wir sitzen an der Hauptstraße vor der Bäckerei und schauen den Leuten zu.

      Eine Frau geht mit ihrem Hund Gassi und ist in ihr Smartphone vertieft. Sie bekommt gar nicht mit, wie das Tier abrupt stehen bleibt, damit sie nicht in ein parkendes Auto hineinläuft.

      Von links kommt eine Jugendliche, vertieft in ihr Smartphone. Von rechts kommt ein junger Mann in hastigem Tempo. Auch er schaut nur auf das Display seines Telefons. Was jetzt kommt, ist unvermeidbar. Die beiden krachen ineinander. Jeder prallt vom anderen ab und geht zu Boden. Sofort fängt die junge Frau an zu heulen, was Opa und mich gleichermaßen verwundert. Wir tauschen einen Blick aus, beobachten dann wieder das Geschehen. Die junge Frau muss an die neunzehn Jahre alt sein, warum also das Geflenne.

      Da der Verkehr um die beiden normal weiterfließt und auch die Frau mit dem Hund, ohne aufzusehen, über die beiden hinwegsteigt, stehen wir auf und machen, dass wir über die Straße kommen. Opa hilft dem jungen Mann, ich der Frau auf die Beine.

      Er hat sich schnell entschuldigt und sich auf und davon gemacht.

      Sie hingegen heult mit einer derartigen Hingabe, dass wir es schon fast bereuen, geholfen zu haben. Nach mehreren Minuten des Heulens und Schluchzens zieht Opa die ultimative Reißleine.

      Er verpasst der jungen Frau eine Ohrfeige, dass ihr die Gesichtszüge entgleisen. Das Geheul verstummt abrupt.

      „Das hat mein Vater in meiner Jugend immer so gemacht“, verteidigt er sich.

      „Deswegen ist es noch lange nicht in Ordnung“, gebe ich zurück.

      Die junge Dame zieht die Nase hoch und schaut uns mit verheulten Augen an.

      „Mein Name ist Cathy. Ich kenne mich hier nicht aus und der Akku meines Smartphones ist mitten in der Google-Maps-Navigation leer gegangen.“

      „Sie haben geheult, weil Ihr Handyakku leer ist?“, fragt Opa und will schon wieder die Hand heben, um ihr noch eine zu verpassen.

      „Ja. Ich bin auf der Suche nach der Bäckerei.“

      Wir drehen uns beide um und blicken auf die Bäckerei, vor der wir gerade gesessen haben. Es ist ein auffälliges Gebäude. Über dem in großen Buchstaben Bäckerei steht.

      „Könnt ihr mir vielleicht helfen?“, sagt sie und lächelt. Es ist ein unschuldiges Lächeln, das sagt: Ich bin liebenswert, aber doof wie Brotkruste.

      „Tja“, sagt Opa.

      „Wisst ihr vielleicht, wo ich meinen Handyakku aufladen kann?“

      „Da hätte ich eine Idee.“ Ich reiche Cathy die Hand. Sie greift zu und wir gehen gemeinsam über die Straße, nachdem wir nach links und rechts geschaut haben, zweimal versteht sich. Sie folgt mir in