Oblomow. Iwan Alexandrowitsch Gontscharow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Iwan Alexandrowitsch Gontscharow
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175385
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lange zu dir«, sprach der Gast, »aber du weißt ja, was für einen teuflischen Dienst wir haben! Da, schau einmal, ich habe hier einen ganzen Koffer voll Berichte, und ich habe dem Boten befohlen, herzurennen, wenn man dort nach irgend etwas fragt. Ich kann keinen Augenblick über mich verfügen.«

      »Gehst du erst jetzt ins Amt? Warum so spät?« fragte Oblomow, »du pflegtest ja um zehn Uhr anzufangen ...«

      »Ja, ich pflegte; jetzt ist's aber anders: ich fahre um zwölf Uhr hin.« Er betonte: fahre.

      »Ah! ich errate!« sagte Oblomow, »du bist Bureauchef! Schon lange?«

      Sudjbinskij nickte bedeutungsvoll.

      »Seit Ostern«, sagte er. »Aber wieviel zu tun ist – schrecklich! Von acht bis zwölf Uhr arbeite ich zu Hause, von zwölf bis fünf Uhr in der Kanzlei, und dann habe ich noch abends zu tun. Ich bin jetzt gar nicht mehr gewohnt, mit Menschen zusammen zu sein.«

      »Hm! Bureauchef, so!« sagte Oblomow. »Gratuliere! Du bist aber einer! Wir waren ja zusammen Kanzleibeamte. Ich denke, du wirst nächstes Jahr Regierungsrat.«

      »Aber! Was fällt dir ein! Ich muß noch in diesem Jahr den Orden bekommen; ich habe gehofft, man würde mich ›für geleistete Dienste‹ vorschlagen, ich habe aber jetzt ein neues Amt übernommen. Das geht nicht, zwei Jahre nacheinander ...«

      »Komm zu mir zum Essen, wir werden zu Ehren deines Avancements ein Glas leeren!« sagte Oblomow.

      »Nein, ich bin heute beim Vizedirektor geladen. Ich muß für Donnerstag einen Bericht ausarbeiten – eine Höllenarbeit! Man kann sich auf den Rapport aus den Gouvernements nicht verlassen. Man muß die Register selbst kontrollieren. Foma Fomitsch ist so mißtrauisch: er will alles selbst prüfen. Wir machen uns heute nachmittag daran.«

      »Wirklich, noch heute nachmittag?« fragte Oblomow ungläubig.

      »Ja, was glaubst du denn? Es ist noch gut, wenn ich etwas früher damit fertig werde und Zeit habe, nach Jekaterinhof zu fahren ... Ja, also, ich bin gekommen, um dich zu fragen, ob du nicht mit mir spazierenfahren willst? Ich würde dich abholen.«

      »Ich bin nicht ganz wohl, ich kann nicht!« sagte Oblomow, indem er das Gesicht verzog, »ich habe auch viel zu tun ...«

      »Schade!« erwiderte Sudjbinskij, »es ist ein so schöner Tag. Ich hoffe wenigstens heute aufzuatmen.«

      »Nun, was gibt es Neues bei euch?« fragte Oblomow.

      »Vieles! Man hat jetzt festgesetzt, in den Briefen statt ›ergebener Diener‹ ›seien Sie versichert‹ zu schreiben; es ist angeordnet worden, nicht mehr zwei Exemplare Formularbogen einzureichen. Man hat unser Bureau um drei Tische und zwei Beamte vergrößert. Man hat unsere Kommission aufgehoben ... Und noch viel anderes!«

      »Nun, und was ist mit unseren früheren Kollegen?«

      »Vorläufig gar nichts; Swinkin hat seine Akten verloren!«

      »Wirklich? Was hat denn der Direktor gesagt?« fragte Oblomow mit zitternder Stimme. Er erschrak in der Erinnerung an die alten Zeiten.

      »Er hat ihm die Remuneration vorenthalten lassen, bis er die Akten findet. Es war ein wichtiges Dokument: ›Über die Steuereintreibung‹. Der Direktor glaubt«, fügte Sudjbinskij fast flüsternd hinzu, »daß er es ... absichtlich verloren hat.«

      »Also so ist die Sache: du arbeitest immer!« sagte Oblomow, »du mühst dich ab.«

      »Schrecklich, schrecklich! Aber es ist natürlich angenehm, mit einem solchen Menschen wie Foma Fomitsch zusammenzuarbeiten: Bei ihm bleibt niemand ohne Remuneration; er vergißt selbst die nicht, die nichts tun. Sobald die Zeit des Avancements da ist, schlägt er gleich vor; und dem, der noch kein Amt und keinen Orden bekommen kann, verschafft er Geld ...«

      »Wieviel bekommst du?«

      »1200 Rubel Gehalt, 750 Diäten, 600 Wohnungsgeld, 900 Zulagen, 500 Meilengeld und an 1000 Rubel Remuneration.«

      »Aber zum Teufel!« sagte Oblomow, vom Sofa aufspringend, »hast du eine so schöne Stimme? Das klingt ja wie bei einem italienischen Sänger!«

      »Das ist noch gar nichts! Pereswjetow bekommt Gratifikationen und arbeitet weniger als ich, er versteht auch nichts. Nun, er hat natürlich auch nicht dieses Renommee. Ich werde sehr geschätzt«, fügte er bescheiden, mit gesenkten Augen hinzu, »der Minister hat sich neulich ausgedrückt, daß ich die Zierde des Ministeriums sei.«

      »Du bist ein Hauptkerl!« sagte Oblomow. »Aber diese Arbeit! Von acht bis zwölf und von zwölf bis fünf, und dann noch zu Hause – oh, oh!«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Was sollte ich denn tun, wenn ich keinen Posten hätte?« fragte Sudjbinskij.

      »Man kann Verschiedenes tun! lesen, schreiben ...« sagte Oblomow.

      »Ich tue ja auch jetzt nichts als lesen und schreiben.«

      »Das ist doch ganz was anderes; du würdest deine Sachen drucken lassen ...«

      »Es können nicht alle Schriftsteller sein, du schreibst doch auch nicht!«

      »Dafür habe ich ein Gut, das auf mir lastet«, sagte Oblomow seufzend. »Ich überlege mir einen neuen Plan; ich führe allerlei Reformen ein. Ich quäle mich damit ab ... Und du beschäftigst dich ja nicht mit Eigenem, sondern mit Fremdem.«

      »Was soll man tun! Man muß arbeiten, wenn man bezahlt wird. Im Sommer werde ich ausruhen: Foma Fomitsch verspricht eigens für mich eine Dienstreise auszudenken ... dann bekomme ich Reisegeld, das für fünf Pferde berechnet wird, drei Rubel tägliche Diäten und Extragelder ...«

      »Das geht ja wie geschmiert!« sagte Oblomow voll Neid; dann seufzte er und vertiefte sich in seine Gedanken.

      »Ich brauche Geld, ich heirate im Herbst«, fügte Sudjbinskij hinzu.

      »Was?! Wirklich? Wen denn?« fragte Oblomow teilnahmsvoll.

      »Scherz beiseite, die Muarschin. Weißt du noch, sie haben neben mir auf dem Lande gewohnt! Du hast bei mir Tee getrunken und hast sie, scheint mir, gesehen.«

      »Nein, ich erinnere mich nicht! Ist sie hübsch?«

      »Ja, sie ist lieb. Wenn du willst, können wir zum Mittagessen zu ihnen hinfahren ...«

      Oblomow wurde verlegen.

      »Ja ... gut, aber ...«

      »Nächste Woche«, sagte Sudjbinskij.

      »Ja, ja, nächste Woche«, willigte Oblomow erfreut ein, »mein Anzug ist noch nicht fertig. Machst du eine gute Partie?«

      »Ja, der Vater ist Hofrat; er gibt ihr zehntausend, und dann bekommen wir eine Amtswohnung. Er hat für uns die Hälfte seiner Wohnung bestimmt, zwölf Zimmer; außerdem bekommen wir die dazugehörigen Möbel und freie Beheizung und Beleuchtung: man kann also leben ...«

      »Ja, man kann! Und ob! Bist du aber ein Kerl, Sudjbinskij!« fügte Oblomow nicht ohne Neid hinzu.

      »Ich lade dich zu meiner Hochzeit als Kranzherr ein, denke daran ...«

      »Aber gewiß! Nun, was ist mit Kusnezow, mit Wassiljew, mit Mochow?«

      »Kusnezow ist längst verheiratet, Mochow hat meinen früheren Posten eingenommen, und Wassiljew ist nach Polen versetzt worden. Iwan Petrowitsch hat den Wladimirorden bekommen, Oleschkin ist Exzellenz geworden.«

      »Er ist ein guter Kerl!« sagte Oblomow.

      »Ja, ja; er verdient es.«

      »Ein sehr guter Kerl, er hat einen so sanften, gleichmäßigen Charakter«, fügte Oblomow hinzu.

      »Er ist auch so dienstfertig«, bemerkte Sudjbinskij – »und weißt du, er hat nicht dieses Bestreben, sich vorzudrängen, einem zu schaden, ein Bein zu stellen oder zuvorzukommen ... er tut alles, was er kann.«

      »Ein prachtvoller Mensch! Wenn man manchmal in