Hitzeschlacht. Robert Lang. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Lang
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754174814
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Er hat eine Zeitlang Kaufhäuser mit Brot und Gebäck aus einer Brotfabrik beliefert. Die ganz großen Brummer ist er dabei nicht gefahren, aber immerhin einen Siebeneinhalbtonner.“

      „Das sollte genügen. Mein Vorschlag lautet, dass ihr morgen Nacht dort hinfahrt und sämtliche Reifen der dort stehenden Fahrzeuge zerschneidet. Manche der großen Laster haben sechs oder acht Reifen, in der Summe dürften es mindestens dreihundert sein, aber fünf Mann schaffen das in weniger als einer halben Stunde. Besorgt euch Macheten oder diese großen Messer, die Metzger oder Schlachter benutzen, dann müsst ihr pro Reifen nur einmal ordentlich zustechen.“

      „Klingt machbar“, meint Matthias.

      „Das ist noch nicht alles. Ihr werdet zusätzlich in jeden Dieseltank zwei oder drei Kilo Zucker oder Reis schütten, und bei den Wagen, bei denen ihr die Motorhaube aufkriegt, ein eine Ladung Metallspäne ins Motoröl. Nehmt Drahtscheren mit, manche Tanks haben Schlösser. Das Zeug löst sich zwar in Diesel nicht auf, aber er richtet trotzdem hübsche Schäden an Filter und Einspritzung an.

      Ich hab´s noch nicht genau überschlagen, aber der gesamte Schaden dürfte in den sechsstelligen Bereich gehen. Und sein Betrieb steht für mindestens eine Woche still.“

      „Wie wird der Laden bewacht?“

      „Es ist in der Zeit von dreiundzwanzig Uhr bis vier Uhr morgens nur ein einzelner Pförtner auf dem Gelände, die Fahrer trudeln gegen halb fünf ein, und an der Rampe fangen sie erst um kurz nach fünf mit der Arbeit an. Der Nachtpförtner ist weit über sechzig und sitzt an der Schranke in einem Glaskasten gleich vorn bei der Einfahrt. Der Mann ist für uns besonders wichtig.“

      Richling grinst wieder. „Er wird nämlich nach dieser Aktion jeden Eid schwören, dass es Araber waren, die ihn überwältigt und gefesselt haben.“

      „Und wie stellen wir das an?“

      „Das ist nicht schwer. Nehmt den Wagen und deckt die Nummernschilder ab, sehr wahrscheinlich gibt es im Eingangsbereich Kameras.

      Ihr fahrt bis an die Schranke, und wenn der Mann euch über den Lautsprecher fragt, was ihr bringt oder was ihr holen wollt, steigen zwei von euch aus, gehen zu ihm in den Glaskasten und überwältigen ihn. Es gibt in der Frankfurter Innenstadt einen Kostümverleih. Besorgt euch dort ein paar falsche Bärte und schaut, ob ihr nicht ein paar von diesen Palästinenser-Kampftüchern auftreiben könnt. Knebelt ihn mit einem dieser Dinger. Schreit ihn an, so wie arabische Terroristen das tun würden. Schaut, dass ihr nach Knoblauch oder Kümmel stinkt. Aber ihr dürft nicht nach Alkohol riechen, das würde alles kaputtmachen. Ruft ein paarmal ,Allahu akbar‘, oder wie das heißt.“

      Matthias schaut ein wenig skeptisch drein. „Meinst du, der fällt darauf rein?“

      „Das wird er. Er steht unter Schock, sobald ihr ihn euch greift. Ihr müsst nicht zimperlich mit ihm umgehen, aber sorgt auf jeden Fall dafür, dass er am Leben bleibt, bis er gefunden und befreit wird. Der Mann und sein Bericht über den Anschlag sind für uns wichtiger als der ganze finanzielle Schaden, den ihr anrichtet, klar?“

      „Klar.“

      „Und seht zu, dass er nur die zwei von euch sieht, die verkleidet sind. Die Anderen bleiben solange im Wagen, bis ihr ihn gefesselt und auf den Fußboden gelegt habt.

      Wenn dieser Kerl ein paar Stunden später erzählen soll, was passiert ist, dann wird er genau das tun, was wir vorläufig am dringendsten brauchen. Er wird Araber beschreiben, die den Laden eines Juden überfallen, der erst vor ein paar Tagen seine Enkelin durch einen schrecklichen Mord verloren hat. Das sollte uns für eine ganze Weile Ruhe vor ungemütlichen Nachforschungen verschaffen.“

      Matthias muss anerkennen, dass der fette Richling mehr auf dem Kasten hat, als er gedacht hat. Diese Aktion kann den Fehler wieder wettmachen, den sie begangen haben, als sie ihre Visitenkarte in das Mädchen ritzten.

      „Geld gibt es dafür keines, verstanden?“

      „Klar, geht in Ordnung, Boss. Diese Party geht aufs Haus, wir haben uns diesen Schlamassel selbst eingebrockt. Ich werde das mit den Jungs besprechen und danach dieses Treffen beenden, damit morgen Nacht alle fit sind.“

      „Gut“, sagt Richling. „Am besten macht ihr es nachts zwischen zwei und drei Uhr, dann ist der Pförtner müde. Ruf mich danach kurz an und sprich ein Losungswort auf meine Mailbox. ‚Adler‘, wenn alles geklappt hat, ‚Geier‘, wenn etwas schiefgegangen ist. Hast du das?“

      „Das ist nicht so schwer“, antwortet der Kopf der kleinen Killerbande, und es klingt säuerlich.

      Richling geht nicht mehr mit Matthias zurück in die Gartenlaube. Sein Job ist erledigt. Er hofft, dass nach der Ausführung seiner Prachtidee diese Kuh vom Eis ist.

      Aber er denkt trotzdem auf der ganzen Heimfahrt an den goldgelockten Detlev und an Rocco, das Frettchen mit dem flinken Messer. Schlechtes Material für einen Staatsstreich – dazu benötigt man ein anderes Kaliber.

       3

      Es brodelt in Moshe, als er im Flieger nach Tel Aviv sitzt. Er hat mit dem Gedanken gespielt, in Frankfurt zu bleiben und selbst auf die Suche nach Rebeccas Mördern zu gehen. Dieser Kommissar macht nicht viel her, findet er. Kann man einen so wichtigen Fall nicht Ermittlern geben, die etwas kerniger im Auftreten sind als dieser kleine ältere Mann, der beim Sprechen kaum die Zähne auseinanderkriegt?

      Kaum Spuren bisher, hat der Mann gesagt, und dabei ein bisschen verlegen ausgesehen. Als wäre er selbst schuld daran, dass es so ist - oder als lüge er. Schwer zu sagen, Moshe ist noch in der Grundausbildung, und in dieser gibt es das Fach Psychologie nicht. Er kann in dem Gesicht des Kommissars nicht lesen.

      Moshe hat sich partout geweigert, den aufgebahrten Leichnam seiner kleinen Schwester noch einmal anzuschauen, so als würde er, wenn er es tut, ihren Tod anerkennen oder offiziell bestätigen. Er weiß, dass das unsinnig ist, aber er kann nicht heraus aus seiner noch dünnen Haut.

      *

      „Muss das denn wirklich sein? Ausgerechnet jetzt?“

      Aaron Silberschmied hat seiner Frau Rachel gerade eröffnet, dass er schon sehr bald wieder auf Dienstreise gehen muss und für eine komplette Woche weg sein wird.

      „Schatz, ich kann es nicht ändern. Das Management von Sting kommt mit immer neuen Forderungen zu uns, in den USA macht Lady Gaga Schwierigkeiten, Bruce Springsteen hat anscheinend einen Vorvertrag für eine US-Tournee unterschrieben, aus dem er nicht so einfach herauskommt. Und zwei oder drei andere Acts sind auch noch nicht in trockenen Tüchern. Gleichzeitig wollen die Israelis schon die Tickets drucken und mit dem Vorverkauf anfangen. Das reinste Chaos, und das kriege ich mit Telefon und Laptop nicht in den Griff.

      Ich weiß, was ich dir zumute, glaub mir das bitte. Aber von mir hängt jetzt die ganze verdammte Veranstaltung ab. Da geht es um zig Millionen, und nicht zuletzt auch um sechs Millionen, die bei der Agentur hängen bleiben - ganz abgesehen vom Renommée, das wir mit Geld allem Geld der Welt nicht kaufen könnten.“

      „Es ist trotzdem nicht richtig, Aaron. Wir haben gerade unsere einzige Tochter verloren. Wir wissen nicht, aus welchem Motiv heraus Rebecca sterben musste. Es könnte sich gegen die ganze Familie richten, vielleicht, weil wir Juden sind. Falls es das ist, sind wir und Moshe und dein Vater in Gefahr. Und du willst du ein solches Risiko eingehen? Für Geld?“

      „Du verstehst es nicht, Rachel. Es geht um mehr als nur Geld. Es geht um unsere Zukunft und die Zukunft von dreißig Angestellten und deren Familien. Der Umfang dieses Projektes ist größer als nur ein Job oder ein Geschäft. Wenn wir beim gegenwärtigen Stand der Dinge einen Rückzieher machen, verlieren wir nicht nur Geld. Mit uns wird kein einziger ernstzunehmender Musiker und keine einzige überregional bekannte Band mehr reden. Wir sind dann geschäftlich gesehen mausetot und können den Laden ebenso gut dichtmachen.“ - „Wann müsstest du abreisen?“

      „Eigentlich schon gestern, aber das konnte ich abbiegen. Ich muss morgen am Spätnachmittag im Flugzeug sitzen. Ich brauche zwei Tage für England und Schottland.