Hitzeschlacht. Robert Lang. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Lang
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754174814
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Es wird Wochen dauern, bis uns wieder alle Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Ich versuche seit einer halben Stunde, unseren Versicherer zu erreichen, aber es ist ja auch erst sieben Uhr.“ Er schüttelt den Kopf und schweigt wieder. Dann springt er ohne Vorwarnung auf und schaut den Kommissar mit wild funkelndem Blick an. „Die gesamte Elektrik haben sie zerschnitten, die Tankdeckel sind abgerissen worden, es ist Zucker im Diesel. Und dann sind diese Schweine, pardon, hingegangen und haben pfundweise Eisenspäne ins Motoröl gekippt. Wer tut denn so etwas?“

      Schuchardt hat erst vor ein paar Tagen dieselbe Frage aus dem Mund eines alten Pathologen gehört. Er murmelt etwas, das nach Bedauern klingen soll, und verbeißt sich wieder in die Frage aller Fragen. Wer hat Rebecca Silberschmied ermordet?

      Ein durch und durch empörter Fuhrparkleiter setzt sich auf die Kante seines Schreibtisches und Schuchardt muss nun zu ihm aufschauen.

      „Und dann noch die Reifen. Das war ein Blutbad. Nach einer ersten Schätzung brauchen wir dreihundert bis dreihundertfünfzig Stück von diesen, pardon, teuren Scheißdingern.“

      Die Attacke auf Erdmanns Firma berührt den Kommissar nur insoweit, wie er irgendetwas Nützliches für seine Suche nach den Mördern eines jungen Mädchens herausholen kann. Gewalt gegen Sachen gehört nicht zu seinem Aufgabenkatalog, und kaputte Autos interessieren ihn nicht.

      „Sie haben doch einen Teil der defekten Fahrzeuge selbst inspiziert. Ist Ihnen dabei irgendetwas untergekommen, das den Verdacht nährt, es könnte sich bei den Kriminellen um Araber handeln? Irgendetwas in dieser Richtung gefunden?“

      Der Fuhrparkleiter schüttelt den Kopf, öffnet den Mund zum Sprechen, schließt ihn wieder, schüttelt erneut den Kopf. Er lebt seinen Alptraum, denkt Schuchardt resigniert.

      „Gut, sagen Sie Bescheid, wenn Ihnen noch etwas einfällt.“ Wie vorhin beim Pförtner, hinterlegt er auch in diesem Büro seine Visitenkarte, die seine Mobilfunknummer trägt. „Zögern Sie nicht, mich anzurufen, wenn Sie mir noch etwas sagen wollen.“

      Was hat er nun? Einen „widerlichen Lappen“, einen falsch klingenden arabischen Ausruf, ein bisschen Knoblauchgeruch im sensiblem Rüssel eines alten Pförtners.

      Und natürlich die mutmaßliche Anzahl an Tätern bei dieser Aktion, die ebenso wie Modell und Farbe des benutzten Tatfahrzeuges Parallelen zur Entführung und Ermordung von Rebecca aufweisen.

      Das ist nicht allzu viel, aber es ist mehr als nichts. Auch wenn die Augenzeugen sich widersprechen, wenn es an die Beschreibung der Täter geht. Hier ein großgewachsener Glatzkopf, dort Araber, die wie Taliban aussehen, wenn man nach Cullmann geht.

      Ganz zuletzt instruiert er das Team, das die Spuren sichert. „Ich brauche alles, was ihr ausgraben könnt, Fingerabdrücke, Haare, einfach alles. Wenn es zu lange dauert oder es euch zu viel wird, erbittet euch Hilfe von den Kollegen in Offenbach oder Hanau.“

      Als Schuchardt sich in sein Auto setzt und vom Hof des Spediteurs fährt, sieht er, dass der alte Nachtpförtner abgelöst worden ist. An seiner Stelle sitzt da jetzt ein jüngerer Mann, der aber für ihn nicht von Nutzen ist.

      Der Kommissar fährt auf direktem Weg nach Hause, gibt seinem kleinen Kater frisches Wasser und Trockenfutter (Frischfutter trocknet fast augenblicklich ein bei diesen Temperaturen) und versucht danach, ein wenig Schlaf nachzuholen. Er ist erst vor dreieinhalb Stunden unsanft geweckt worden, aber er fühlt sich, als sei er drei Tage und drei Nächte unterwegs gewesen.

      Nazis oder radikale Muslime? Beide hassen die Juden. Sind es die einen oder die anderen? Oder etwa beide? Arbeiten sie vielleicht sogar Hand in Hand gegen den gemeinsamen Feind? Warum Erdmann? Ist das alles eine Scharade? Versucht da nicht jemand, ihn nach Strich und Faden zu verarschen? Wahrscheinlich ist das so.

      Schuchardt schläft fast augenblicklich ein. Nach einer Weile hüpft sein Kater zu ihm aufs Bett, kringelt sich neben dem Kopfkissen zusammen und tut es seinem Herrchen gleich. Dann ist für ein paar Stunden nur noch das Geräusch des Standventilators zu hören, der die Luft zwar nicht abkühlt, sie aber wenigstens in Bewegung versetzt.

       5

      Richling bastelt weiter an seinem Rachefeldzug. Er weiß zwar nichts von Aaron Silberschmieds gigantischem Event, das in knapp zwei Monaten an verschiedenen Orten in Israel stattfinden wird, aber er ruft unter falscher Flagge in dessen Agentur an und erfährt, dass der Vater der kleinen Rebecca praktisch direkt nach deren Beerdigung aus beruflichen Gründen für acht Tage nach England und in die Vereinigten Staaten fliegen musste. Und da er erst gestern aufgebrochen ist, bleibt Richling eine ganze Woche, um über seine nächsten Schritte nachzudenken.

      Zuerst hat er an eine Autobombe gedacht, aber erstens sind seine Jungs wahrscheinlich viel zu dämlich, um so etwas zu Wege zu bringen, und außerdem steht zu vermuten, dass Silberschmied nur selten Auto fährt. Er wohnt im Westend, nahe der Innenstadt, und er hat auch seine Agentur im Erdgeschoss des Hauses untergebracht, in dem er lebt. Es könnte sich also als sehr langwierig erweisen, eine günstige Gelegenheit für einen Anschlag abzupassen. Zu allem Überfluss steht sein Jaguar in der rund um die Uhr verschlossenen Tiefgarage des Hauses und ist deshalb nur schwer zu manipulieren. Richling verwirft diesen Gedanken, es muss einfachere Wege geben, an den Mann heranzukommen.

      Wenn man Matthias glauben kann, dann war der Überfall auf den Fuhrpark des alten Erdmann ein in jeder Hinsicht durchschlagender Erfolg. Ein kurzer Bericht in der „Frankfurter Rundschau“ scheint dies zu bestätigen. In dem Artikel wird eine Verbindung zwischen dem Mord und diesem Anschlag hergestellt, der Schreiber enthält sich aber weiterer Spekulationen. Das ist gut, meint Richling. Wenn man davon ausgehen kann, dass dieser Reporter Verbindungen zur Polizei hat, dann könnte es bedeuten, dass diese noch völlig im Dunkeln herumstochert. Es kann aber auch Taktik sein.

      Wenn der Sohn Erdmanns auf Geschäftsreise ist, wird folglich seine Frau allein zuhause sein. Vielleicht sollte man sich zuerst mit ihr beschäftigen. Viel weiß Richling nicht über sie. Sie ist zweiundvierzig Jahre alt und auch nach zwei Kindern immer noch ein ziemlich heißer Feger, er hat einige Fotos von ihr bei Google entdeckt. Er muss Matthias und seine Bande anweisen, die Finger von ihr zu lassen, wenn sie sie kaltmachen. Eine Vergewaltigung wie bei dem Kind geht vielleicht einmal gut, aber sie kann auch zu Problemen führen. Zu groß ist die Gefahr, gestört zu werden oder verräterische Spuren zu hinterlassen.

      Wie ihr Gatte arbeitet auch Rachel Silberschmied im Event-Bereich, organisiert aber keine Rock- oder Popkonzerte und Musikfestivals, sondern Hochzeiten und Mega-Partys von Prominenten oder von Leuten, die sich für prominent halten. Dabei ist sie viel unterwegs, allerdings kaum über die Stadtgrenzen hinaus. Man wird sie eine Weile beschatten müssen, am besten soll der Lange das bewerkstelligen. Er sieht aus wie die personifizierte Unschuld. Matthias hat ihm in der Wolfsschanze erzählt, dass sie ihn schon des Öfteren als Spion eingesetzt haben, und dass der Mann das in aller Regel auch ordentlich hingekriegt hat.

      Der Lange, dessen Namen er sich nicht gemerkt hat, ist ein wenig auffälliger Bursche (wenn man von seiner immensen Körpergröße absieht) von vielleicht dreißig Jahren; er ist halbwegs vernünftig gekleidet und mit ordentlichen Manieren ausgestattet.

      Man kann keine Gestalten wie das Frettchen auf einen solchen Job ansetzen, das Frankfurter Westend ist eines der wohlhabendsten Viertel der Stadt, und da kann man keine abgerissenen Tagediebe hinschicken, denn die fallen auf und machen die Anwohner misstrauisch.

      Richling macht sich eine diesbezügliche Notiz. Er wird später am Tag eine Telefonzelle am Stadtrand von Bad Homburg aufsuchen und Matthias anrufen. Sie wollen über die Gage verhandeln, und dieser hat schon angekündigt, dass der nächste Mord teurer werden wird.

      Ihm macht das ein paar Bauchschmerzen, denn seine Reserven reichen nicht bis in alle Ewigkeit. Von dem, was die Gerichte seinerzeit nach der Verurteilung seines Vaters übrig gelassen haben, sind allenfalls noch dreihundertachtzigtausend Euro in Wertpapieren übrig. Wenn die aufgebraucht sind, kann er die – zugegebenermaßen ziemlich verwahrloste – Villa in bester Taunuslage verkaufen und irgendwohin zur Miete ziehen. Um die Dinge, die ihm wichtig sind, nicht wegwerfen müssen, muss irgendwo in erreichbarer Nähe eine