Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe). S. G. Felix. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: S. G. Felix
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738095289
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Mein Spiegel ist unzerstörbar. Und wenn ihr noch einmal wagt, mich zu ärgern oder meinem Freund etwas anzutun, dann werdet ihr meinen dämonischen Zorn zu spüren bekommen. Ich werde euch alle mit einem furchtbaren Fluch belegen«, drohte Gilbert.

      »Was für ein Fluch?«, wollte der Largone mit dem Hammer in der Hand wissen. Er schien tatsächlich den Unsinn zu glauben, den Gilbert sich in aller Schnelle ausgedacht hatte.

      »Das werde ich mir noch überlegen. Hängt von meiner Laune ab. Und mit der ist es im Moment nicht zum Besten bestellt.«

      »Ich glaube, das reicht, Gilbert«, sagte Antilius.

      »Ach komm schon! Ich wollte mir gerade einen schrecklichen Fluch ausdenken.«

      »Gib ihm den Spiegel zurück!«, beschloss der andere Anführer mit dem linken Horn.

      Bange Sekunden wartete Antilius die Reaktion des Rechtshornigen ab.

      Der Largone ging schließlich langsam auf Antilius zu und gab ihm seinen Spiegel zurück. Dann eilte er aus dem Saal. Das Gefühl der Niederlage vor den Augen der anderen konnte er nicht ertragen.

      Die Stimmung war plötzlich irgendwie gekippt. Eben noch musste Antilius befürchten, sein letztes Stündlein schlagen zu hören, und dann die überraschende Wendung. Wenn auch auf ungewöhnliche Art und Weise, so hatte es Gilbert doch geschafft, eine Ordnung in der Gruppe der Riesen herzustellen, indem er den rechtshornigen Largonen vor den anderen bloßstellte.

      Es wurde ruhig im Saal.

      »Ich möchte mit Brelius reden. Er ist wohl der Einzige, der mir sagen kann, was hier vor sich geht«, sagte Antilius entschieden und steckte den Spiegel zurück in den Gürtel. »Wo ist er?«

      »Er ist nicht mehr hier. Aber du kannst zu ihm gehen. Es gibt einen … Spiegel. Durch ihn ist Brelius gegangen und nicht mehr zurückgekehrt«, sagte der Largone mit dem linken Horn.

      »Einen Spiegel? Hier? Etwa ein Spiegel, wie der von Gilbert?«

      Der Riese schüttelte den Kopf. »Nein. Dieser Spiegel ist eine Art Tor. Wir fanden ihn, nachdem der Menschling Brelius hier bei uns im Gefängnis eintraf und uns erzählt hat, dass er es war, der das Zeittor aktiviert hatte, und nun noch einmal zurückgekehrt ist, um seinen Fehler wieder rückgängig zu machen. Doch auch er landete dabei hier bei uns. Brelius erkannte das Spiegeltor, das wir gefunden hatten, als eine Fluchtmöglichkeit für ihn. Das Spiegeltor ist nur für die Größe eines Menschen gemacht worden. Wir konnten Brelius demnach nicht begleiten und mussten hier warten. Einige von uns glaubten, dass Brelius uns im Stich gelassen hat oder mit den Spähern im Bunde steht. Und dass der Spiegel das Werk des Bösen ist. Deshalb unsere Furcht vor dem Spiegel deines Freundes«, sagte der Linkshornige und schaute vorwurfsvoll in die Runde von Largonen.

      Antilius kratzte sich am Kinn und merkte, dass es ein wenig durch den Schubs eines der Riesen von vorhin geblutet hatte, weil er mit dem Kinn auf der Tischplatte aufgeschlagen hatte.

      »Das Spiegeltor ist erschienen, nur um Brelius die weitere Flucht vor den Spähern zu ermöglichen? Und euch nicht?«

      Der Riese nickte. »Brelius sagte, er wolle sich vor den Spähern verstecken. Er hätte versucht, seinen Fehler wieder gutzumachen, aber er sei gescheitert. Ist das Zeittor einmal aktiviert, lässt es sich nicht mehr schließen. Aber es bringt einen nicht durch die Zeit, sondern hat ihn hier in dieses Gefängnis geführt. Nachdem Brelius bei uns eingetroffen war, und wir ihm erklärten, dass er jetzt auch ein Gefangener sein würde, wollte er die Hoffnung schon aufgeben. Aber dann entdeckte einer von uns das kleine Spiegeltor in einem Schuppen. Brelius war sich sicher, dass dieses Spiegeltor ihn zu einem Ort führen würde, an dem er sich vor den Spähern verstecken könne. Einem Ort, an dem die Späher weder Augen noch Ohren haben. Er sagte, dass er dies aus seinen Träumen erfahren hätte, in denen jemand versuchte, ihm zu helfen.

      Jetzt ist er hoffentlich an einem sicheren Ort. Aber einige von uns glauben, dass es eine Falle der Späher war, und er bereits tot ist. Andere glauben, dass er den Spähern helfen will, um uns zu schaden. Ich glaube das jedoch nicht. Wenn aber alles gut gegangen ist, wird er dich bereits erwarten.«

      »Was hat er euch noch gesagt?«

      »Er sagte, unsere Welt würde sterben, wenn er nicht überleben würde. Er sagte, es gebe jemanden, der mithilfe des Zeittores, das wir bewacht haben, das Portal des Transzendenten wieder errichten will. Das Portal, das die Macht der Transzendenz in sich birgt. Er sagte, er erwarte denjenigen, der die Augen hat. Wenn er kommen würde, wären seine Bemühungen nicht umsonst gewesen. Bist du derjenige, der die Augen hat?«

      Antilius räusperte sich. »Ich bin mir über meine Rolle in diesem Verwirrspiel noch nicht völlig im Klaren. Wisst ihr, warum die Späher uns hier eingesperrt haben?«

      »Wir waren ihnen anscheinend im Weg. So wie es aussieht, wollen sie, dass das Zeittor gestohlen wird. Sie wollen, dass es wieder einen neuen Transzendenten gibt. Anscheinend haben sie jemanden gefunden, der zu diesem Transzendenten werden soll.«

      Koros, dachte Antilius.

      »Sprich mit Brelius. Er wird dir alles erklären können. Er ist weise, glaube ich. Er sprach von einer Reihe von Visionen, die er in seinen Träumen hatte. In einer davon hat er anscheinend dich gesehen.«

      Der Largone hob Antilius behutsam vom Tisch und setzte ihn wieder auf dem Steinboden ab. »Ich werde dir zeigen, wo sich der Spiegel befindet«, sagte der Largone ruhig. Die anderen Largonen protestierten nicht. Ihnen war klar, dass Antilius womöglich ihre einzige Hoffnung sein würde, aus dem Zeitgefängnis wieder herauszukommen. Auch wenn einige von ihnen sich innerlich weigerten, einem Menschling zu trauen, geschweige denn, sich von einem Menschling helfen oder gar retten zu lassen.

      Sie gingen aus dem Hauptgebäude heraus zu einem Geräteschuppen. Hinter einer alten Decke kam das Spiegeltor zum Vorschein.

      Als sie vor dem Spiegelglas standen, konnte Antilius nicht sehen, was dahinter lag. Es war dunkel.

      »Wo wird er mich hinführen?«

      »Zu einem Ort, an dem ihr vor den gierigen Augen und Ohren der Späher geschützt seid. Das hoffe ich zumindest.«

      »Danke für eure Hilfe«, sagte Antilius, wobei er sich nicht sicher war, ob der Largone ihm wirklich freundlich gesinnt war.

      »Du darfst nicht versagen, Menschling! Ich habe soeben meine Hand für dich ins Feuer gelegt. Wenn du scheiterst, werde ich bei den Largonen meinen Führungsanspruch verlieren, weil ich mich für dich eingesetzt habe. Die Vorstellung, uns von einem Menschling helfen zu lassen, bereitet uns - vorsichtig ausgedrückt - Unbehagen. Bekämpfe das Böse! Überliste die Späher! Durchkreuze ihre Pläne. Kehre zurück und befreie uns. Wir müssen das Zeittor um jeden Preis schützen. Es darf nicht in falsche Hände geraten. Ich glaube an dich. Ich glaube, dass du die Augen hast.« Er machte eine Pause. »Wir glauben, dass du die Augen besitzt.«

      Der letzte Satz machte Antilius stutzig. »Schließt das auch den Großen mit dem Vorschlaghammer ein?«

      Der Largone lächelte. Ein sanftes Lächeln. Ungewöhnlich für eine Kreatur seiner Statur. »Mach dir darum keine Sorgen.«

      »Hoffentlich bemerken die Späher nicht, dass ich von hier verschwinde«, sagte Antilius. »Ich bin den Spähern im Stein der Zeit begegnet. Sie haben mich nicht direkt daran gehindert, das Zeittor zu benutzen. Wahrscheinlich wollten sie mich auf diese einfache Weise auch loswerden, indem ich quasi freiwillig in eurem Gefängnis lande.«

      »Wir wissen, dass sich die Späher als Hüter der Zeit ausgeben. Doch das, was jetzt geschehen ist, lässt mich an ihrer Ehrlichkeit zweifeln. Finstere Mächte sind am Werk und wollen die Macht der Transzendenz befreien.

      Geh jetzt, Menschling. Beeil dich!«

      Ohne sich zu verabschieden, schritt Antilius durch den Spiegel.

      Kurz nachdem er hinter dem durchgängigen Glas verschwunden war, vernahm der Largone noch seine Stimme.

      »Ich werde euch da raus holen«, sagte sie.

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